Simon Rock (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über ein Thema, mit dem wir uns in der Vergangenheit schon häufiger beschäftigt haben, zuletzt im Oktober 2024. Das ist gerade sieben Monate her.
Ich sage es ganz deutlich: In Sachen „Recyclingquote bei Anträgen“ – ausgerechnet im Haushalts- und Finanzbereich – ist die FDP wirklich vorbildlich unterwegs.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Nein!)
Im Kern reden wir darüber, welches Familienbild für Beamtinnen und Beamten angemessen ist. Ist es das Alleinverdienermodell wie zu Zeiten von Konrad Adenauer, wo der Mann noch einer bezahlten Beschäftigung nachging und für die Frau nur unbezahlte Care-Arbeit übrigblieb? Oder ist es das Doppelverdienermodell, bei dem beide arbeiten und sich auch die Hausarbeit aufteilen, bei dem beispielsweise der Mann vor der Arbeit die Kinder zur Kita oder in die Schule bringt, die Frau die Kinder nachher abholt, bei dem der Mann die Kinder ins Bett bringt und die Frau parallel die Küche aufräumt?
Mittlerweile stellen wir fest, dass 70% aller Ehen im 21. Jahrhundert in Form dieses Doppelverdienermodells geführt werden. Man kann eindeutig sagen: Dieses Doppelverdienermodell ist mittlerweile Standard in Deutschland geworden.
Da hat es eine gewisse Logik, diese Normalität auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen. Das sagen im Übrigen nicht nur wir, sondern auch 11 von 15 Bundesländern und der Bund. Wir in Nordrhein-Westfalen sind da in keiner Sonderrolle, sondern in guter Gesellschaft mit der großen Mehrheit der anderen Bundesländer sowie der Bundesregierung.
Herr Kollege Witzel, ich will Folgendes einmal sagen. In allen Bundesländern, in denen die FDP mitregiert – zugegebenermaßen sind es nicht mehr so viele, aber es sind immerhin zwei, nämlich Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz – gibt es dieses fiktive Partnereinkommen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Christian Lindner hat, als er noch Bundesfinanzminister war, einen Gesetzentwurf mitgetragen, mit dem dieses fiktive Partnereinkommen auf Bundesebene eingeführt werden sollte.
In Richtung der SPD: In den allermeisten Bundesländern, in denen die SPD mitregiert, gibt es dieses fiktive Partnereinkommen auch – im Übrigen in vielen Bundesländern in einer viel höheren Höhe als das, was wir in Nordrhein-Westfalen unterstellen. Wir unterstellen nämlich nur die Höhe eines Minijobs. Ich finde, es gehört zur Wahrheit dazu, das an der Stelle einmal zu erwähnen und zur Kenntnis zu nehmen.
(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE], Jan Matzoll [GRÜNE] und Matthias Kerkhoff [CDU])
Wir müssen auch sagen: In Nordrhein-Westfalen haben wir anders als andere Bundesländer, in denen die SPD mitregiert, auch die Möglichkeit, Antrag auf einen Ergänzungszuschlag zu stellen. Das heißt: Wenn die Besoldung im Einzelfall unter das verfassungsrechtliche Minimum fällt, weil der Ausnahmefall gegeben ist, dass das Doppelverdienermodell nicht gewählt wird und andere Rahmenbedingungen erfüllt sind, kann es auf Antrag noch einen Zuschlag geben. Das ist anders als in vielen anderen Bundesländern der Fall. Ich habe eben die Zahlen zitiert. Die Aufrufzahlen scheinen nicht sonderlich hoch zu sein. Deshalb, finde ich, muss man sich einfach mal die Fakten anschauen und ein bisschen mehr Sachlichkeit in die Debatte reinbringen.
Wenn Sie jetzt sagen, das sei von einem Verfassungsrichter als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft worden, der das im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes gemacht hat, der das schon immer auch aus politischen Gründen nicht befürwortet hat – ich kann das aus dessen Sichtweise auch verstehen; aber dessen Sichtweise muss ja nicht unbedingt die Sichtweise des Landesgesetzgebers sein –, muss man auch sagen, dass es einen anderen Verfassungsrichter gibt, der sich ausweislich der Sachverständigenanhörung sehr ausdrücklich politisch und auch rechtlich dafür ausgesprochen hat. Am Ende ist es, wie es immer oder häufig ist: zwei Verfassungsrichter, mindestens zwei Meinungen. Glauben Sie mir, dass ich an der Stelle weiß, wovon ich spreche. Ich finde, das sind Sachen, über die man sich im Verfahren, in weiteren Ausschussberatungen sehr intensiv austauschen kann. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Es ist Ihrer Aufmerksamkeit sicherlich nicht entgangen, dass eine Kurzintervention angemeldet ist, und zwar von dem Abgeordneten Witzel, der nun Gelegenheit zu seiner Kurzintervention hat. Bitte schön.
(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Ich wusste es!)
Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Rock, weil Sie mich eben so freundlich gefragt hatten, möchte ich Sie jetzt nicht in die Schwierigkeit bringen, nähere Ausführungen zu der Frage, wie man vor Verfassungsgerichten gewinnt und verliert, zu machen.
Ich würde Sie aber schon bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie damit argumentiert haben, dass die gesellschaftliche Realität heute eine andere ist als vor ein paar Jahrzehnten – dem widerspreche ich nicht –, aber ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen, dass es hier doch nicht um gesellschaftliche Realität geht. Es war doch nicht der gesellschaftspolitische Antrieb der Landesregierung, hier etwas ändern zu wollen.
Es stecken doch handfeste finanzielle Interessen dahinter. Und wir haben den Finanzminister gefragt: Wie viel spart er denn dadurch, dass er es so macht? – Da haben wir die Antwort bekommen: Das ist im Ministerium gar nicht erst berechnet worden. – Diese Zahl gibt es also für uns gar nicht. Trotzdem ist doch der Kausalzusammenhang hier völlig klar.
Deshalb würde ich Sie bitten, das einmal einzuordnen. Professor Di Fabio halten wir für eine absolute Koryphäe im Verfassungsrecht. Er ist ein sehr unabhängiger, streitbarer Kopf. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam …
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege, Ihre Minute ist um.
Ralf Witzel (FDP): …einig sein, dass das kein Gefälligkeitsgutachten gewesen ist.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Sie sehen, dass auch meine Uhr immer weiterläuft. – Herr Kollege Rock, Sie haben jetzt die Möglichkeit zur Erwiderung. Bitte schön.
Simon Rock (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Erstens. Wer bin ich, die Expertise von Herrn Professor Di Fabio grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, genauso wie Sie sicherlich auf der anderen Seite die Expertise von Herrn Professor Huber nicht in Zweifel ziehen wollen. Das ist das, was ich zuletzt damit angesprochen habe.
Abgesehen von der Frage der Motivation der Änderung der entsprechenden Regelungen will ich doch noch zum einen auf den Gesetzentwurf der Landesregierung und zum anderen auf das Gesetzgebungsverfahren und die Debatten verweisen, wo wir sehr eindeutig die Positionierung und die Argumentation, die ich gerade angeführt habe, auch im Verfahren sehr deutlich gemacht haben. Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, dass Beamtinnen und Beamte nicht frei sind von allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen und selbstverständlich auch mit diesen gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich über Jahrzehnte entwickeln, Schritt gehen werden. Vor dem Hintergrund ist die Motivation dafür da, dass das Rollenmodell bzw. das Besoldungsmodell …
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege, auch Ihre eine Minute ist um.
Simon Rock (GRÜNE): … durchaus nachvollziehbar ist. – Vielen Dank, und Entschuldigung, dass ich überzogen habe.