Sigrid Beer: „Wir müssen in der OGS jetzt handeln, und nicht erst in den kommenden Jahren.“

Gesetzentwurf der Landesregierung: Landeshaushalt 2018 - Einzelplan Schule und Bildung

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Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Enkel kommen zu Weihnachten nach Hause, und ich werde ihnen vielleicht auch von Wiki dem Wikinger erzählen. Da geht die Geschichte aber ein wenig anders. Ich weiß auch nicht, ob Ihr Zitat wirklich ein Wikingerzitat war, aber auf jeden Fall sind mir die Segel noch zu klein, Herr Rock, mit denen die Koalition unterwegs ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Man muss über einen längeren Zeitraum denken –der Kollege Ott hat vorhin darauf hingewiesen. Da gab es den Aufwuchs von über 4Milliarden € in sieben Jahren. Wenn jetzt die 229 Millionen € hinzukommen, begrüßen wir das absolut, Frau Ministerin –ich habe ja gesagt, wir machen eine konstruktive Oppositionspolitik –; das tragen wir mit, das ist keine Frage. Ich denke aber, dass man noch eine Schippe drauflegen muss, damit man weiter in Bildung investieren kann.
Neben dem Aufwuchs, den Sie uns vorgelegt haben, wollen wir uns doch mal anschauen, welche weiteren Verschiebungenim Schulsystem noch angelegt werden. Dabei werden meh-rere unterschiedliche Dinge nebeneinander auf den Weg gebracht. Wir unterstützen natürlich, dass die Konrektoren jetzt nachbezogen werden; wir unterstützen den Stellenaufwuchs ins-gesamt.
Leider haben Sie aber noch nicht den ersten Schritt zur Besoldung in Richtung A13 getan. Herr Löttgen hat in der Podiumsdiskussion beim VBE zugesichert, dass dies passieren soll. Ich warte daher auf die erste Festlegung im Haushalt 2019. Wir werden dann schauen, ob das wirklich umgesetzt wird. Allerdings hätte man bereits jetzt den ersten Schritt dafür gehen müssen.
Ich möchte gleich noch etwas zum Bereich OGS sagen – Herr Rock hat darauf hingewiesen, welche Notwendigkeiten dort bestehen –, komme aber erst noch einmal auf die Verschiebun-gen im Schulsystem zu sprechen.
Inklusion im umfassenden Sinn bezieht nicht nur das Zusammenleben mit Menschen mit Be-hinderungen ein – ich denke, da sind wir uns einig –, sondern Menschen in ihrer Unterschied-lichkeit, in ihrer Verschiedenheit insgesamt –egal ob sich das über eine Behinderung aus-prägt oder über Herkunft, Zuwanderung oder soziale Lage. Inklusion ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft, keine Aufgabe für einzelne Schulformen. Ich finde es deswegen bedenklich, dass sich die Gymnasien aus der zieldifferenten Inklusion verabschieden sollen. Das kann nicht sein.
Entscheidend ist auch, wie die Beschulung von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte gesteuert wird. Die Gymnasien sollten sich von dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe ebenfalls nicht einfach verabschieden dürfen. Darauf werden wir sehr genau achten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es ist in der Tat richtig, wenn kritisch darauf geschaut wird, wie der Ressourceneinsatz in der Inklusion gut gelingen kann. Allerdings muss dann aber auch darüber gesprochen werden, warum schon jetzt Verfügungen durch die Bezirksregierungen ausgebracht werden, wonach vor allem integrierte Schulformen angewiesen werden, mehr Kinder in die Lerngruppen aufzunehmen, obwohl die Ministerinuns im Ausschuss erklärt hat, dass dazu erst im Januar Konferenzen stattfinden sollten. Ich finde, hier stimmt die Schrittigkeit nicht überein.
Die Schulen wissen auch nicht, welche konkrete Unterstützung sie zu erwarten haben. Wie ist das mit der Definition der Lerngruppen im gemeinsamen Lernen? – All das liegt noch im Nebel. Das ist nicht gut, und wir werden sehr darauf achten, dass die Herausforderungen im Schulsystem breit angelegt werden.
Aber jetzt noch zum Thema „OGS“. Frau Ministerin, Sie haben Flexibilisierung angekündigt. Ich bin dabei, wenn es beim Herausnehmen des Kindes um den 90. Geburtstag der Oma oder um das Anpassen der Zahnspange beim Kieferorthopäden geht; das ist die eine Sache. Aber wir müssen wirklich aufpassen, dass wir dieses Kunden-, Dienstleistungs-und Service-verständnis und diese Mentalität nicht befördern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das haben wir leider schon zur Genüge durch das Buchungssystem in der Kita: Ich buche 25 Stunden für mein Kind. –Ich möchte nicht, dass Eltern sagen können: Ich buche für mein Kind einen Tag oder zwei. –Das dürfen wir den Schulen nicht antun.
Es geht um eine gemeinsame Bildungsverantwortung, um die Bildungspartnerschaft von El-ternhaus und Schule. Wie soll in einem Flickenteppich-OGS eigentlich noch die über den Tag verteilte Rhythmisierung stattfinden? Das ist doch mit all den Lerngruppen gar nicht mehr möglich.
Wie soll denn der soziale Zusammenhalt in der Ganztagsschule gestärkt werden, wenn man je nach Wochenlage sagen kann –das habe ich in einem WDR-Interview gehört –: „Heute bin ich im Homeoffice; da möchte ich mein Kind gerne aus der Schule holen können“? Wir müssen uns sehr intensiv darüber verständigen, ob das eine gute Beziehung zur Schule und zur Ganztagsschule sein kann.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben angekündigt, dass Sie Standards setzen wollen. Wir sind der Meinung: Damit soll-ten wir jetzt auch anfangen; es ist noch Luft nach oben. Statt der Dynamisierung sollten wir lieber in einem ersten Schritt pro OGS-Gruppe eine halbe Erzieherinnenstelle zur Verfügung stellen. Dann sollten wir ein Programm auflegen, um Berufseinsteigerinnen und Berufsrück-kehrerinnen zu qualifizieren, damit die Beschäftigungsverhältnisse in der OGS qualitativ weiterentwickelt werden.
Das halte ich für besser, als den Satz in der Dynamisierung zu erhöhen. So können wir die Qualität weit übers Land sichern; denn die Kommunen haben eine unterschiedliche finanzielle Ausstattung; das wissen wir. Manches Mal kommt diese Dynamisierung gar nicht in der OGS-Gruppe und beim einzelnen Kind an.
Deswegen werden wir dazu einen Antrag vorlegen. Die gut 100 Millionen € wären gut angelegt. Wir müssen in der OGS jetzt handeln, und nicht erst in den kommenden Jahren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)