Kommunalinfo: Reform des kommunalen Beitragsrechts

Portrait Robin Korte

Der Landtag NRW hat in der gestrigen Plenarsitzung das „Gesetz über die Bestimmung von zeitlichen Grenzen für die Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich im Land Nordrhein-Westfalen“ (Drucksache 18/1919) beschlossen.
In den vergangenen Wochen hat der Gesetzentwurf zu Diskussionen geführt. Insbesondere Grundstückseigentümer*innen haben Sorgen vor hohen Beitragsrechnungen ihrer Gemeinde. Auf der anderen Seite haben unsere Städte und Gemeinden auf eine unklare Rechtslage hingewiesen, die zu einem Stillstand bei der Veranlagung kommunaler Beiträge führte – zu Lasten der kommunalen Haushalte und der Allgemeinheit.

Mit dieser Kommunalinfo möchte ich Euch die wichtigsten Eckpunkte und Hintergründe zu diesem Gesetzgebungsverfahren erläutern. Darüber hinaus gibt es hier eine ausführliche FAQ-Liste, die verschiedene Fragestellungen aus der öffentlichen Debatte aufgreift.

Bundesverfassungsgericht fordert zeitliche Begrenzung für Abgaben zum Vorteilsausgleich – Umsetzung in NRW bislang mangelhaft

In einem weitreichenden Urteil hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 03. November 2021 festgelegt, dass die Möglichkeit zur Erhebung kommunaler Abgaben zum Vorteilsausgleich per Gesetz zeitlich zu befristen ist. Gleichzeitig erklärte das Gericht den bislang durch Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte definierten Maximalzeitraum von 30 Jahren ab Eintritt der sogenannten „Vorteilslage“ hierfür als zu lang. Unter „Vorteilslage“ wird dabei der Zeitpunkt verstanden, ab dem eine Anlage die an sie gestellten Anforderungen erfüllt, wenn also z.B. eine Erschließungsstraße zweckentsprechend benutzbar ist.

Als Reaktion auf dieses Urteil beschloss die schwarz-gelbe Vorgängerregierung Anfang 2022, also noch kurz vor der Landtagswahl, eine Änderung des BauGB-AG (Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuches NRW), die eine Befristung der Erschließungsbeiträge nach § 127 BauGB vorsieht: Erschließungsbeiträge sollten demnach zehn Jahre nach Eintritt der Vorteilslage oder alternativ 25 Jahre nach Baubeginn verjähren. Das Gesetz der Vorgängerregierung hat allerdings erhebliche rechtliche und praktische Mängel, die zulasten der kommunalen Gebührenpraxis und der öffentlichen Haushalte gehen. Diese Mängel werden mit dem neuen Gesetz geheilt.

NRW verbindet Umsetzung des Urteils mit einer Vereinfachung des Beitragsrechts

Mit dem o.a. Gesetz setzt das Land NRW das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun erstmals vollständig um. Gleichzeitig gestalten wir das kommunale Beitragsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen einheitlich und so einfacher, transparenter und rechtssicher:

  • Dazu sieht das Gesetz die Einführung einer einheitlichen zeitlichen Obergrenze („Verjährungsfrist“) für alle im KAG NRW geregelten kommunalen Beitragsarten Diese Frist beträgt zukünftig für alle kommunalen Beitragsverfahren einheitlich 20 Jahre ab dem Eintritt der sogenannten „Vorteilslage“, also dem Zeitpunkt, ab dem eine Anlage die an sie gestellten Anforderungen erfüllt und somit „benutzbar“ ist.
  • Gleichzeitig werden die bisher im Baugesetzbuch-Ausführungsgesetz NRW (§3 BauGB-AG NRW) gesondert geregelten zeitlichen Grenzen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (nach § 127 BauGB) in das Kommunalabgabengesetz NRW (§ 12a (neu) KAG NRW) überführt.
  • Damit wird die bereits von der Vorgängerregierung eingeführte Übergangsfrist für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (bisher § 3 Abs. 2 BauGB-AG NRW) zukünftig zur Regelfrist für alle kommunalen Beitragsverfahren (u.a. Erschließungsbeiträge, Kanalanschlussbeiträge, Straßenausbaubeiträge, etc.). Dies dient insbesondere der Rechtsklarheit für die Beitragszahlenden.
  • Für beitragspflichtige Maßnahmen, die zwischen 2002 und 2006 fertig gestellt wurden, kann die Frist bis maximal zum 31.12.2027 verlängert werden. Die Kommunen erhalten somit die Möglichkeit, offene Beitragsverfahren in einer angemessenen Frist noch abzuschließen.

Wegfall der sogenannten „Spatenstichregelung“ sorgt für Rechtssicherheit, „Vorkriegsstraßen“ können dennoch nicht mehr abgerechnet werden

Die bislang in § 3 Abs.4 BauGB-AG vorgesehene Rückwirkungsfrist von 25 Jahren ab Erschließungsbeginn (sog. „Spatenstichregelung“) ist nach der aktuellen Rechtsauffassung der Landesregierung und anerkannter Sachverständiger nicht grundgesetzkonform und muss daher entfallen. Darüber hinaus hätte diese Frist, die im vergangenen Jahr ohne jede Übergangsfrist eingeführt wurde, für die öffentlichen Haushalte der Kommunen Beitragsausfälle in dreistelliger Millionenhöhe bedeutet – zulasten der Allgemeinheit und der Steuerzahler*innen.

Die im Gesetz vorgesehene Begrenzung der Abrechnungsfrist auf 20 Jahre ab Eintritt der Vorteilslage sorgt für Rechtssicherheit. Bürger*innen müssen auch zukünftig keine Überraschungen in Form unerwarteter Beitragsrechnungen für eine Jahrzehnte zurückliegende Erschließung ihres Grundstücks mehr fürchten. Erschließungsanlagen, wie z.B. Zufahrtsstraßen, die bereits vor 2002 in Betrieb waren, können auch in Zukunft nicht mehr abgerechnet werden. Für Erschließungsanlagen, die zwischen 2002 und 2006 fertig gestellt wurden, kann die Frist bis maximal zum 31.12.2027, also auf 21 bis 25 Jahre verlängert werden (Übergangsfrist nach § 12a Abs. 3 (neu) KAG NRW).

Befristung gilt zukünftig auch für Straßenbaubeiträge – Abschaffung bleibt Ziel der Landesregierung

Die neue Regelung sieht zudem eine Reduzierung der Frist für Beiträge für Straßenausbaumaßnahmen vor, die vor dem 01. Januar 2018 geplant wurden und nicht unter die 100%-Förderung nach §8a KAG NRW fallen. Die Frist für die Abrechnung dieser „Altfälle“ wird von bislang 30 Jahren auf 20 Jahre reduziert. Für Straßenbaumaßnahmen, die vor 2002 fertiggestellt wurden, können also keine Beiträge mehr erhoben werden.

Unabhängig vom neuen Gesetz bleibt unser Ziel, die Straßenausbaubeiträge gesetzlich abzuschaffen. Auch dieser Schritt wird zukünftig zu Rechtsklarheit und Planungssicherheit der Beitragszahlenden in NRW beitragen. Eigentümer*innen werden dann über die Erschließungsbeiträge nur noch einmalig an den Kosten der öffentlichen Infrastruktur zur Erschließung und dem damit einhergehenden Wertzuwachs ihres Grundstücks beteiligt.

Änderungsantrag der Regierungsfraktionen sorgt für mehr Rechtsklarheit

Im Rahmen eines Änderungsantrags haben wir gemeinsam mit der CDU-Fraktion einen Hinweis aus der Sachverständigenanhörung aufgegriffen, der eine Neuformulierung des neuen §12a Abs. 4 KAG NRW umfasst. Hiermit tragen wir als regierungstragende Fraktionen zusätzlich zur Rechtsklarheit des neuen Gesetzes bei.

Abschließend möchte ich Euch für Eure Diskussionen vor Ort meine Unterstützung anbieten. Über die ausführliche FAQ hinaus stehe ich Euch für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung. Ebenso könnt Ihr Euch bei Fragen und Anregungen an unseren zuständigen wissenschaftlichen Mitarbeiter, David Schichel (david.schichel@landtag.nrw.de) wenden.

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