Sigrid Beer: „Es kann doch nicht sein, dass das größte Sparschwein des Finanzministers im Büro der Schulministerin steht“

Antrag der SPD-Fraktion zum Thema Lehrkräftemangel

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja wirklich ein Gefühl wie nach einer Anhörung. Da wird auch manchmal Unterschiedliches herausgehört. Liebe Frau Kollegin Hannen, das scheint hier in der Frage, wer gemeinsam mit welchen Verbänden zusammensitzt, genauso zu sein.
Wenn Sie mit den Lehrerverbänden und den Gewerkschaften reden, dann sagen die immer: Ja, wir sind zusammengekommen. Aber rausgekommen ist dabei nichts und Verbindliches schon mal gar nicht. – Das ist leider die Realität, die wir hier erleben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Lieber Kollege Sträßer, ich glaube, wir sollten mal einen Kaffee trinken gehen; denn das ist ermüdend für das Publikum. Ich erzähle noch mal, was wir zur Wiederaufstockung der Zahl der Lehramtsanwärter, zur Schaffung von Studienplätzen, für die Sonderpädagogik, in der VOBASOF-Maßnahme, in der BK-Initiative und übrigens auch in der Sondervereinbarung 2015/16 mit den Hochschulen zur Aufstockung zum Beispiel der Masterplätze getan haben.
Die Hochschulvereinbarungen 2017/18 und 2018/19 stehen überhaupt noch nicht auf der Seite des Wissenschaftsministeriums. Die habe ich erst nachgefragt. Wollen wir mal gucken, was tatsächlich da ist.
Aber währenddessen rennt die Zeit für die Schulen. Die Situation vor Ort ist in der Tat brenzlig. In großer Ignoranz sind hier bisher alle Vorschläge vom Tisch gewischt worden, gemeinsam vorzugehen. Das haben Sie in Abstimmungen dann auch reflexhaft abgelehnt. Heute ist die Reaktion wieder genauso.
Wenn Sie die Anträge richtig durchschauen, dann werden Sie erkennen, dass wir Grüne zum Beispiel ganz bewusst schon vor einem Jahr über Stufenpläne miteinander diskutiert haben. Wir haben Ihnen einen solchen Weg verbunden mit der Aufforderung vorgeschlagen, das mit den Lehrerverbänden, mit den Gewerkschaften verbindlich abzusprechen. Entgegen jeder Annahme sind sowohl die Lehrerverbände als auch die Gewerkschaften nicht realitätsfern.
Die wissen sehr genau, was für eine Anstrengung das ist und dass man das schrittweise, aber mit konkreten Absprachen auf den Weg bringen muss.
Sie wissen auch, was wir hier politisch vorgelegt haben. Man braucht im Prinzip zwei Stufenpläne. Damit Herr Löttgen das hinterher im Protokoll nachlesen kann: Man braucht natürlich auch einen Stufenplan für die Besoldung; denn das ist ein relevanter Punkt.
Zu der Mär, die der Staatssekretär, die Ministerin und leider auch die Kolleginnen und Kollegen verbreiten, an den Grundschulen habe das alles gar nichts mit der grundsätzlichen Besoldungsfrage zu tun, sage ich: Sorry, das stimmt so einfach nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schauen wir uns mal die Situation der Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Sekundarstufe II an, die nach dem Motto „Ich bin gekommen, um zu gehen“
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Das stimmt doch nicht!)
erst an Grundschulen unterrichten und dann nach zwei Jahren den Anspruch haben, in einem Umkreis von 35 km einen Gymnasialplatz zu erhalten. Den werden sie zu großen Teilen auch anstreben. Warum? Weil da der mit A13 besoldete Arbeitsplatz auf sie wartet.
Wenn Sie jetzt glauben, dass die Gymnasien darüber in Freude ausbrechen, dann wissen Sie nicht, was in der Landschaft los ist. Die Gymnasien sagen nämlich: Das ist prima. Welche Fächerkombinationen kommen denn da? Sie haben einen Anspruch, bei uns ins Kollegium zu kommen und bringen Deutsch/Pädagogik, Deutsch/Sozialwissenschaften, Deutsch/Erdkunde, Deutsch/Geschichte mit. Wir brauchen aber Physik und Chemie. – Sie sitzen dann auf den Stellen, weil sie den Anspruch haben. Das nenne ich klassische Fehlsteuerung.
(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
Wenn Sie die Arbeit belohnen wollen, die die Grundschulkolleginnen geleistet haben, um diese Menschen zu qualifizieren, die auch gern dort arbeiten, dann müssen Sie ihnen vernünftige Bedingungen anbieten, genauso wie den Grundschullehrkräften jetzt auch nach neuer Lehrerausbildung – für die Attraktivität des Berufs
(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
und für das Gewinnen neuer Lehrkräfte. Ziehen Sie endlich die Konsequenzen. (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der zweite Stufenplan, der dazugehört – das habe ich Ihnen auch schon vor einem Jahr vorgelegt –, beinhaltet die Frage: Wie können wir es attraktiv machen? Wie können wir Menschen dazu bewegen, gerade in der Grundschule, ihre Teilzeittätigkeit aufzustocken? Das kann man durch Stundenanrechnungen machen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt, in bestimmten Lebensphasen zurückgegeben werden können, vielleicht sogar vor der Pension. Das ist wichtig.
Sprechen Sie doch mit den Kommunen über die Bereitstellung von Betreuungskapazitäten, damit Grundschullehrkräfte wieder in den Beruf einsteigen. Die machen das ja nicht aus Daffke, sondern aus familiären Gründen. Dabei brauchen sie Unterstützung. Dann haben wir in der Schule auch wieder eine höhere Quote an grundständig ausgebildeten Lehrkräften. Denn es gibt doch mittlerweile Schulen
(Franziska Müller-Rech [FDP] schüttelt den Kopf.)
– wenn Sie die nicht kennen, Frau Müller-Rech, und den Kopf schütteln, dann ist das traurig
–, an denen wir inzwischen mehr Seiteneinsteigerinnen haben als ausgebildete Lehrkräfte im grundständigen Lehramt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist die Situation, die sich im Augenblick zeigt.
Also: Wir brauchen den Stufenplan Besoldung. Wir brauchen auch den Stufenplan Entlastung, und zwar zur Unterstützung von Verwaltungsarbeit, Schulleitungsassistenz und an den Standorten, die besondere Herausforderungen mit sich bringen, wo ein großes pädagogisches Engagement obendrauf kommt, zur Reduzierung von Unterrichtsverpflichtungen, um diese Standorte für Lehrkräfte attraktiv zu machen und den Herausforderungen zu entsprechen.
Da können Sie konkret etwas tun. Die Schulen warten nicht auf das Geschwiemel, was schon alles auf den Weg gebracht worden ist. Die Situation muss jetzt bereinigt werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das können wir hier gemeinsam machen. (Zuruf von Martina Hannen [FDP])
Ich will Ihnen eines sagen: Der Zauber liegt darin, dass die Mittel für die nicht besetzten Stellen jetzt unmittelbar verwendet werden könnten, um solche Maßnahmen zu finanzieren. Es kann doch nicht sein, dass das größte Sparschwein des Finanzministers im Büro der Schulministerin steht. Das kann doch nicht sein.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Martina Hannen [FDP])
Deswegen dürfen die Mittel nicht wieder zur Haushaltskonsolidierung zurückfließen und dadurch die GMA bedient werden, sondern sie müssen an die Schulen gehen. Sie sind gefordert, diesen Realitäten Rechnung zu tragen.
(Henning Höne [FDP]: Unfassbar!)
– Wissen Sie, was unfassbar war, Herr Höne? Das war für mich die Aussage der Schulministerin im Interview in der „Aktuellen Stunde“ des WDR am Tag der Schuljahresauftaktpressekonferenz, in dem sie nach der A13-Besoldungserhöhung gefragt wurde und sagte: Ich habe nicht die Macht.
(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Das habe ich nicht gesagt! Sie müssen schon richtig zitieren, Frau Beer!)
Wir als Parlament haben die Macht, diese Dinge auf den Weg zu bringen. (Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])
Wir stehen dahinter. Wir haben die Macht, das umzusetzen, und wir haben die Macht, das in einem gemeinsamen Prozess zu vereinbaren und damit die Schulministerin zu stärken. Genau das ist der Impuls.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie verweigern sich dieser Initiative. Das ist mehr als schwach, und das stößt in der Schullandschaft draußen auf Unverständnis. Da können Sie sich herauswiemeln, wie Sie wollen, und da können Sie rückwärts zeigen. Jetzt ist Ihr Regierungshandeln gefragt.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
– Ja, Herr Höne, hilft nichts. Dann stärken Sie ihre Schulministerin, die sich in den Haushaltsverhandlungen mit dem Finanzminister offensichtlich nicht durchsetzen kann.
(Beifall von den GRÜNEN)

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