Online-Kooperationen eröffnen Einzelhandel neue Märkte

Rot-Grün will Modellprojekte zur Verknüpfung von Online- und Offline-Handel fördern

Sofort die passende Größe zum besten Preis finden und bequem per Klick von zu Hause bestellen oder mehrere Varianten anprobieren, das Material fühlen, die Farbe begutachten – der Einkauf im Netz, aber auch beim Einzelhändler inklusive Beratung und Bummeln haben ihre Vorteile. Die Fraktionen von GRÜNEN und SPD im Landtag NRW wollen mithilfe von fünf Modellprojekten alle Vorzüge stationären und digitalen Handels zusammenbringen.
Wir haben mit Matthi Bolte, unserem netzpolitischen Sprecher, über die Initiative der Fraktionen gesprochen:
Bislang wird vor Ort vor allem über die Konkurrenz des Online-Handels für inhabergeführte Betriebe gesprochen. Was soll sich dank der Modellprojekte ändern?
Matthi Bolte: Es stimmt, unter anderem die Konkurrenz aus dem Netz setzt den Einzelhandel unter Druck. Der Händler vor Ort kann vom Onlinehandel aber auch profitieren – indem er selbst einsteigt. Die Modellprojekte sollen die Chancen der Digitalisierung deutlich machen, etwa die Erschließung neuer Absatzmärkte, Kooperationen oder Werbung. Um die bisherigen Grenzen zwischen Online- und Offline-Handel zu überwinden, braucht es kreative Lösungen. Diese wollen wir mithilfe der Landesförderung anstoßen.
Wie kann diese Verknüpfung typischerweise aussehen?
Matthi Bolte: Es geht nicht darum, eine weitere Software zu programmieren. Dafür gibt es am Markt hervorragende Lösungen. Viele kleinere inhabergeführten  Geschäfte verfügen nicht über digitale Warenwirtschaftssysteme. Andere Händler haben zwar einen Online-Shop, wissen aber nicht, wie sie ihren Laden und ihre Produkte dort gut präsentieren. Sie können von Vernetzung und Beratung profitieren, wie das Projekt „Online City Wuppertal“ bestätigt. Dort vermarkten Einzelhändler ihre Angebote zusammen im „talMARKT“. Kundinnen und Kunden können ihre Bestellungen auch in einer zentralen Servicestelle abholen, die längere Öffnungszeiten hat. Das Beispiel zeigt, was  möglich ist, wenn Einzelhändler, Werbegemeinschaften, Verbände und kommunale Wirtschaftsförderung an einem Strang ziehen. Deshalb sollen die fünf landesgeförderten Modellprojekte genau auf eine solche enge Kooperation setzen. Wir wollen zudem, dass sie übertragbar sind und evaluiert werden. Ein Netzwerk vor Ort ist auch für Online-Dienstleister interessant, die sich durch den sogenannten Multi-Channel-Vertrieb neue Geschäftsmodelle und Märkte erschließen.
Multi-Channel-Vertrieb – was genau verbirgt sich dahinter?
Matthi Bolte: Der Uhrenhändler bietet seine Uhren nicht mehr nur in der Auslage seines Geschäfts an, sondern auch online. Und dort nicht nur auf seiner eigenen Webseite, sondern auch auf einer gemeinsamen Plattform mit anderen Händlern von vor Ort. Er erreicht also nicht nur die lokale Kundschaft, sondern potentiell eine globale. Die Kundinnen und Kunden haben dann die Wahl, ob sie die Ware im Geschäft erst begutachten oder bequem nach Hause geliefert haben wollen. Der Umtausch wird durch solche Verknüpfungen im Umfeld natürlich leichter.
Können solche Modellprojekte denn tatsächlich helfen, Leerstände zu vermeiden, Innenstädte attraktiv zu halten?
Matthi Bolte: Solche Modellprojekte können mit Sicherheit einen Beitrag dazu leisten,  die etablierten Händler und die Attraktivität der lokalen Zentren zu stärken. Wir richten uns bewusst nicht nur an Großstädte, sondern auch an kleine Gemeinden und Mittelzentren. Denn die Zukunftsfragen des Einzelhandels stellen sich in allen Orten. Die bei „Online City Wuppertal“ teilnehmenden Händler berichten durchweg von steigenden Umsatzzahlen in ihren Geschäften. Auch die Zahlen über den Online-Shop sind ordentlich: Zwar sind die Besucherzahlen deutlich niedriger als bei den Großen der Branche, wer die Plattform aufsucht, kauft jedoch mit einer weit höheren Wahrscheinlichkeit. Die digitale Plattform muss aber vor Ort eingebettet werden, etwa durch flächendeckendes WLAN in der Stadt. Hierfür eignet sich beispielsweise eine Kooperation mit den örtlichen Freifunk-Initiativen.