Sigrid Beer: „Ich bitte, diese Herausforderungen jetzt gemeinsam anzunehmen und nicht die Augen zu verschließen“

Große Anfrage der Fraktionen von SPD und GRÜNEN im Landtag zur Weiterentwicklung von Berufskollegs

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön. – Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich an erster Stelle beim Schulministerium für die Zusammenstellung dieses umfänglichen Datenmaterials bedanken. Es hat länger gedauert. und Sie haben um Verlängerung gebeten, und das war bei uns dann mit einer gehörigen Erwartung verbunden.
Frau Ministerin, Sie haben heute früh in der Debatte gesagt: Wir wollen wissen, was wir haben; wir wollen wissen, was wir brauchen. – Man muss nach Durchsicht des Datenmaterials jedoch sagen, dass es im Bereich des Berufskollegs einige Dunkelfelder gibt.
Die Fragen, welcher Unterricht tatsächlich nach Stundentafel erteilt wird, wie es mit der Stellenbesetzung aussieht, wie das Stellenmanagement in den einzelnen Schulen geregelt wird – all das sind große Leerstellen, die wir durch diese Große Anfrage nicht beantwortet bekommen haben, weil uns das Ministerium mitgeteilt hat, dass es dazu überhaupt keine Daten hat; also keine Unterrichtsausfallstatistik, nichts an anderen Stellen.
Deswegen sage ich: Wir wollen wissen, was wir haben; wir wollen wissen, was wir brauchen. Wann bekommen wir das in Bezug auf die Berufskollegs?
(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Das heißt, wir werden über die Ausgangslage dieses Berichts noch weiter miteinander zu diskutieren haben.
Die Diskussion muss ja auch weitergehen. Sie muss über das hinausgehen, was die Landesregierung zur Agenda zur Stärkung der Beruflichen Bildung vorgelegt hat. Diese ist bislang ja auch nicht substanziell weiterentwickelt worden. Dabei liegen auf der Grundlage der Daten die Aufgaben hier auf dem Tisch.
Wir würden gerne mit Ihnen im Sinne der Umsetzung gelingender beruflicher Bildung und der Stärkung der Berufskollegs zusammenwirken.
Ich frage mich allerdings, was derzeit im Land passiert. Wir brauchen, gerade im ländlich strukturierten Raum, eine Sicherung der Fachklassen. Wie Sie auch nachlesen können, werden dort aber derzeit Fachklassen dichtgemacht. Auch die Kollegen der anderen Fraktionen dürften zum Beispiel den Brief der Kreishandwerkerschaft Höxter-Warburg erhalten haben, in dem es um die Bäcker, um die Friseure, um die Fleischer geht. Dort sollen die Fachklassen geschlossen werden bzw. sind schon gestrichen. Das, was dort an Struktur verloren geht, kann nicht wieder aufgebaut werden.
Der angrenzende und mit Niedersachsen übergreifende Wirtschaftsraum zieht Auszubildende dann in andere Regionen. Das können wir uns nicht leisten. Ich verstehe nicht, warum denn nicht ein Moratorium gesetzt wird, dass im Augenblick keine Fachklassen geschlossen werden – schon einmal gar nicht in der Coronasituation. Das erbitte ich mir vom Ministerium. Ich fordere ein, dass wir dieses Moratorium endlich bekommen und dass die Dinge auch für die Regionen, in denen Fachklassen jetzt infrage gestellt werden, zurückgenommen werden. Das ist ganz, ganz dringend.
Dann haben Berufskollegs darauf gehofft, dass sie gemeinsam mit den Kreisen als ihren Schulträgern als Regionales Bildungszentrum antreten können. Auch da sind Erwartungen bitter enttäuscht worden, weil sie wieder in ein Antragsverfahren zurückgeworfen wurden, das deutlich gemacht hat: So groß sind die Spielräume nicht, die wir euch einräumen wollen; so groß sind die Ressourcen nicht, die wir euch einräumen wollen.
Auch da kann ich nur für mehr Weite, mehr Größe und eine substanzielle Umsetzung plädieren. Wenn das Modellprojekt Regionale Bildungszentren tatsächlich funktionieren soll, muss jetzt „Butter bei die Fische“. Dann darf man das nicht vor die Wand fahren lassen. Die Schulen haben aber das Gefühl, dass im Augenblick genau das passiert.
Ich bitte, diese Herausforderungen jetzt gemeinsam anzunehmen und nicht die Augen zu verschließen.
Ich habe auch nicht verstanden, dass schlicht ausgeführt wird, um Fachlehrkräfte werbe man nicht mehr. Es werden keine Stellen ausgeschrieben. Dann muss man auch keine Zahlen mehr vorhalten. Man muss auch keine Weiterqualifizierung mehr anbieten, weil sich das Thema erübrigt. Dabei können wir Menschen aus diesen Bereichen dafür gewinnen, als Fachlehrkräfte anzufangen und sich weiterzuqualifizieren. Wie soll das denn gelingen, wenn wir da einfach sagen, Weiterqualifizierung lohne sich nicht mehr?
Bezüglich der Weiterentwicklung der Berufskollegs haben Sie einen Versuch gestartet. Dieser Versuch ist schon mit Schwierigkeiten in der Durchführung belastet. Wir können auch nicht warten, bis fünf Jahre vorbei sind, wenn der Versuch so holprig anläuft. Ich glaube, dass wir einen grundsätzlich neuen Ansatz brauchen. Wir stehen dafür bereit, ihn miteinander zu diskutieren – auch auf der Grundlage der Daten, die wir hier jetzt zusammengetragen haben. Und bei all den Fehlstellen und Dunkelfeldern, wo wir noch keine Daten haben, werden wir weiter nachfragen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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