System zur Akkreditierung von Studiengängen auf sichere Rechtsgrundlage stellen und weiterentwickeln

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I.
Ein zentrales Element des Bologna-Prozesses ist die externe Qualitätssicherung von Studium und Lehre im europäischen Hochschulraum nach gemeinsamen Standards. Die europäischen Standards müssen in den nationalen Verfahren der Qualitätssicherung umgesetzt werden. Die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz haben sich früh auf eine länder- und hochschulübergreifende Akkreditierung zur externen Qualitätssicherung der gestuften Studiengänge verständigt. Seitdem stellen sie gemeinsame Standards der Akkreditierung auf, auf denen die Akkreditierungsverfahren in den Ländern basieren.
Der Akkreditierungsprozess hat in der Vergangenheit immer wieder zu kritischen Einlassungen geführt. Dies betraf aus Sicht der Hochschulen die Kosten und den Aufwand zur Zulassung neuer Studiengänge und die unterschiedliche Handhabungspraxis der Gutachterinnen und Gutachter. Von den Studierenden wird unter anderem die starke Ausdifferenzierung der Bachelor-Studiengänge problematisch gesehen, weil damit die gewünschte Mobilität zwischen den Hochschulen im europäischen Hochschulraum, und selbst innerhalb eines Bundeslandes, erschwert wird. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Studiengänge, die für Studierende in der Regelstudienzeit kaum studierbar sind, von Gutachterinnen und Gutachtern ohne Kritik am Arbeitsaufwand akkreditiert werden.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bewertete mit seiner Entscheidung vom 17. Februar 2016 (1 BvL 8/10) die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen in den Fassungen von 2006 und 2014 in Teilen als mit dem Grundgesetz unvereinbar. Der Landesgesetzgeber müsse selbst wesentliche Entscheidungen treffen. Ihm wurde aufgetragen bis zum 1. Januar 2018 verfassungskonforme Regelungen zu treffen. Bis dahin gelten die bisherigen Regelungen fort. Wie das BVerfG richtig feststellte, waren in Folge seiner Entscheidung länderübergreifende Absprachen notwendig.
Diesem Abstimmungsbedarf kam die Kultusministerkonferenz nach und legte im Dezember 2016 den „Entwurf eines Staatsvertrages über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen (Studienakkreditierungsstaatsvertrag)“ vor. Die Unterzeichnung des Staatsvertrags durch die Ministerpräsidentenkonferenz ist für den 1. Juni 2017 geplant.
Der Entwurf für den Studienakkreditierungsstaatsvertrag erhält grundsätzlich die bisherige Systematik eines mehrstufigen Verfahrens mit Peer Reviews. Die Hochschulen und Akkreditierungsagenturen sollen die Verfahren selbstständig und wissenschaftsnah durchführen. Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden und der Berufspraxis sollen obligatorisch in die Verfahren einbezogen werden. Sowohl eine Programm- als auch eine Systemakkreditierung sollen möglich bleiben.
Änderungen ergeben sich im Wesentlichen in vier Punkten: künftig soll der Akkreditierungsrat die Entscheidungen zur Akkreditierung treffen, so dass den Akkreditierungsagenturen eine beratende Rolle zukommt. Die Rolle der Wissenschaft soll gestärkt werden, indem sie eine Mehrheit im Akkreditierungsrat für fachlich-inhaltliche Fragen erhält. Die Verfahren zur Bewertung der formalen Kriterien und der fachlich-inhaltlichen Kriterien sollen getrennt werden. Den Ländern bzw. den Hochschulen soll ermöglicht werden eigene Verfahren zur Ausgestaltung der Akkreditierungsformate zu nutzen.
Neben der Überführung des Staatsvertrags in Landesrecht, sollen die Umsetzung und nähere Regelungen über länderübergreifende und landesspezifische Rechtsverordnungen erfolgen.
II.   Der Landtag begrüßt:
dass die Länder sich weitgehend auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt haben. Mit einer länderübergreifenden Rahmenregelung kommen sie ihrer Verantwortung für die Gleichwertigkeit der Abschlüsse, und damit ihrer Anerkennung im europäischen Hochschulraum, nach.
dass mit der künftigen Umsetzung des Staatsvertrags in Landesrecht eine sichere gesetzliche Grundlage zu Gunsten der Qualitätssicherung in der Lehre geschaffen werden kann, ohne die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken. Der Gesetzgeber kann so die maßgeblichen Entscheidungen über die Ziele der Akkreditierung, die Rolle des Akkreditierungsrates und der Agenturen, die Verfahrenseinleitung, das Verfahren, die Rechtsform der Entscheidung und die Folgen bei fehlender Umsetzung treffen, ohne dass es zu im Wesentlichen unterschiedlichen Regelungen in den Ländern kommt.
dass die Zusammensetzung und Verfahren des Akkreditierungsrates sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für ein wissenschaftsgeleitetes Verfahren bemessen sollen sowie, dass sichergestellt werden soll, dass neben Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, die nicht einer Hochschulleitung angehören dürfen, auch Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden, der zuständigen Ministerien und der Berufspraxis Mitglieder des Akkreditierungsrats sind.
dass der Akkreditierungsrat künftig die Entscheidung zur Programm- oder Systemakkreditierung treffen sowie die Länder dabei unterstützt werden sollen das Akkreditierungssystem weiterzuentwickeln und die Rechtsverordnungen auszugestalten.
dass den Akkreditierungsagenturen die Rolle von Beratungsgremien zugeschrieben werden soll, damit diese vor allem eine Dienstleistungsfunktion gegenüber den Hochschulen erfüllen. Perspektivisch ist zu bewerten, ob sie diese Funktion sinnvoll erfüllen oder es weitere Veränderungen geben muss.
dass Hochschulen durch die vorgesehene Experimentierklausel künftig auch eigene Verfahren zur Ausgestaltung der Akkreditierungsformate nutzen und diese weiterentwickeln können.
dass die Studierbarkeit von Studiengängen und der Studienerfolg Maßstäbe für die Akkreditierung sein sollen.
III.   Der Landtag beschließt:
Bei der Umsetzung und näheren Ausregelung des Staatsvertrags sowie der Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems auf Landesebene wollen wir sicherstellen, dass:
die Systemakkreditierung das bevorzugte Verfahren vor der Akkreditierung einzelner Studiengänge ist. Gleichwohl muss auch die Programmakkreditierung zulässig bleiben, wo dies begründet und notwendig ist.
perspektivisch ein institutionalisiertes, entwicklungsorientiertes Bewertungsverfahren der Qualitätssicherung an Hochschulen angestrebt wird.
das Akkreditierungsverfahren vereinfacht und die Frist zur Re-Akkreditierung flexibler gestaltet wird, um die Arbeitsbelastung der Beteiligten zu verringern.
die am Akkreditierungsverfahren Beteiligten über – ihrer Rolle entsprechende – ausreichende fachliche, didaktische und gegebenenfalls weitere Kenntnisse verfügen. Alle am Verfahren Beteiligten müssen zudem die Anforderungen und Mechanismen des jeweiligen Qualitätssicherungssystems kennen.
die Zuweisung von Credit Points zu Veranstaltungen und Prüfungen den studentischen Arbeitsaufwand realistisch widerspiegelt.
die fachlichen Kriterien von Studiengängen nicht so eng gefasst werden, dass sie die Anerkennung von an anderen Hochschulen erbrachten Leistungen erheblich erschweren und damit die studentische Mobilität verhindern.
die Festlegung der Veranstaltungen und Prüfungen in ihrer Form und grundsätzlichen Ausgestaltung den Anforderungen einer modernen, an den Lernenden orientierten Lehre gerecht werden.
die Besonderheiten der Lehrerausbildung und der Qualitätssicherungs­verfahren für Lehramtsstudiengänge beachtet werden.