Durch vielfältige Weiterbildung die Perspektiven von Arbeitnehmenden und Arbeitsu­chenden stärken

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

I. Ausgangslage

Der Arbeits- und Fachkräftemangel betrifft viele Branchen in Nordrhein-Westfalen und muss dringend angegangen werden. Mit der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen verändert und erhöht sich der Arbeits- und Fachkräftebedarf, insbeson­dere im Handwerk und Ingenieurwesen. Aber auch in vielen sozialen, erzieherischen und Pflege- und Gesundheitsberufen sowie in der Digitalbranche zeigt sich der Personalbedarf immer deutlicher. Doch obwohl vielerorts nach Mitarbeitenden gesucht wird, passen Jobanfor­derungen und Kompetenzen nicht immer zusammen.

Der Weiterbildung kommt im Hinblick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel eine besondere Bedeutung zu. Sie bietet eine zweite Chance, wenn der erste Bildungsweg nicht erfolgreich durchlaufen wurde oder bietet die Möglichkeit einer beruflichen Umorientierung oder Weiter­entwicklung. Und sie schafft Bildungschancen für diejenigen, die von strukturellen Herausfor­derungen im Bildungssystem oder persönlichen Umbrüchen betroffen sind. So kann Arbeits­losigkeit vorgebeugt oder gegebenenfalls beendet werden. Im Sinne des lebenslangen Ler­nens ermöglicht Weiterbildung Teilhabechancen am beruflichen und gesellschaftlichen Leben und verhindert, dass Menschen vom technologischen Fortschritt abgehängt werden.

Neben der Vermittlung berufsrelevanter Kenntnisse und Kompetenzen fördert gerade die ge-meinwohlorientierte Weiterbildung die individuelle Entwicklung jedes und jeder Einzelnen, die Persönlichkeitsbildung und die Voraussetzungen für eine berufliche Grundqualifikation.

Nordrhein-Westfalen verfügt über eine breite und vielfältige Landschaft von gemeinwohlorien-tierten Weiterbildungseinrichtungen – auch im Bereich der politischen Bildung in kommunaler, kirchlicher und anderer Trägerschaft. Allerdings ist auch die Weiterbildung selbst vom Arbeits-und Fachkräftemangel betroffen. Es müssen also Maßnahmen getroffen werden, die darauf abzielen, die Weiterbildungseinrichtungen dauerhaft personell in die Lage zu versetzen, dem Weiterbildungsbedarf in der Gesellschaft gerecht werden zu können. Qualifizierungsangebote wie „PASS“ der Supportstelle Weiterbildung oder „Train-The-Trainer“ des Landesverbandes der Volkshochschulen leisten hier bereits einen wichtigen Beitrag, um Leitungs- und Lehrkräfte in der Weiterbildung zu schulen. Dabei muss gemeinsam mit den Trägern in den Blick genom­men werden, welche Potenziale diese Programme bieten, um auch neue Zielgruppen für die Weiterbildung zu erschließen und Quereinstiege zu erleichtern.

Die gemeinwohlorientierten Weiterbildungseinrichtungen verfügen über starke Netzwerke in ihren Kommunen, zu den Unternehmen, Kammern und Gewerkschaften, den Arbeitsagentu­ren, anderen Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Mit der Novellierung des Weiterbildungsgesetzes (WbG) wurde die Möglichkeit der geschaffen, Volks­hochschulen in ihrer Rolle als Weiterbildungsberater und „Weiterbildungslotsen“ in ihrem Ein­zugsgebiet zu stärken, Bildungsangebote noch bekannter zu machen, Bedarfe in Wirtschaft und Gesellschaft zu ermitteln und Beratung für individuelle Bildungswege zu leisten.

Auch für die Entwicklung neuer Zugänge, wie einer aufsuchenden Bildungsarbeit wurde mit der Novellierung des WbG ein Rahmen gesetzt, um neue Zielgruppen ansprechen zu können. Dafür sind vor allem gleichbleibende Ansprechpersonen erforderlich, die in der Lage sind, Menschen über eine längere Zeit hinweg auf ihrem Bildungsweg zu begleiten. Darüber hinaus können Kooperationen mit Hochschulen lohnenswert sein. So könnten nicht nur Personalen­gpässe punktuell überwunden werden, sondern die Wissenschaftskommunikation in die Ge­sellschaft hinein könnte mit gemeinsamen Lehrveranstaltungen verbessert werden. In ein­schlägigen Studiengängen bietet es sich an, Studierenden die Absolvierung ihrer Praxismo­dule auch in Einrichtungen der gemeinwohlorientieren Weiterbildung zu ermöglichen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • im Rahmen der Evaluierung des Weiterbildungsgesetzes auf Basis angemessener Er­fahrungswerte zu prüfen, ob dieses den Volkshochschulen einen ausreichenden Rah­men gibt, um in einer Funktion als Weiterbildungsberater und „Weiterbildungslotsen“ tä­tig sein zu können, um Orientierungsberatung für interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen anbieten zu können;
  • in der Evaluierung insbesondere die neu geschaffenen Instrumente der Entwicklungs­pauschale und des Innovationfonds in den Blick zu nehmen. Dabei soll unter anderem auch geprüft werden, ob und wie die damit verbundene Möglichkeit der aufsuchenden Bildungsarbeit weiter gestärkt werden kann;
  • den ESF+-geförderten Bildungsscheck für berufliche Weiterbildungsangebote weiter zu verbessern;
  • zu prüfen, ob Kooperationen von Einrichtungen und Verbänden der gemeinwohlorien-tierten Weiterbildung mit Hochschulen stärker als bisher unterstützt werden können, sodass beispielsweise in passenden Studiengängen mehr Praxismodule in Weiterbil­dungseinrichtungen absolviert werden können;
  • die trägerübergreifende Qualifizierung für Leitungskräfte in Einrichtungen und Verbän­den der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen „PASS“ der Sup­portstelle Weiterbildung fortzuführen und bedarfsgerecht aus vorhandenen Mitteln wei­terzuentwickeln, um neue Zielgruppen für die Arbeit in der Weiterbildung zu erschließen und damit dem Generationenwechsel in der Weiterbildung zu begegnen;
  • das Europäische Jahr der Kompetenzen 2023/2024 aktiv zu begleiten und zu prüfen, welche der Maßnahmen und Initiativen der EU-Kommission in Nordrhein-Westfalen auf­gegriffen und weiterentwickelt werden können.