Belarus Freedom Day – Nordrhein-Westfalen steht an der Seite der Freiheitsbewegung in Belarus

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN

Portrait Berivan Aymaz 2021

I. Ausgangslage

Am 25. März 1918 wurde die Belarussische Volksrepublik ausgerufen. Das Datum markiert den Gründungstag des ersten unabhängigen Staates, der „Belarus“ im Namen trug. Auch wenn die Volksrepublik nur wenige Monate existierte, bevor die Rote Armee sie überfiel, wurde der Tag dennoch zu einem ganz entscheidenden Bezugspunkt. Seit Jahrzehnten begehen oppositionelle Kräfte ihn als „Freedom Day“ mit Umzügen unter weiß-rot-weißen Fahnen, die wiederum nach der gefälschten Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 zum zentralen Sym­bol der belarussischen Demokratiebewegung geworden sind. Seitdem hat sich die Menschen­rechtssituation in Belarus systematisch verschlechtert. Sie erreichte mit den dokumentierten Gewalt- und Folterexzessen belarussischer Sicherheitskräfte gegenüber friedlichen Demonst­rierenden, die eine faire Auszählung ihrer Stimmen forderten und massenhafte Wahlfälschun­gen dokumentierten, einen bis dahin nicht gekannten Tiefpunkt.

Seither nehmen die Repressionen des Lukaschenka-Regimes gegen die eigene Bevölkerung weiter zu. Menschenrechtsorganisationen zählen seit dem Sommer 2020 rund 50.000 politisch motivierte Festnahmen, über 12.000 politische Strafverfahren, 3.500 strafrechtliche Verurtei­lungen aus politischen Gründen und eine offizielle Zahl von knapp 1.500 anerkannten politi­schen Gefangenen. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Hunderttausende Menschen haben Belarus seither aus Angst oder Perspektivlosigkeit vor allem Richtung Westen verlas­sen. Das Regime hat freie Medien und die Zivilgesellschaft systematisch unterdrückt. Hun­derte Nichtregierungsorganisationen wurden verboten und unter dem Druck der Behörden auf­gelöst.

Die Bürgerinnen und Bürger in Belarus haben im Sommer 2020 in ihrer überwiegenden Mehr­heit für einen demokratischen Wechsel gestimmt und nehmen dafür große Entbehrungen in Kauf. Sie haben Lukaschenka und seinem Regime das Vertrauen und die Unterstützung ent­zogen und mit ihren friedlichen Protesten und Massenstreiks gezeigt, dass sie sich ein moder­nes, weltoffenes Land wünschen, das die Menschenrechte achtet und mit seinen Nachbarn in Frieden lebt.

Vom erzwungenen Exil aus setzen sich die demokratischen Kräfte, darunter vor allem Swet­lana Tichanowskaja, die legitime Gewinnerin der Wahlen von 2020 sowie das im Sommer 2022 gegründete Übergangskabinett und der Koordinierungsrat, weiter für den Wandel ein und erarbeiten konkrete Reformkonzepte. Auch im Land selbst setzen mutige Initiativen im Unter­grund die Arbeit fort. Lukaschenka kann sich nur noch mit der Gewalt seines umfassenden Repressions- und Überwachungsapparats an der Macht halten und regiert gegen sein eigenes Volk. Vor allem aber ist er auf die politische und finanzielle Unterstützung der russischen Füh­rung in Moskau angewiesen. Ohne milliardenschwere Kredite aus Russland würde die bela-russische Volkswirtschaft noch stärker schrumpfen.

Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 zeigt sich, wie fragil und abhängig das Lukaschenka-Regime von Russland ist. Von belarussischem Territorium aus starteten zahllose Raketen in die Ukraine und die russische Armee erhält signifikante logistische Unterstützung durch das Regime Lukaschenka. Die Minsker Führung macht sich daher am Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie den dort begangenen Kriegsverbrechen mitschuldig, während sie den mutigen Menschen, die in Belarus durch Sa­botageakte versuchen, den Nachschub der russischen Armee zu verlangsamen, mit der To­desstrafe droht. Gleichwohl ist die überwältigende Mehrheit der Menschen in Belarus gegen eine Teilnahme und Parteinahme zugunsten Russlands im Krieg. Viele haben protestiert und im Ausland setzen sich tausende belarussische Initiativen und Einzelpersonen für die Unter­stützung der Ukraine ein. Schätzungsweise 22.000 wehrdienstpflichtige Männer haben das Land verlassen, weil sie eine Teilnahme an diesem völkerrechtswidrigen Krieg nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können.

Daher ist es richtig, dass die Bundesregierung humanitäre Visa an politisch Verfolgte ausstellt, um ihnen in Deutschland Schutz zu gewähren. Trotzdem ist es wichtig, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten zügig weitere Maßnahmen beschließen, damit Oppositionelle und öffentliche Personen der demokratischen Belarussischen Opposition besser geschützt und unterstützt werden können. Europa muss sich entschieden gegen die Idee „russischer Einflusssphären“ stellen, denn die osteuropäischen Nationen (inklusive der Ukraine, Belarus, Moldau, Georgien usw.) sind integraler Bestandteil Europas mit ihren eigenen legitimen Interessen und Möglich­keiten souveräner Staaten.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  1. Nordrhein-Westfalen steht solidarisch an der Seite der Freiheitsbewegung in Belarus. Deren Einsatz für Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Meinungs- sowie Pressefreiheit gehören zu den Grundrechten, die die Menschenwürde garantiert.
  2. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen verurteilt das Vorgehen des Lukaschenka-Regimes gegen seine eigenen Bürgerinnen und Bürger auf das Schärfste und fordert die sofortige Freilassung aller rechtswidrig inhaftierten und verurteilten Oppositionellen.
  3. Nordrhein-Westfalen setzt sich auf allen politischen Ebenen für die Inhaftierten und Verfolgten in Belarus ein und gewährt deren Familienmitgliedern, die bei uns leben, Beistand und Unterstützung.
  4. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen begrüßt die Einrichtung des Programms „Demo­kratie-Brücken“, über das die Landtagsabgeordneten politische Patenschaften mit Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern weltweit eingehen können. SolchePatenschaften können eine Möglichkeit sein, belarussische Oppositionelle von NRW aus zu unterstützen.
  5. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen bedankt sich bei allen in Nordrhein-Westfalen lebenden belarussischen Bürgerinnen und Bürgern, für das starke und vielfältige Enga­gement und ihren Einsatz für ein freies und demokratisches Belarus. Sie und ihre Or­ganisationen haben unseren Respekt, unsere Wertschätzung und unsere Unterstüt­zung verdient.