Sigrid Beer: „Weitere Bremsmanöver werden Ihnen die Schulen nicht verzeihen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag für einen Digitalpakt mit dem Bund

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da gab es noch einmal einen richtigen Knüller, mit dem die Fraktionen von CDU und FDP in den letzten Haushaltsinitiativen aufgewartet haben.
Wussten Sie eigentlich: Demnächst fahren in den Regierungsbezirken Sattelschlepper mit Containern durch die Gegend, um für digitale Medien in den Schulen zu werben. Ja, so gefallen Sie sich: als Weihnachtsmann wie mit der koffeinhaltigen Brause im Leuchttrakt durch das Land zu ziehen, und am Straßenrand strahlen dann die Kinderaugen, weil Sie so tolle Sachen dabei haben.
Es gibt aber die garstige Realität: keine digitale Ausstattung in den Schulen vor Ort, keine Geräte für die Lehrkräfte, kein Support. Sie können weiter arbeiten, weil im Augenblick gebremst wird – auch von dieser Landesregierung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Mann mit dem Sattelschlepper – Herr Ministerpräsident, da sind Sie mit dabei – hat für die schnelle Bereitstellung der Mittel für den Digitalpakt soeben den Stecker gezogen. Die Schulen fühlen sich auf den Arm genommen. Sie wollen das Geld für die Ausstattung. Sie wollen, dass das Geld endlich ankommt. Seit zwei Jahren wird über diesen Digitalpakt diskutiert – und nichts tut sich.
Der Vorgang ist auch aus anderer Sicht sehr bemerkenswert. Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie, mir das zu erklären: Hat der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag – das soll ein Herr Brinkhaus aus OWL sein – Ihre Telefonnummer eigentlich nicht? Wenn es daran scheitern sollte: Ich habe mit meiner Kollegin Wibke Brems aus Gütersloh gesprochen. Sie wäre bereit, ihm die Telefonnummer zu überlassen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dann wäre vielleicht sichergestellt gewesen, dass Herr Brinkhaus vorher mit Ihnen darüber gesprochen hätte, dass er es war, der genau auf den letzten Metern in die Vereinbarung die Kofinanzierung für die anderen Bereiche hineingeschrieben hat.
Ich habe sonst keine Erklärung.
 (Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
– Herr Ministerpräsident, aber Sie waren offensichtlich nicht darüber informiert! Auf dem letzten Meter fangen Sie an, das Ganze auszubremsen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Welche Rolle hat denn der Ministerpräsident, der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende in dieser Verhandlungsgeschichte?
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU)
Eine Nullnummer? Hat er vorher nichts davon gehört? Hat er nicht mit am Verhandlungstisch gesessen?
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU] – Weitere Zurufe von der CDU) Das ist doch das, was uns hier interessiert.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Sie bekommen es also im Vorfeld entweder nicht mit (Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
oder Sie bekommen es nicht gebacken. Das ist der Punkt.
Herr Ministerpräsident, es geht nicht darum, dass die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern nicht vernünftig und sachgerecht gestrickt sein müssten. Das ist richtig. Die Regelungen müssen mehr taugen, als für Technik da zu sein. Es geht um Sozialarbeit, um Inklusion, um den Ganztagsausbau.
Mir soll das mal einer verdeutlichen. Vor 2006 hat das doch auch funktioniert: 914 Millionen für die offene Ganztagsschule durch das damalige rot-grüne Bundesprogramm. Da hat keiner dem Land reingeredet. Warum soll das jetzt nicht möglich sein?
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Aber Sie haben mit einem ganz anderen Manöver begonnen, bei dem es gar nicht um diese Fragen der Kofinanzierung ging. Da haben Sie den diffamierenden Einheitsschulbegriff mal wieder aus der Mottenkiste gezogen.
(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]:So ist es!)
Und der Witz ist ja, dass Sie damit ausgerechnet der Bundesbildungsministerin, die gerüchteweise auch der CDU angehören soll, unterstellen, die kommunistische Palastrevolution durch die Hintertür im Digitalgepäck durchdrücken zu wollen. Ich hatte immer gedacht: Was ist das für eine harmlose, nette Frau aus dem Münsterland. – Aber das scheint ja offensichtlich nicht der Fall zu sein. Es ist ja richtig gefährlich, mit was für ideologischen Speerspitzen die unterwegs ist.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber offensichtlich hat ja auch Frau Karliczek Ihre Telefonnummer nicht oder Sie nicht die Telefonnummer von Frau Karliczek. – Tauschen Sie gerade die Telefonnummern untereinan- der aus,
(Vereinzelt Heiterkeit)
damit wenigstens die Kommunikation im Kabinett sichergestellt ist? (Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Im Augenblick scheint es wirklich an allen Ecken und Enden zu brennen.
Also: Warum hat Frau Karliczek Sie nicht darüber informiert, dass es ihr wichtig war, Art. 104c GG so zu ändern, wie er jetzt geändert worden ist? Irgendwie sind Sie doch außerhalb der zentralen politischen Prozesse. Aber jetzt sind Sie die Bremstonne hinter allem.
(Vereinzelt Heiterkeit von der SPD)
Das kann nun wirklich nicht im Sinne von Schulen in Nordrhein-Westfalen sein.
Herr Ministerpräsident, ich verrate Ihnen mal etwas. Die Schulträger haben sich sehr wohl überlegt, in welchem Umfang sie die Mittel aus dem rot-grünen Programm „Gute Schule 2020“ für Digitalisierung einsetzen oder lieber doch in die Schulsanierung stecken, weil endlich das Versprechen umgesetzt werden muss und die Summe von über einer Milliarde Euro aus den Bundesmitteln hier in Nordrhein-Westfalen auch ankommen muss.
Ein Zitat vom VBE formuliert das richtig:
„Seit Jahren warten wir auf die nötige Modernisierung. Jetzt waren die Mittel dafür zum Greifen nah, doch der Digitalpakt scheiterte vorerst und wird zum Spielball der Politik.“
Präsident André Kuper: Frau Kollegin Beer, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Wollen Sie die zulassen?
Sigrid Beer (GRÜNE): Aber herzlich gerne. Wer ist es denn?
Präsident André Kuper: Kollege Sträßer. (Heiterkeit)
Martin Sträßer (CDU): Vielen Dank, liebe Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Meine Frage ist: Haben Sie vielleicht auch die Telefonnummer von Winfried Kretschmann, dem Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg?
(Beifall von der CDU und der FDP)
Ich würde Ihnen empfehlen, dann mal bei ihm anzurufen und sich erklären zu lassen, was Bildungsförderalismus für Baden-Württemberg und auch für uns bedeutet.
(Beifall von der CDU und der FDP)
Sigrid Beer (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege Sträßer. – Ja, die Nummer könnte ich auch noch weitergeben. Das ist überhaupt kein Problem.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir sind schon sehr lange mit dem Kollegen Kretschmann im Gespräch – auch in damaligen Kamingesprächen, weil es schon lange um die Grundgesetzänderung geht. Wir haben da immer eine dezidiert andere Position bezogen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Dialogbereitschaft!)
Dabei will ich nichts dagegen sagen, dass wir über die Kostenteilung miteinander reden müssen – aber bitte nicht auf dem letzten Meter.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wo war der stellvertretende Bundesvorsitzende, wo war der Ministerpräsident dieses Landes denn eigentlich die ganze Zeit? Ich hoffe nicht, die Personalfrage um die Wiederbesetzung des Bundesvorsitzes hat alles so weit belegt, dass überhaupt kein anderer Blick mehr möglich war.
Also: Kontakte müssten dringend geschlossen werden. Es ist doch wichtig, Herr Kollege Sträßer, wenn schon so viele bedeutsame Posten mit CDU-Politikern und -politikerinnen besetzt sind, dass die wenigstens miteinander über eine so bedeutsame Frage reden, damit wir diese Probleme für die Schulen erst gar nicht produzieren.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wenn also der MP das Beste für das Land will – Kollege Rasche hat gestern auch gesagt, eigentlich sei das alles richtig, was er macht –, dann stand die Schulministerin ein bisschen allein im Gelände, was die KMK angeht – auch mit ihrer Enthaltung. Wie geht es denn nun?
(Zuruf von der FDP: Nicht zugehört!)
Sie haben eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Das werden wir Ihnen gleich in einer Entschließung vorlegen. Und wir wollen, dass Sie Farbe bekennen, damit es für die Schulen bald weitergeht.
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
–  Ja, es kommt. Wann kommt es denn? Kommen Sie bitte hierhin und sagen den Schulen: Ohne Verzögerung wird dieses Geld kommen. Es kommt für den Digitalpakt. – Trennen Sie es ab! Aber sehen Sie zu, dass das Geld in den nächsten zwei Monaten in den Schulen ist!
(Ministerpräsident Armin Laschet: Ja!)
–  Der Ministerpräsident sagt Ja. Ich bitte ihn ans Redepult, damit er das bekräftigt und uns erklärt, wie es denn jetzt geht. Dann können Sie von hier aus die Kommunikation mit Ihren Parteifreundinnen und Parteifreunden betreiben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Denn – das hat auch das wissenschaftliche Gutachten noch mal gezeigt, was ich in Auftrag gegeben habe – Standards, auch für die Ausstattung, müssen durch das Land gesetzt werden. Die Verhandlungen mit den Kommunen müssen gelingen. Sonst haben auch die Lehrkräfte das Recht, individuell die Fürsorge des Dienstherrn einzuklagen – auch die Ausstattung mit digitalen Endgeräten.
Auch darüber werden wir uns hier im Landtag noch miteinander zu unterhalten haben. Weitere Bremsmanöver werden Ihnen die Schulen nicht verzeihen – weder vor noch nach Weihnachten. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU]) 

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