Sigrid Beer: „Versprochen und verschoben“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Zukunftsplan Grundschule

Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Grundschule.
(Unruhe)
Das scheint aber nicht so im Fokus der Diskussion zu stehen; das ist wieder einmal symptomatisch. Damit sind nicht die Kolleginnen und Kollegen gemeint, die hier sitzen geblieben sind, weil sie das Thema interessiert, sondern es sind diejenigen gemeint, die rausgehen.
Das ist aber genau der Punkt: Wir erleben es immer wieder, dass die Grundschule hinten ansteht und nicht im Zentrum der Überlegungen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dabei wird aber gerade in der Grundschule die Basis für die Bildung gelegt. Natürlich kommt davor die Elementarbildung, aber wenn wir über schulische Bildung reden, dann ist die Wertschätzung der Arbeit
(Zuruf von der FDP)
in der Grundschule wirklich ein Faktor, der nach vorne geholt werden muss. (Zurufe)
Sie, Frau Ministerin, und die regierungstragenden Fraktionen haben den Schulen den Masterplan „Grundschule“ versprochen. Jetzt hören wir immer wieder: Na ja, wann kommt der denn endlich? – Er sollte im letzten Dezember kommen. Dann sollte er Anfang dieses Jahres kommen. Jetzt stehen wir vor der verdienten Sommerpause, und er ist immer noch nicht da. Die Grundschulen vermerken schmerzlich: Da wurde etwas versprochen, was immer wieder verschoben wird.
Dabei stehen die drängenden Fragen im Hinblick auf die Grundschule auf der Agenda, und wir müssen uns darum kümmern. Deswegen haben wir diesen Antrag vorgelegt, um das aus unserer Sicht zusammenzufassen.
Es kann nicht sein, dass die Grundschulen immer wieder mit Häppchenpolitik abgespeist werden. Im Augenblick ist das aber so: ein paar Worte hier und da, und dann eine Ankündigung: Vielleicht wird es jetzt was mit Englisch ab Klasse 3. – Die fachwissenschaftlichen und die sprachwissenschaftlichen Expertinnen haben in der Anhörung zwar etwas ganz anderes gesagt, aber das scheint nicht so sehr zu interessieren. Das ist aber auch noch nicht offiziell, sondern es wabert ein bisschen durch die Landschaft: Man hat gehört …
Frau Kollegin Müller-Rech, ein Anliegen, das wir eigentlich teilen, ist das Fach Philosophie in der Grundschule. Unseren Antrag dazu haben Sie abgelehnt, weil Sie gesagt haben: Das kommt ja im Masterplan Grundschule. – Nichts ist mit Masterplan. Die Schulen warten auf die Einführung dieses Faches; ein Curriculum liegt längst vor. Also auch da: Versprochen und verschoben.
Auch folgenden Punkt kann ich Ihnen leider nicht ersparen: Natürlich hängen Attraktivität und Wertschätzung am Dienstort „Grundschule“ – wir sind auf diese Lehrkräfte dringend angewiesen – damit zusammen, wie es mit der Besoldung weitergeht. Auch da: keine Antwort, warme Absichtserklärungen, immer wieder häppchenweise und dann immer wieder zurückgeholt von den „Finanzern“.
Was wir in der Debatte über unseren letzten Antrag dazu erlebt haben, war auch wieder entlarvend und ein Offenbarungseid. Auch da drängen die Grundschullehrkräfte und die Verbände zu Recht – zuletzt mit 36.000 Unterschriften und der Petitionsübergabe – endlich auf eine Lösung.
Jetzt ist der Punkt erreicht: Wir haben begonnen, die ersten Kolleginnen und Kollegen für die Grundschule zu begeistern, und richtigerweise – danke, Frau Ministerin – wurde das Vorhaben verstärkt, Kolleginnen aus dem Lehramt Sek II für die Grundschule zu gewinnen. Jetzt kommen wir aber ans Ende dieser Zweijahresfrist, und die Grundschullehrkräfte sagen uns: Genau das ist es; ich bin gekommen, um zu gehen. – Das war die Botschaft.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Diese Lehrkräfte haben sich engagiert und eingearbeitet. Die Chance, dass diese Kolleginnen und Kollegen, die sich durchaus für die Grundschularbeit begeistern können, bleiben, hat etwas mit den materiellen Bedingungen zu tun, die dort geboten werden. Diese sind jedoch strukturell nicht verändert worden. So kann es nicht weitergehen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Bedenken Sie, was man vielleicht gemeinsam – ich appelliere da an die Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen – machen könnte: Mit einer Regelung im LABG, im Lehrerausbildungsgesetz, könnte man dahin kommen, dass eine halbjährige Tätigkeit an der Grundschule eine Anerkennung für die Lehramtsbefähigung bedeuten würde, auch dann, wenn man aus einem anderen Lehramt kommt.
Das würde bedeuten, dass diese Kolleginnen und Kollegen nicht in der Entgeltgruppe steckenbleiben, sondern dass sie sich auch dort schon verbeamten lassen können. Dann muss aber auch der Schritt nach A13 dort erfolgen. Selbst solche kleinen Schritte haben Sie nicht unternommen. Wir sollten sie aber gemeinsam unternehmen und sie sehr schnell in einem Verfahren angehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ganz absurd wird es, wenn man sich den Eckdatenerlass ansieht. Frau Ministerin, können Sie uns jetzt gleich – mir persönlich, den Kolleginnen aus OWL – erklären, warum dort keine Grundschulbesetzungen mehr möglich sind? Es ist keine Stellenzuweisung erfolgt.
Es ist ja eine Variante, zu sagen: Wir haben Stellen und kein Personal, um diese zu besetzen. Aber dass den Bezirksregierungen nicht die notwendige Zahl an Stellen zugewiesen wird, damit weiter besetzt werden kann, ist eine neue Variante.
Ich verstehe auch nicht, warum gerade in den Kommunen und Regionen, in denen die Stellenbesetzung schwierig ist, die Grundschulseminare nicht zusätzlich Leute aufnehmen können. Vielmehr bleibt es bei dem alten Rhythmus, dass zum Beispiel in Duisburg anderthalb Jahre lang nicht vor Ort ausgebildet wird. Das wäre ja eine Chance für die Grundschulen, die Lehramtsanwärterinnen dort zu halten, weil sie die Schulen kennenlernen, weil sie die Arbeit dort lieben lernen und weil sie in diesen Teams zusammenarbeiten wollen. Das passiert aber nicht. Ich halte das für eine eklatante Fehlsteuerung, und ich weiß gar nicht, ob Ihnen das bewusst ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dazu gehört natürlich auch, dass jetzt die Entlastungen greifen müssen. Es geht vor allem um die Entlastungen der Schulleitungen. Auch Grundschulen brauchen Schulverwaltungsassistenz, an kleinen Standorten gemeinsam mit einem anderen Standort. Wir brauchen die Kapazitäten für die Vernetzung im Quartier für den Anschluss an Familienzentren. Sie brauchen Teamzeiten für das Managen der OGS, für das Managen der Multiprofessionalität. All das wird nicht vorgesehen, und all das wollen wir mit Ihnen auf der Grundlage unseres Antrages diskutieren.
Was wir natürlich auch brauchen, ist pädagogische Freiheit im Hinblick auf die Ziffernnotenfreiheit und den jahrgangsübergreifenden Unterricht. Das gilt gerade für die Grundschule; denn die Kinder, die in die Grundschule kommen, sind sehr verschieden. Einige sind alphabetisiert, können lesen und schreiben, und andere haben die Buchstaben noch nicht für sich erschlossen. Genau da ist es wichtig, altersgemischt und jahrgangsübergreifend arbeiten zu können, genauso wie in der Inklusion. Wo bleibt also die Grundlage für eine neue Pädagogik der Vielfalt und der Unterstützung dieser Arbeit?
Stichwort: Informatische Bildung. Dieses Thema hatten wir gestern in der Sondersitzung des Schulausschusses. Warum wird der Antrag, das Modellprojekt Informatische Bildung in der Grundschule in die Fläche zu bringen, eigentlich nicht angenommen?
(Jochen Ott [SPD]: Gute Frage, sehr gute Frage!)
Warum wird das nicht in einen Zukunftsplan eingepflegt? Auch das hätte schon längst passieren müssen.
Frau Ministerin, das sind viele Fragen, die eigentlich Sie beantworten müssten. Wir schaffen hier eine Grundlage, auf der man inhaltlich diskutieren muss. Wir wollen dieses Thema voranbringen. Die Grundschulen im Land haben es verdient. Sie warten dringend auf diese Antworten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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