Die Landesregierung und ihr gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat

Zeit für GRÜN: Stefan Engstfelds Halbzeitbilanz

Die Gerichte und Staatsanwaltschaften in NRW leiden unter einer Regierung mit gestörtem Verhältnis zum Rechtsstaat, während Justizminister Biesenbach von einem Skandal in den nächsten stolpert: So sah er beispielsweise tatenlos zu wie Flüchtlingsminister Stamp eine rechtswidrige Abschiebung des vermeintlichen Gefährders Sami A. durchführen ließ und Innenminister Reul anschließend die Au-torität der unabhängigen Gerichte untergräbt.

In der Hacker-Affäre um die zurückgetretene Ministerin Schulze-Föcking, gab er dem Verdacht Raum, ermittelnde Staatsanwälte zu beeinflussen. Im Fall des zu Unrecht inhaftierten und in seiner Zelle verbrannten Syrers Amad A. verschleppt Biesenbach die Aufklärung, gibt zum Teil falsche Informationen weiter. Das wiederholt sich in der Aufklärung eines tätlichen Angriffs auf eine Gerichtsvollzieherin in Bochum. Und gleich zu Beginn der Legislaturperiode zeigte Biesenbach, dass das Amt des Justizministers ihn überfordert. Erst auf Druck der Ministerehrenkommission – einem Gremium, das mögliche Interessenkollisionen von Minister*innen überprüft – gab er widerwillig seine Tätigkeit als Kreistagsfraktionschef auf.
Die Unabhängigkeit der Justiz darf nicht infrage gestellt werden
Die Schwäche von Minister Biesenbach stellt ein doppeltes Problem dar, denn als Korrektiv für das gestörte Verhältnis seiner Kollegen zum Rechtsstaat ist Biesenbach ein Ausfall. Staatsanwält*innen und Gerichte bräuchten in diesen Zeiten einen starken Justizminister, der ihre Unabhängigkeit verteidigt. Stattdessen muss Biesenbach selbst von Gerichten zur Ordnung gerufen werden, wie in der Causa um die Besetzung des Amtes der Präsidentin oder des Präsidenten des Landessozialgerichtes in Essen. Zwei Versuche einen Kandidaten durchzudrücken bzw. nachträglich ins Verfahren einzugreifen wurden gerichtlich gestoppt. Ein Armutszeugnis für den Minister.
In der Debatte um die Abschiebung des Gefährders Sami A. übte das OVG empfindliche Kritik am Vorgehen von Flüchtlingsminister Stamp. Dieser hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen getäuscht, um die Abschiebung zu ermöglichen. Das OVG attestierte Stamp daraufhin „offensichtlich rechtswidriges“ Verhalten. Dazu wiederum erklärte Innenminister Reul, Gerichte sollten die öffentliche Meinung bei ihrer Urteilsfindung berücksichtigen – und stellt damit die Unabhängigkeit der Justiz grundsätzlich in Frage. Justizminister Biesenbach sah all dem nur schweigend zu, statt sich vor die Gerichte zu stellen. Dasselbe Muster im Februar 2018: Das Bundesverwaltungsgericht erklärte Fahrverbote für prinzipiell zulässig. Ministerpräsident Laschet widersprach dem Gericht in Gutsherrenmanier, Fahrverbote seien per se unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Und auch diesmal schwieg Biesenbach. Unsere Gerichte brauchen Rückendeckung. Denn nur mit einer starken unabhängigen Justiz funktioniert der Rechtsstaat.
Der Fall Amad A.: Verweigerungshaltung statt Aufklärung
Der Syrer Amad A. saß über mehrere Wochen zu Unrecht in Haft, als in seiner Zelle ein Feuer ausbrach und er verstarb: ein Polizei- und Justizskandal. Justizminister Biesenbach verschleppte die Aufklärung, und gab sogar falsche Informationen weiter. Ein für die Aufklärung des Falls essenzielles Brandgutachten veröffentlichte Biesenbach zuerst nur in kleinen Auszügen. Passagen, die die Kommunikation der Landesregierung entkräfteten, hielt Biesenbach zurück. Den Tod von Amad A. beleuchtet mittlerweile ein Untersuchungsausschuss, in dem auch Biesenbachs Unwillen zur Aufklärung Thema ist.
Aus seinen Fehlern lernt Biesenbach indes nicht. In der Aufklärung eines tätlichen Angriffs auf eine Gerichtsvollzieherin wenig später erklärte der Minister, es hätte keine Anzeichen für eine Gewalttätigkeit der Schuldnerin gegeben. Später stellte sich diese als falsch heraus und der Minister musste er erklären, dass die Frau bereits wegen eines gleichen Vergehen aufgefallen war und unter anderem im Besitz einer Machete war.