Der Antrag „Nordrhein-Westfalen tritt kommunalen Gewerbesteueroasen entschieden entgegen“
Simon Rock (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweimal wöchentliche Postweiterleitung, Scanservice, Rufumleitung mit eigener lokaler Telefonnummer – für schlappe 299 Euro im Monat können Sie dieses Servicepaket online buchen. Sie haben damit aus Sicht des Anbieters alles, was Sie brauchen, um Ihren Geschäftssitz in eine Gewerbesteueroase in Nordrhein-Westfalen zu verlegen. Bei Interesse können Sie dieses Angebot auch in einem Konferenzraum nutzen. Was Sie allerdings nicht bekommen, ist ein Büro, in dem Sie auch tatsächlich arbeiten können. Das ist das erste Angebot, das Sie finden, wenn Sie „virtuelles Büro Monheim“ googeln. Sie können es ja einmal ausprobieren.
Offen gestanden stinkt das doch stärker zum Himmel als ein Schulbrot, das man über die Sommerferien in der Brotdose vergessen hat.
(Beifall von den GRÜNEN)
Mir selbst ist das als Kind einmal passiert; ich weiß, wovon ich rede.
(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Dr. Jan Heinisch [CDU])
Das zieht ganz klar nur solche Unternehmen an, die ihren Geschäftssitz nicht verlagern, sondern nur auf dem Papier ihren Unternehmenssitz dort anmelden, um Gewerbesteuer zu sparen.
Ich denke, das wir sind uns in diesem Haus einig sind: Die Gewerbesteuer ist eine der wichtigsten Finanzierungsquellen der Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Die Möglichkeit der Kommunen, ihre Hebesätze selbst festzulegen, ist nichts Schlechtes; ganz im Gegenteil. Die kommunale Hebesatzautonomie kann zu einem produktiven Steuerwettbewerb beitragen und tut das auch.
Der Großteil der NRW-Kommunen nutzt diese Möglichkeit, die Hebesätze selbst festzulegen, mit großer Eigenverantwortung und großer Autonomie im Sinne eines fairen Standortwettbewerbs. Genau diese Kommunen wollen wir stärken. Wir stehen fest an ihrer Seite.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass es Ausnahmen gibt, sogenannte Gewerbesteueroasen. Der durchschnittliche Hebesatz in den NRW-Kommunen liegt bei 450 %. Der Höchstsatz liegt ungefähr bei 700 %, und es gibt einzelne Kommunen in Nordrhein-Westfalen, deren Hebesätze unter 280 % liegen. Um diese Kommunen zu zählen, braucht man nicht einmal eine ganze Hand; es reichen zwei Finger.
Das Geschäftsmodell dieser wenigen Kommunen ist, mit einem aggressiven Steuerwettbewerb insbesondere ihren Nachbargemeinden Unternehmen abzuwerben, die oftmals eben nur auf dem Papier ihren Unternehmenssitz verlagern. Genau dieses Verhalten gefährdet die kommunale Finanzautonomie. Deshalb haben wir im NRW-Koalitionsvertrag gemeinsam verabredet, das Agieren der Gewerbesteueroasen durch geeignete Maßnahmen einzuschränken. Wir werden an der Stelle auch tätig.
Der bestmögliche Schritt, um zu einem produktiven Standortwettbewerb zurückzukehren, führt über die Anhebung des bundesweit einheitlichen Mindesthebesatzes für die Gewerbesteuer. Ich teile nun wirklich nicht alles, was im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht, aber an der Stelle muss man anerkennen: Sie haben genau das vereinbart. Dieser Weg – das sage ich das als Grüner – ist ausdrücklich richtig, und wir unterstützen das auch.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Dann ist es natürlich auch sinnvoll, wenn die neue Bundesregierung das auch schnell in die Tat umsetzt. Dazu wollen wir mit dem Antrag anregen. Deshalb bitte ich um die Zustimmung zu dieser Initiative.
(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)