Frauenpolitik im Mai 2018

Newsletter

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
eine Menge Wasser ist seit der Landtagswahl den Rhein runter geflossen und die neue Landesregierung ist nun seit fast einem Jahr im Amt. Nach der herben und bitteren Wahlniederlage in NRW und dem Schrumpfen unserer GRÜNEN Fraktion um mehr als die Hälfte galt es auch von Grüner Seite eine ehrliche Bilanz zu ziehen. Nachdem wir in den Jahren von 2010 bis 2017 viel umsetzen konnten und wichtige Weichen für NRW gestellt haben, ist es uns leider nicht gelungen, ein ausreichend transparenten Umgang mit unseren Erfolgen – aber auch den weiteren Herausforderungen – zu pflegen. Aber alle Bilanz wäre null und nichtig, wenn wir nicht nach dieser notwendigen Selbstkritik auch wieder den Rücken durchstrecken würden. Ich freue mich, dass die Fraktion mich erneut zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt und mir nun auch die Fraktionsgeschäftsführung übertragen hat. Gleichzeitig schenkte sie mir ein weiteres Mal ihr Vertrauen für das Gestalten Grüner Frauenpolitik. Neben meinen weiteren Themen Queer- und Sportpolitik, bin ich nun in der Fraktion auch zuständig für die Themen Kinder-, Jugend- und Familienpolitik.
Ich freue mich auf die weitere konstruktive Zusammenarbeit für mehr Geschlechtergerechtigkeit in NRW. Nun wünsche ich Ihnen und Euch wie üblich viel Spaß beim Lesen.
Mit feministischen Grüßen
Josefine Paul

Die Hälfte der Macht?!
In diesem Jahr feiert das Frauenwahlrecht seinen 100. Geburtstag. Das ist ein Grund zum Feiern, aber leider kein Grund, sich bequem zurückzulehnen. Denn von der Hälfte der Macht scheinen wir im Jahr 2018 wieder ein gutes Stück weiter entfernt. Wir GRÜNE halten fest am Ziel „Die Hälfte der Macht gehört den Frauen!“ Denn wir müssen feststellen, dass die politischen Entwicklungen in Deutschland und ganz Europa das Ziel wieder in etwas weitere Ferne rücken. Auch in NRW ist der Anteil von Frauen im Parlament mit der letzten Landtagswahl gesunken. Von den 199 Parlamentarier*innen im Landtag sind nur 55 weiblich. Damit sind nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten Frauen.
  
Quelle: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB_II/II.2/Archiv/mdldat/Statistiken/Statistik_Geschlechter_17WP.jsp  
Auf der Bundesebene sieht es auch nicht viel besser aus. Zwar liegt der Anteil weiblicher Abgeordneter im Bundestag prozentual ein wenig über dem des Landtags, doch sind magere 30,7 Prozent kein Grund zur Begeisterung – vor 20 Jahren sah er besser aus. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Parteien eklatant. Während es bei den GRÜNEN dank unserer Quote einen Frauenanteil von 58 Prozent gibt, erreicht ansonsten keine andere Partei das Ziel „die Hälfte der Macht den Frauen“. Kaum mehr als 10 Prozent der AfD-Mandate gehören Frauen und bei der CDU sind es auch lediglich 20 Prozent. Auch die FDP trägt mit einem Frauenanteil von lediglich 22,5 Prozent nicht zur geschlechtergerechten Machtverteilung bei, während die SPD immerhin einen Frauenanteil von 42 Prozent schafft. Fazit: Wir müssen weiter kämpfen!
Doch nicht nur unter den Abgeordneten im Land wie im Bund ist der Anteil an Frauen zurückgegangen. Auch im Kabinett Laschet ist der Frauenanteil überschaubar – unter den 13 Minister*innen sind gerade einmal vier Frauen. Auch bei den Staatssekretär*innen sind Männer in der Überzahl: von 15 sind lediglich 3 weiblich.
Zurück zum Anfang – Landesgleichstellungsgesetz
Leider müssen wir feststellen, dass Schwarz-Gelb auch auf inhaltlicher Ebene das Thema Gleichstellung infrage stellt. So haben CDU und FDP eine wirksame Frauenquote im Landesgleichstellungsgesetz gestrichen. Direkt nach der Sommerpause wurde im Eilverfahren eine Gesetzesänderung durchgepeitscht, um zu „Alt-bewährtem“ zurückzukehren. Zwar wurde angekündigt, man wolle das Problem der Scheinrationalitäten beim Auswahl- und Beförderungsverfahren angehen. Doch bislang ist außer der Ankündigung, man wolle prüfen, nichts passiert. Wir warten auf eine Vorlage von Ministerin Scharrenbach, wie die neue Landesregierung die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst wirksam voranbringen will. Es ist aber zu befürchten, dass wir zusammen mit allen Frauen im öffentlichen Dienst sehr, sehr lange warten müssen.
Anträge
Wir haben bereits diverse Anträge gestellt, um die Gleichberechtigung, Regenbogenfamilien, aber auch schwangere Frauen zu unterstützen. Hier eine Übersicht:
Hebammen sind unverzichtbar
Wir haben in unserem Antrag „Mit Hebammen und Entbindungspflegern gut versorgt von Anfang an“ klare Forderung zur Stärkung der Geburtshilfe formuliert. Denn viele Hebammen und Entbindungspfleger sind aufgrund gestiegener Haftpflichtprämien gezwungen, aus der Begleitung von Geburten auszusteigen oder ihren Beruf ganz aufzugeben. Mutter und Kind brauchen vor, während und nach der Geburt besondere Unterstützung, aber auch für Partnerinnen und Partner und Geschwisterkinder sind Schwangerschaft und Geburt eine neue Herausforderung und eine besondere Erfahrung. Auf unsere Initiative fand eine Sachverständigenanhörung statt. Wir werten die Informationen der Expert*innen gründlich aus und arbeiten daran, mit den Fraktionen von SPD, CDU und FDP einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen, um die Hebammen, aber auch die Familien besser zu unterstützen.
Gender-Budgeting auch im Kinder- und Jugendförderplan
Wir wollen, dass CDU und FDP schon bei der Aufstellung des neuen Kinder- und Jugendförderplans auf eine geschlechtergerechte Ausgestaltung achten und die speziellen Bedarfe von Mädchen und Jungen in den Blick nehmen. Denn noch immer sind zum Beispiel spezielle Angebote und sichere Räume für Mädchen unverzichtbar, um stereotypen Rollenvorstellungen entgegenzuwirken und Mädchen in ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu stärken. Daher haben wir einen Antrag in den Landtag eingebracht. Wir fordern die Regierung damit auf, auf die geschlechtergerechte Mittelverteilung zu achten. Erste Voraussetzung hierfür ist, dass vonseiten des Ministeriums analysiert wird, wie die Mittel ausgegeben werden und welche Wirkung sie entfalten. Zum Ende der Legislaturperiode wollen wir, dass Schwarz-Gelb einen Gender-Budgeting-Bericht vorlegt. Auch zu diesem Thema haben wir eine Anhörung initiiert, sie fand – wie passend – am 8.März statt.
Leider haben sich alle anderen Fraktionen in den Ausschüssen negativ zu unserem Antrag positioniert. Im Ausschuss für Gleichstellung und Frauen haben CDU, FDP, SPD und AfD geschlossen gegen unseren Antrag zum Gender-Budgeting gestimmt. Wir werden aber nicht nachlassen, für die gerechte Mittelverteilung zu kämpfen.
Regenbogenfamilien rechtlich gleichstellen
Vielfach erfahren Regenbogenfamilien auch heute noch strukturelle Diskriminierung in Behörden und vonseiten öffentlicher Institutionen. Auch nach dem großen Erfolg der „Ehe für Alle“ gibt es also weiter viel zu tun. Im Sinne der Kinder und Eltern in Regenbogenfamilien müssen schnellstmöglich weitere Gesetze novelliert werden. Dass die modernen Familienkonstellationen und Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin nach neuen rechtlichen Regelungen verlangen, hat auch das Bundesjustizministerium erkannt und einen Arbeitskreis „Abstammungsrecht" eingesetzt, dessen Abschlussbericht inzwischen vorliegt.
Zum Wohl der Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, muss aber auch das Land ernsthafte Schritte gegen die bestehenden Benachteiligungen unternehmen. Im letzten Herbst haben wir das in einem Antrag eingefordert. In einer von uns GRÜNEN beantragten Anhörung attestierten die geladenen Expert*innen, dass Regenbogenfamilien weiterhin mit besonderen rechtlichen Herausforderungen konfrontiert sind und einen entsprechend hohen Beratungs- und Unterstützungsbedarf haben. Insbesondere unsere Forderung nach einer Landeskoordinierungsstelle Regenbogenfamilien stieß bei den Expert*innen auf große Zustimmung. Leider lehnt der zuständige Minister Stamp diese Forderung weiterhin ab. Und obwohl es von allen demokratischen Parteien im Landtag große Zustimmung zum Inhalt und der grundsätzlichen Notwendigkeit, Regenbogenfamilien weiter zu unterstützen, gab, wurde der Antrag letztlich mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD abgelehnt. Die Landesregierung und der Familienminister müssen sich aber um alle Kinder und Eltern im Land kümmern und für ihr Wohl sorgen – darauf werden wir weiterhin drängen.
Freien Zugang zu sachlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche ermöglichen
Auch das Land NRW ist gesetzlich verpflichtet, ein ausreichendes Angebot an ambulanten und stationären Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sicherzustellen. Gleichzeitig gilt für die Betroffenen ein umfassendes Recht auf Beratung, zu der auch Ärzt*innen verpflichtet sind.
Das bisher immer noch geltende Bundesrecht schränkt dieses Informationsrecht aber in erheblicher Weise ein. Laut Strafgesetzbuch ist es Ärzt*innen verboten, Schwangerschaftsabbrüche „zu bewerben“. Darunter fällt bereits, öffentlich Informationen zur Verfügung zu stellen. Diesen Missstand und die Kriminalisierung von informierenden Ärzt*innen wollen wir beenden und habe daher Mitte Dezember einen Antrag eingebracht, in dem wir die Landesregierung auffordern das umfassende Informationsrecht von Frauen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz zu gewährleisten und sich mittels einer Bundesratsinitiative für die Aufhebung oder umfassende Änderung des betreffenden § 219a StGB einzusetzen.
Fünf Bundesländer haben bereits einen entsprechenden Vorstoß unternommen. Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW unterstützt den Vorstoß jedoch leider nicht. Jedoch hat die GRÜNE Bundestagsfraktion einen entsprechende Gesetzentwurf Anfang Februar in den Bundestag eingebracht. In einem Offenen Brief fordern 26 Verbände und Initiativen die SPD-Bundestagsfraktion zudem auf, den Paragrafen abzuschaffen. Er schränke den Zugang zu wichtigen Informationen ein und schaffe Rechtsunsicherheit für Ärzt*innen wird darin kritisiert.

Mehr zum Thema

Frauen