Sigrid Beer: „Schulen sollen in den Wettbewerb um die besten Ideen und Profile treten“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Schulrechtsänderungsgesetz - erste Lesung

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kriege direkt zu Beginn einen Herzklabaster. Da spricht die Kollegin von „weltbester Bildung“ und dem NRW-Koalitionsvertrag. Wenn dies die Umsetzung ist, dann muss ich sagen: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zu dem, was auf dem Tisch liegt und was die Kollegin Schlottmann gesagt hat – ja, das ist wunderbar, ein gutes Schulgesetz muss Rahmen setzen –, muss ich aber ergänzend sagen: Dann muss es auch für gleiche Bedingungen im Schulsystem sorgen.

Schulen sollen in den Wettbewerb um die besten Ideen und Profile treten. Wenn man aber kein Personal hat, wenn die Ausstattung mangelt, dann sind das keine guten Startbedingungen für diesen Wettbewerb, den Sie hier gerade ausgerufen haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will aber mit zwei Dingen beginnen und unterstreichen, dass ich die in aller Ernsthaftigkeit positiv finde.

Zum einen ist es gut, dass das Thema „Kinderschutzkonzept“ verankert wird und dies dann auch mit den Partnern in der Schule geschieht, die schon da sind, mit der Jugendhilfe im offenen Ganztag. Damit werden endlich auch in diesem Bereich konsistente Konzepte für den Kinderschutz in der Schule erarbeitet und haben dort Bestand.

Das Zweite ist, dass für die Primusschulen zumindest eine dreijährige Erweiterung geschaffen worden ist. Dies ist noch nicht das, was eigentlich notwendig wäre, nämlich sie eigentlich in den Regelbetrieb zu führen, aber immerhin. – Punkt. Nun komme ich aber zu den anderen Dingen.

Was hier hochgelobt worden ist, nämlich dass die Schulkonferenz demnächst über die Frage von Lehr- und Lernsystem sowie Arbeits- und Kommunikationsplattform befinden kann, hat einen kleinen Haken. Dieser steht auch in der Formulierung. Man höre: Die Schulkonferenz entscheidet über die Nutzung der vom Schulträger bereitgestellten Lehr- und Lernplattform.

Das Land erklärt sich also weiterhin für die Standards nicht zuständig, die dann vorgehalten werden sollen. Diese sind in dem Paket nicht drin, das hier vorgelegt wird. Ebenso wird – vollkommen unverständlich – nicht dafür gesorgt, dass digitale Lernmittel auch zur Lernmittelfreiheit gehören. Das ist doch nicht zeitgemäß.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Wenn dies die letzte große Vorlage dieser Landesregierung ist,

(Jochen Ott [SPD]: Traurig!)

dann zeigt das, dass sie nicht umfänglich nachgedacht hat. Also, noch mal: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. – Und diese ist ziemlich mickrig geworden.

Auch Fortbildungsmittel werden von der Ministerin in den Topf getan. Das ist gut, aber Sie wissen nicht mal, ob die Fortbildungsmittel tatsächlich schon verausgabt worden sind und wohin sie – auch im Bereich der Digitalisierung – fließen werden. Das wissen wir doch bezüglich der Fragen, die wir bereits im Haushaltsverfahren gestellt haben.

Da ist also viel Nebel. Es wird aber versucht, einen Strauß aufzumachen. Wenn man jedoch ein bisschen in das Soufflee reinpikst, sieht man, dass leider nicht viel Substanz da ist.

Auch die Eltern werden bitter enttäuscht sein. Sie bekommen schließlich keinen regulären Sitz in den kommunalen Gremien.

(Jochen Ott [SPD]: Genau so ist das!)

Es wird nur weiterhin als Möglichkeit und als Option eingeführt, und dies ist nicht viel mehr, als es vorher schon war. Das muss man sehr deutlich sagen.

Was ist mit den pädagogischen Freiheiten? – Ich glaube, da werden wir mal die Nagelprobe machen müssen. Was ist denn nun mit den Schulen, die sich in dem reformpädagogischen Netzwerk „Schule im Aufbruch“ auf den Weg gemacht haben, zum Beispiel die Gesamtschule in Aachen? Wird ihr jetzt weiterhin untersagt, das Projekt „Herausforderung“ in der Art und Weise durchzuführen, wie es wirklich notwendig ist, oder gibt es dann weiterhin den Ukas aus dem Ministerium, der genau dies untersagt?

Wie wird es mit Profilbildungen aussehen, wenn es den Schulen wichtig erscheint, ihrer Schülerschaft Leistungsrückmeldung über Kompetenzraster zu geben und nicht über Ziffernnoten? Ist dann die pädagogische Freiheit wirklich da? Kommt dann die Entfesselung, die Frau Schlottmann uns versprochen hat? – Ich habe die Befürchtung, dass dies nicht eingelöst wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Hinsichtlich der Kommunikationsfähigkeit und der Frage, wie man Dinge vorbereitet, ist auch bereits etwas deutlich geworden: Die Schulen wehren sich mit Händen und Füße dagegen, die Schulen für Kranke – und wir diskutieren seit langem über den Namen, und das Bedürfnis ist da, dass er geändert wird – zurückzuführen auf den Begriff „Klinikschulen“. – Dies macht nämlich nicht deutlich, dass es nicht aus dem Kreis der Schulen für Kranke kommt.

(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Das ist doch gar nicht wahr!)

Frau Ministerin, erzählen Sie das doch nicht, machen sie das niemanden weiß. Das werden Sie in der Anhörung zu hören bekommen. „Klinikschulen“ ist eine vollkommene Beschneidung der Kompetenzen, die diese Schulen haben, denn sie sind eigentlich Kompetenzzentren für Kinder mit Erkrankungen. Diese Bezeichnung streben sie für sich an.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Sigrid Beer (GRÜNE): Wir werden in der Tat über diesen Schulgesetzentwurf viel diskutieren müssen. Da muss sich noch einiges tun, damit das, was Angekündigt worden ist, auch nur im Ansatz wirklich zur Umsetzung kommen kann. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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