Für ein Recht auf schnelles Internet – Universaldienstverpflichtung einführen, Verbraucherrechte stärken

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I.       Ausgangslage
Immer wieder müssen Telekommunikationskundinnen und -kunden lange Ausfälle bei ihrem Festnetz- und Internetanschluss hinnehmen. Zuletzt gab es Ende April eine zweitägige, bundesländerübergreifende Störung im Kabelnetz des Telefon- und Internetanbieters Vodafone. Die Störung resultierte aus einem Server-Problem im Backbone-Netz. Betroffen waren zeitweise bis zu 500.000 Menschen.
Welche ökonomischen Auswirkungen ein solch massiver Ausfall haben kann, wird gerade in Zeiten der Corona-Pandemie deutlich. Eine Erhebung des Branchenverbandes Bitkom zeigt, dass bereits vor den ersten Kontaktbeschränkungen in der zweiten Märzhälfte, jeder Zweite (49 Prozent) ganz oder teilweise von zuhause aus gearbeitet hat:
„Für einige von Ihnen ist das völlig neu: 18 Prozent durften zuvor gar nicht im Homeoffice arbeiten und machen das jetzt zeitweise (15 Prozent) oder ganz (3 Prozent). Weitere 31 Prozent konnten bereits vorher im Homeoffice arbeiten und tun das jetzt häufiger (17 Prozent) oder ganz (14 Prozent)“ (https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-Pandemie-Arbeit-im-Homeoffice-nimmt- deutlich-zu).
Durch die seither anhaltenden Kontaktbeschränkungen wird der Anteil der in Heimarbeit befindlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer weiter angestiegen sein. Diesen notwendigen Schritt zur weiteren Eindämmung des Virus so schnell und flexibel von Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern technisch und organisatorisch umsetzen zu können, wurde durch digitale Angebote, wie Videokonferenzen oder Plattformen, ermöglicht. Schnelles und zuverlässiges Internet ist dafür Grundvoraussetzung. In einer stark vernetzten Arbeitswelt schränkt eine plötzliche und andauernde Störung der Internetverbindung massiv die Möglichkeiten der Heimarbeit ein, mit entsprechenden Ausfällen für die Unternehmen.
Die Corona-Pandemie hat gleichzeitig vielen Menschen gezeigt, dass Heimarbeit ermöglicht werden kann. In kurzer Zeit wurden Arbeitsprozessen und innerbetrieblichen Abläufen den neuen Voraussetzungen angepasst. Diese auch über die Pandemie hinaus beizubehalten, hat viele Vorteile für alle Seiten. Daher ist damit zu rechnen, dass die nun begonnenen Veränderungen nach der Corona-Pandemie nicht wieder komplett rückgängig gemacht werden, sondern weiterhin Bestandteil der Arbeit und der Unternehmenskultur bleiben.
Aber auch über das Berufliche hinaus ist eine verlässliche Internet- und Telefonverbindung für den Großteil der hier lebenden Menschen wichtig. Auch hier tragen die digitalen Möglichkeiten dazu bei, die sozialen Folgen der Kontaktbeschränkungen abzumildern. Videotelefonie und virtuelle Treffen wirken dem entgegen, dass aus der physischen Distanzierung eine soziale Vereinsamung wird.
Bereits im Jahr 2013 urteilte der Bundesgerichtshof, dass die Nutzbarkeit des Internets sei ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sei und des- sen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar mache (AZ: III ZR 98/12)

§ 45b des Telekommunikationsgesetzes schreibt vor, dass
„(…) der Teilnehmer […] von einem Anbieter eines öffentlich zugänglichen Telefondienstes verlangen [kann], dass dieser einer Störung unverzüglich, auch nachts und an Sonnund Feiertagen, nachgeht, wenn der Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten über beträchtliche Marktmacht verfügt“.
Diese Regelung bezieht sich dem Wortlaut nach nur auf die Telekom, andere Anbieter sind hiervon nicht betroffen. Eine Ausweitung der Geltung auch auf Unternehmen ohne Marktmacht und ein pauschalierter Schadenersatz im Fall der Nichterfüllung würde einen erheblichen Beitrag zum Verbraucherschutz im Telekommunikationssektor leisten.
Zudem kommt es nach Abschluss eines Internetvertrages oft zu einer Diskrepanz zwischen den versprochenen und den tatsächlichen Geschwindigkeiten seitens des Anbieters. Laut Jahresbericht 2019 der Bundesnetzagentur (https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Mediathek/Jahresberichte/JB2019.pdf;jsessio- nid=F3F1FF53ECC3976C37CA760395B41BCC?     blob=publicationFile&v=6) haben bei den stationären Breitbandanschlüssen über alle Bandbreiteklassen und Anbieter hinweg 71,3 Prozent der Nutzer nur mindestens die Hälfte der vertraglich vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate im Download erhalten.
Darüber hinaus würde aber nur eine grundsätzliche Festlegung von gesetzlichen Mindestvorgaben für die Dienstequalität eine für die Kundinnen und Kunden verlässliche Versorgung gewährleisten. Dies kann am besten im Rahmen der Universaldienste geschehen, die gerade neu gestaltet werden und mit der eine Ausweitung der Verpflichtung auf Internet-Dienste möglich wird (s. Artikel 86 der Neufassung des europäischen Kodex für die elektronischen Kommunikation: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L1972&fr). Dabei sollten nicht nur allgemeine, sondern sehr konkrete Vorgaben zur Dienstequalität gemacht werden, zum Beispiel hinsichtlich der Verfügbarkeit von schnellem Internet und der Störungsbeseitigung innerhalb einer bestimmten Frist. So würde eine eindeutige Regelung geschaffen, auf deren Grundlage die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Anspruch auf Entschädigung bei Großstörungen erheben könnten und zwar unabhängig von der Frage der Verschuldung dieser Störung.

II.      Der Landtag stellt fest

1.      Die flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigen Internetanschlüssen hat sich gerade unter den Bedingungen der Corona-Pandemie als entscheidender Faktor für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Nordrhein-Westfalen erwiesen.
2.      Auch im privaten Kontext ist eine zuverlässige Netzanbindung erforderlich, um gesellschaftliche Teilhabe in allen Regionen des Landes zu gewährleisten. Diese zu garantieren ist mithin öffentliche Aufgabe.

III.    Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1.      sich gegenüber dem Bund für eine Ausweitung des §45 Telekommunikationsgesetzes auch auf Unternehmen ohne Marktmacht einzusetzen und ein Recht auf pauschalierte Entschädigung im Falle der Nichtbehebung einer Störung einzuführen
2.      sich auf Bundesebene für einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet in Form einer Universaldienstverpflichtung einzusetzen. Hierfür bietet die Neufassung des europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation und die daher anstehende Novellierung des Telekommunikationsgesetzes einen wichtigen Anlass. Erforderlich sind eine eindeutige Regelung sowohl bei der Dienstequalität hinsichtlich der Verfügbarkeit von schnellem Internet als auch bei der Störungsbeseitigung.
3.      die Angebote bei den Verbraucherzentralen und weiteren Akteuren zur Beratung von Verbraucherinnen und Verbrauchern über ihre Rechte gegenüber den Telekommunikationsanbietern zu stärken.