Nachhaltige und faire Wirtschaft fördern – Tariftreue- und Vergabegesetz NRW vollständig erhalten!

Antrag der Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN

In Nordrhein-Westfalen werden jedes Jahr im Rahmen der öffentlichen Vergabe 50 Milliarden Euro umgesetzt. Viele Bundesländer nutzen die Vergabe als Instrument, um zentrale politische Ziele wie faire Löhne, Nachhaltigkeit in der Produktion, Ausschluss von ausbeuterischer Arbeit in Schwellenländern, Frauenförderung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirksam zu verankern, so auch NRW seit 2012 im Rahmen des Tariftreue- und Vergabegesetzes.
Das Prinzip der Nachhaltigkeit und des fairen Handels ist mittlerweile fester Bestandteil unseres wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und ökologischen Denkens und Handelns. Die Frage, warum wir nachhaltig wirtschaften müssen, stellt sich seit den achtziger Jahren nicht mehr. National und international findet ein Wettbewerb um zukunftsorientiertere Produkte statt, der die Grenzen unserer Ressourcen achtet und die Armut und Ausbeutung global bekämpft. Innovation gilt schon längst als Antrieb für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Global Compact, die Initiative der UN, hat mittlerweile 13.000 Mitglieder aus 170 Ländern. Die Vision, die sie formuliert, zeigt, worauf man sich global verständigt hat: dass Globalisierung sozial, ökologisch und fair ausgestaltet werden muss. Wirtschafts- und Handelspolitik spielen dabei eine zentrale Rolle.
Dementsprechend fördert vorausschauende und innovative Politik auch nachhaltige und faire Produktion. Dazu gehört eine nachhaltige öffentliche Beschaffung, die soziale und ökologische Kriterien in Ausschreibungen für öffentliche Aufträge integriert.
Die durch das Tariftreue- und Vergabegesetz in die öffentliche Beschaffung eingebrachten Kriterien werden im Grundsatz von nahezu allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren unterstützt. Die Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzes, die eine ersatzlose Abschaffung fordern, sind bis heute die Antwort schuldig geblieben, wie man die wichtigen Gesetzesziele anderweitig erreichen soll und kann.
Die vollständige wie auch die teilweise Abschaffung ist ein Rückschritt auf Kosten des Umweltschutzes und der Menschenrechte.
Auf Unternehmerseite trägt das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW zu einem fairen Wettbewerb bei, indem Betriebe, die ihre soziale und ökologische Verantwortung ernst nehmen, gegenüber sogenannten „schwarzen Schafen“ unterstützt und gestärkt werden. Es schafft gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer (Level-Playing-Filed), damit Umwelt- und Menschenrechtsschutz keine Wettbewerbsnachteile darstellen.
Menschen- und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer-Rechte sind universell!
Aktuell legt eine Studie der Organisationen von Misereor und Germanwatch dar, dass bei Weitem nicht alle deutschen Konzerne sich genug um die Einhaltung von Menschenrechten in anderen Produktionsländern kümmern. Klar ist, dass Menschenrechte kein Wunschkonzert sind, sondern die höchste Errungenschaft unserer humanistischen Zivilisation darstellen. Deshalb muss ein gesetzlicher Rahmen für die globalisierte Wirtschaft entwickelt und Unternehmen für verantwortungsloses Handeln zur Rechenschaft gezogen werden. 2011 wurden vom Sonderberichterstatter für Wirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie, die UN-Leitprinzipien für Menschenrechte und Wirtschaft vorgelegt und vom UN-Menschenrechtsrat angenommen. 
Die UN-Leitprinzipien müssen auf nationaler Ebene, aber auch auf Landesebene, umgesetzt werden. Die deutsche Bundesregierung hat es leider bei der Erstellung des Nationalen Aktionsplans verpasst, verbindliche Regeln zu formulieren; sie setzt lediglich auf Selbstverpflichtung. Die rot-grüne Landesregierung war der Bundesregierung voraus, da die öffentliche Beschaffung eine sehr entscheidende Maßnahme darstellt, um den Aktionsplan umzusetzen, weil Produkte, die die ILO-Kernarbeitsnormen nicht berücksichtigen, nicht beschafft werden dürfen. Durch einen Marktanteil von 50% wird so beachtlicher Einfluss ausgeübt. Im Bundesvergleich hat NRW die besten Regeln zum Schutz der ILO-Kernarbeitsnormen.
Zukunftsorientierte Produkte belasten nicht die Umwelt!
Eine ökologisch und ökonomisch erfolgreiche Wirtschaft ist für die Zukunft unseres Planeten unabdingbar. Produktionen, die zulasten künftiger Generationen und anderer Länder gehen, erzeugen keinen Wohlstand, denn sie zerstören unsere Lebensgrundlagen, führen zu Ressourcenknappheit, Umweltschäden und verstärken den Klimawandel. Daher ist es erforderlich, dass die öffentliche Beschaffung an Kriterien wie Umweltschutz, Ressourcenschutz und Energieeffizienz ausgerichtet ist. Das TVgG verankert das „Lebenszeitzyklusprinzip“ in der öffentlichen Beschaffung. Damit stärkt die öffentliche Hand den Kreislaufgedanken und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen in der öffentlichen Beschaffung.
Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt verwirklichen!
In unserer heutigen Gesellschaft sind immer mehr Frauen erwerbstätig und Familien wünschen sich eine paritätische Aufteilung von Beruf und Haushaltsarbeit. Diese Entwicklung ist erfreulich, aber dennoch haben Frauen noch nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt; der Gender-Pay-Gap ist evident und Armut ist in unserer Gesellschaft immer noch weiblich. Die Frauenförderung und auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wichtige Ziele und Maßnahmen, um Chancengerechtigkeit für Frauen in unserer Gesellschaft sicherzustellen. Das nordrhein-westfälische Gesetz hat vorbildlich die Verankerung der Frauenförderung in der öffentlichen Beschaffung sichergestellt. Hier stärkt das Gesetz in Abhängigkeit von der Größe der Unternehmen konkrete Maßnahmen zur Förderung der Frauenfreundlichkeit in Betrieben. Auch Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden durch das Gesetz gefördert und sind entscheidend, um Familien in der paritätischen Aufgabenteilung zu unterstützen.
Die Novellierung des Vergabegesetzes hat die öffentliche Beschaffung praktikabler gemacht!
Der Landtag NRW hat Ende 2016 die Neufassung des Tariftreue- und Vergabegesetzes NRW verabschiedet. Der Novellierung ging eine umfangreiche Evaluation durch Kienbaum und Partner voraus, in deren Rahmen die Akzeptanz des Gesetzes, seine Auswirkung und seine Zielerreichung untersucht wurden. Darin wurde deutlich, dass das TVgG auch bei den Unternehmerinnen und Unternehmern im Grundsatz auf große Zustimmung trifft: 83% der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer begrüßten die Idee der Verfolgung gesellschaftspolitischer Ziele im Rahmen der öffentlichen Beschaffung. Das belegt deutlich die hohe Akzeptanz des Gesetzes. Im Ergebnis kam das Gutachten zu dem Schluss, dass der Nutzen des Gesetzes den damit anfallenden Aufwand übersteigt und das Verhältnis noch besser wird, wenn es nur länger und konsequenter angewendet wird. Gleichzeitig wurden aber auch Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten gegeben, die zum großen Teil in die anschließende Überarbeitung des Gesetzes eingeflossen sind:
Entlastung für die an der öffentlichen Vergabe beteiligten Unternehmen durch das sogenannte Bestbieterprinzip, bei dem nur noch derjenige Bieter die Nachweise erbringen muss, der den Zuschlag erhalten hat.
Das Gesetz ist wesentlich verständlicher und übersichtlicher.
Die im Rahmen der Evaluierung geforderte Servicestelle soll zukünftig für alle Fragen rund um das TVgG zur Verfügung stehen.
Anhebung des Schwellenwertes, ab dem das Gesetz greift.
Der vergabespezifische Mindestlohn wird mit dem Bundesmindestlohn harmonisiert.
Mit diesen Maßnahmen, das hat eine unabhängige Standardkostenabschätzung der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld herausgefunden, werden die NRW-Unternehmen mit gut 28 Millionen Euro im Jahr entlastet. Trotzdem wird das Gesetz seine Wirkung weiterhin behalten.
Der Landtag stellt fest:
NRW setzt sich für die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen, mehr Gerechtigkeit bei der Entlohnung der Beschäftigten sowie nachhaltige und faire Produktionsbedingungen ein. Um diese Ziele wirksam verfolgen zu können, muss sich auch das Handeln des Landes daran messen lassen, inwiefern diese Maßstäbe beim eigenen politischen Handeln angelegt werden. Das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW leistet hierzu einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag und muss daher vollumfänglich erhalten werden. 
Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • das Tariftreue- und Vergabegesetz in seiner heute geltenden Form zu erhalten,
  • die wesentlichen Bestandteile des Tariftreue- und Vergabegesetzes, wie die Frauenförderung, Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sozial-ökologische und faire Beschaffung zu erhalten,
  • eine Prüfbehörde auf Landesebene einzurichten, die bei begründetem Verdacht die Missachtung von ILO-Kernarbeitsnormen durch Auftragnehmer (der öffentlichen Beschaffung) prüft,
  • NewTrade NRW weiterhin zu fördern, damit sie Kommunen und Unternehmen beraten und die Netzwerkarbeit weiter befördern kann.