Westbalkanregelung entfristen – Deckelung streichen!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Berivan Aymaz 2021

Die Westbalkanregelung, die 2015 im Rahmen der Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz eingeführt wurde, ermöglicht Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien eine legale Einwanderung, sofern sie gemäß §26 Beschäftigungsverordnung ein konkretes Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebot in Deutschland vorweisen können. Die Regelung verzichtet dabei auf die Notwendigkeit einer formalen Qualifikation und kann somit als Sonderfall des deutschen Aufenthaltsrechts zu Arbeitszwecken bezeichnet werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Personen ihren Antrag auf Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels bei der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat stellen sowie eine entsprechende Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit. Ebenfalls dürfen die Antragstellenden in den vergangenen 24 Monaten keine Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) bezogen haben. Die letzte Einschränkung gilt nicht für Personen, die nach dem 1. Januar 2015 und vor dem 24. Oktober 2015 einen Asylantrag gestellt haben.
Die Regelung sollte damals die Asylantragszahlen aus den genannten Ländern verringern und in alternative legale Zuwanderungsmöglichkeiten transformieren, zumal die Liste der sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ 2015 um Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert worden war. Die Westbalkanregelung wurde bis zum 31. Dezember 2020 befristet.
Aktuell liegt dem Bundesrat ein Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Änderung der Beschäftigungsverordnung vor, mit dem die Westbalkanregelung bis zum
31. Dezember 2023 befristet verlängert und eine Deckelung der maximalen jährlichen Zustimmungen durch die Bundesagentur für Arbeit bei 25.000 Anträgen eingeführt werden soll.
Viele Branchen in Deutschland, darunter die Baubranche, der Sozial- und Gesundheitsbereich, das Gastgewerbe oder eben die Landwirtschaft hängen mittlerweile in hohem Maße von diesen Zuwanderinnen und Zuwanderern ab. 2019 wurden bundesweit durch die Bundesagentur für Arbeit 62.334 Zustimmungen, jedoch nur insgesamt 27.259 Visa erteilt (Fragestunde des Deutschen Bundestages am 16. September 2020 BT-Drs. 19/22307, Frage Nrn. 49). Damit lagen allein 2019 die bewilligten Anträge über der neu eingeführten Deckelung von 25.000. Insgesamt beantragten 9.342 Arbeitgeber aus Nordrhein-Westfalen ein entsprechendes Visum und erhielten die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, was NRW nach Bayern (16.468) und Baden-Württemberg (15.829) zum Bundesland mit den drittmeisten Zustimmungen macht.
Eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegebene Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von April dieses Jahres kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es sich bei den im Rahmen der Westbalkanreglung vereinbarten Arbeitsverträgen zum Großteil um stabile Arbeitsverhältnisse mit einer angemessenen Entlohnung handelt (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb544-eva- luierung-der-westbalkanregelung.pdf;jsessio- nid=94AB76577C6A36E53D2648957CD982A3? blob=publicationFile&v=2). Knapp 60 Prozent der in 2016 und 2017 über die Westbalkanregelung zugezogenen Personen sind demnach als Fachkräfte, Spezialistinnen und Spezialisten tätig und brachten vor ihrem Zuzug bereits mehrjährige für ihre Tätigkeit einschlägige informelle Berufserfahrungen mit, die von Arbeitgeberseite stark nachgefragt sind (ebd.). Ebenso erreichten die Arbeitskräfte in den Jahren 2016 und 2017 einen außergewöhnlich hohen Beschäftigungsstand, Sozialleistungen wurden nahezu gar nicht in Anspruch genommen.
Die Kapazitätsengpässe und überlangen Wartezeiten bei den deutschen Auslandvertretungen von mehreren Monaten bis zu über einem Jahr haben einen deutlich größeren Erfolg der Regelung verhindert. All diese Erkenntnisse zeigen, dass die Westbalkanregelung stark nachgefragt wurde und sich bewährt hat.
Auch wenn sich aktuell durch die Covid-19 Pandemie steigende Arbeitslosenzahlen ergeben, steht dieses einer Verlängerung der Regelung nicht entgegen. Darüber hinaus liegt eine Verlängerung der Westbalkanregelung im öffentlichen Interesse und sollte auch nicht befristet werden. Von der vorgesehenen Deckelung muss abgesehen werden, da sie in Zukunft zu einem Engpass bei Fachkräften führen könnte.
Ein entsprechender Verordnungsantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen und Thüringen (501/20) liegt im Bundesrat vor.

I.       Der Landtag stellt fest:

•        Die Westbalkanregelung leistet einen wichtigen Beitrag zur regulären Arbeitsmigration und sie ist für die Sicherung des Arbeitskräftebedarfs in Deutschland von maßgeblicher Bedeutung. Davon profitiert ganz besonders auch die nordrhein-westfälische Wirtschaft.
•        Die im Entwurf der Bundesregierung geplante Verlängerung der Westbalkanregelung ist grundsätzlich zu begrüßen, sollte jedoch entfristet werden. Die ebenfalls vorgesehene Deckelung auf 25.000 zulässige Anträge pro Kalenderjahr steht im Widerspruch zur erfolgreichen Bilanz der Westbalkanregelung und sollte daher gestrichen werden.
•        Die Bundesratsinitiative von Thüringen, Bremen und Rheinland-Pfalz ist in allen Punkten zu unterstützen.
•        Die hohen Zustimmungszahlen durch die BA stehen in starkem Gegensatz zu den vergleichsweise niedrigen Visa-Vergaben. Dieses Missverhältnis sollte auf den Prüfstand gestellt und ermittelt werden, inwieweit die Bearbeitungszeiten und Visagenehmigungen verbessert werden können. Die Auslandsvertretungen sollten entsprechend personell ausgestattet werden, um eine effiziente Umsetzung der Regelung zu gewährleiten.

II.      Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird daher aufgefordert,
1.      sich den Forderungen der Bundesratsinitiative von Thüringen, Bremen und Rheinland-Pfalz anzuschließen.
2.      im Bundesrat für eine Entfristung der Westbalkanregelung und die Streichung der vorgesehenen Deckelung zu stimmen.
3.      sich dafür einzusetzen, dass die Praxis der Visavergabe verbessert wird.