Konsequenzen aus dem Bonner Antisemitismus-Fall

Kleine Anfrage von Verena Schäffer

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Am Mittwoch, den 11. Juli 2018 wurde ein amerikanisch-israelischer Professor der University of Baltimore, der einen Gastvortrag an der Universität Bonn hielt, Opfer eines antisemitischen Angriffs. Die zur Hilfe gerufene Polizei verdächtige zunächst den Professor selbst, Täter zu sein. In der Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Bonn vom 12. Juli 2018 heißt es hierzu:
„Als sich die polizeilichen Einsatzkräfte den beiden Personen dann von zwei Seiten näherten, hielten sie den Professor, der auch auf mehrere Aufforderungen der Beamten, stehen zu bleiben, nicht nachkam, irrtümlich für den Aggressor. Er wurde von den Polizisten überwältigt, zu Boden gebracht und fixiert. Nach Angaben der Beamten wehrte er sich gegen die Maßnahmen – die Polizisten schlugen ihm hierbei auch ins Gesicht. Während sich das situative Missverständnis durch die Begleiterin des 50-Jährigen aufklärte, wurde der eigentliche Angreifer, ein 20-jähriger Deutscher mit palästinensischen Wurzeln, gestellt und vorläufig festgenommen.“
Dieser Darstellung widerspricht der Professor deutlich. In einem Interview mit der NRZ vom 14. Juli 2018 erklärt er: „Aber ich war nicht zu I00, sondern zu 500 Prozent passiv, ich habe nichts gemacht. Ich bin kein trainierter Kämpfer, sondern ein Philosoph. Dann fingen sie an, mir ins Gesicht zu schlagen. Ungefähr 50, 60, 70 Mal – völlig verrückt! Ich war geschockt. Das ist ein abscheuliches Polizeiverhalten, wie man es sonst nur in einem Entwicklungsland findet.“
Zudem gibt er an, dass er auf der Polizeiwache unter Druck gesetzt wurde, um ihn von einer Strafanzeige abzubringen. 
Inzwischen wurde bekannt, dass der Polizeibeamte, der den Professor geschlagen haben soll, in eine andere Dienststelle versetzt wurde. Zudem wird gegen vier Polizeibeamte wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt ermittelt. Zusätzlich wurden Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet.
In der Rheinischen Post vom 17. Juli 2018 wird Innenminister Herbert Reul mit den Worten zitiert: „Bisher sieht alles nach einem verhängnisvollen Missverständnis aus […] Es wird nichts vertuscht, im Gegenteil: Wir tun alles, um den Fall rückhaltlos aufzuklären. Das sind wir der Öffentlichkeit, aber auch Professor M. schuldig.”
In diesem Zitat bezieht sich Herr Reul ausnahmslos auf die Verwechselung. Das gewaltsame Einwirken der Polizeibeamten auf eine bereits am Boden liegende und fixierte Person wäre allerdings auch unverhältnismäßig gewesen, wenn es den Täter und nicht das Opfer getroffen hätte. Auch die Entschuldigung seitens des Innenministers und der Bonner Polizeipräsidentin bezogen sich allein auf die Verwechselung, jedoch nicht auf das gewaltsame Handeln der Polizei. Bislang fehlt zudem jegliche Stellungnahme zum Vorwurf der Falschdarstellung durch das Polizeipräsidium Bonn.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Warum wurde nur einer der beteiligten Polizeibeamten in eine andere Dienststelle versetzt?
  2. Gibt es angesichts des Vorwurfs des Opfers, dass die Behauptung, er hätte sich gewehrt, falsch sei, eine Korrektur der Darstellung durch das Polizeipräsidium Bonn?
  3. Teilt der Innenminister die Auffassung, dass Schläge gegen den Kopf einer bereits fixierten Person unverhältnismäßig sind?
  4. Wird sich der Innenminister bei dem Professor nicht nur für die Verwechselung, sondern auch für die ihm angetane Gewalt entschuldigen?
  5. Welche Vorkehrungen (z.B. Beendigung der Debatte über eine angeblich benötigte Robustheit der Polizei) plant der Innenminister zu treffen, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden und die Fehlerkultur bei der Polizei zu erhöhen?