Sigrid Beer: „Die Methode ‚Biedermann und die Brandstifter‘ ist auch hier im Landtag längst entlarvt“

Antrag der "AfD"-Fraktion zum Zentralrat der Muslimen

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Fundierte, kritische, differenzierte Hinweise nicht nur bezüglich des ZMD, sondern in Bezug auf alle islamischen Verbände sind in der Anhörung zum Gesetzentwurf zum islamischen Religionsunterricht von Volker Beck in seiner Expertise vorgelegt worden. Ich zitiere daraus:
„Der Zentralrat der Muslime ist eine effiziente Interessensvertretung und agile PR-Agentur für den Islam in Deutschland. Er mischt sich in viele Debatten auch im Sinne der Stärkung der demokratischen Kultur ein. Er hat aber eine sehr disparate Mitgliedschaft, die teilweise im Widerspruch zum Erscheinungsbild des Verbandes steht.“
Die Bundesregierung stellte zur Mitgliedschaft des Verbandes unter anderem fest:
„Der Bundesregierung ist seit langem bekannt, dass zu den Mitgliedsvereinen des Zentralrates der Muslime … in einem beträchtlichen Umfang auch Organisationen gehören, die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachtet werden. Auch unterhält der Verband klärungsbedürftige, problematische Beziehungen zu Islamistischen Staaten, ohne sich klar gegen Freiheitsbeschränkungen im Namen des Islam zu positionieren, oder zu problematischen Organisationen.“
Damit war bereits alles vorgestellt, und dieser Antrag wäre eigentlich nicht notwendig. Denn wir haben dann auch von uns aus Änderungen zum Gesetzentwurf vorgebracht, die allgemein getragen worden sind, und damit sind auch die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit den islamischen Verbänden sehr klar definiert.
Diese sind auch die Dialoggrundlage in NRW, und sie stärken genau die Muslime und Muslima, die verfassungsklar, rechtsstaatsklar und grundrechtsklar in dieser Gesellschaft leben, arbeiten und sie zu Recht mitgestalten wollen und das auch können.
Das ist grundsätzlich eine andere Tonlage als die, die sich in Ihren Anträgen und Reden immer wieder findet und wie wir sie auch hier erleben.
Jetzt frage ich genau wie die Kolleginnen und Kollegen: Warum wird eigentlich die AfD in Teilen vom Verfassungsschutz geprüft, in Teilen als Verdachtsfall eingestuft? Warum werden AfD-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier bei offiziellen Terminen in Israel nicht nur nicht gerne gesehen, sondern wird ihnen sogar die Teilnahme verweigert?
Ich sage: Der Bundespräsident hat recht, wenn er sagt, Bürgertum, Rechtsstaat und individuelle Freiheitsrechte gehören zusammen, und wer sich in dieser Tradition sieht, der kann nicht gleichzeitig einem ausgrenzenden, autoritären oder gar völkischen Denken huldigen. Das tun Sie aber.
(Beifall von den GRÜNEN – Helmut Seifen [AfD]: Kommen Sie mal zum Antrag zurück!)
Grundrechte wie Religionsfreiheit und Pressefreiheit stehen bei der AfD nicht gerade hoch im Kurs. Wer am Wochenende das Höcke-Interview gesehen hat, dem wird klar, dass sich dort wieder einmal nationalsozialistischer Sprech entlarvt, da mündet das wieder einmal unverhohlen in die Bedrohung eines Journalisten und der Pressefreiheit.
(Helmut Seifen [AfD]: Das hat nichts mit uns zu tun!)
Wer rechtsradikal und rechtsextremistisch, demokratiefeindlich und den Parlamentarismus verächtlich machend unterwegs ist, wer geprägt ist von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, von Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Rassismus, der sollte mal im eigenen Laden aufräumen. Dann hätten Sie was zu tun. Dann bräuchten Sie solche Anträge nicht vorzulegen. Damit sollten Sie sich beschäftigen.
Aber damit es auch hier nicht zur Legendenbildung kommt: Gerade in NRW haben doch diejenigen, die sich gerne als gemäßigt bezeichnen, im Prinzip nur ein Problem damit, wie es rüberkommt. Inhaltliche Differenzen zu Höcke, Kalbitz und Co. gibt es nicht, und diese Methode „Biedermann und die Brandstifter“ ist auch hier im Landtag längst entlarvt. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN – Christian Loose [AfD]: Schauen Sie mal in den Spiegel, Frau Beer!)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. Sie haben bemerkt, dass auch während Ihrer Rede eine Kurzintervention angemeldet wurde. – Frau Walger-Demolsky, bitte schön.
Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Beer, es ist paradox. Sie verweigern hier jegliche Zusammenarbeit mit der AfD-Fraktion, mit der AfD Nordrhein-Westfalen auf Basis von Verdachtsfällen in einzelnen Gruppen, auf Basis von Prüffällen in einzelnen Bereichen, aber Sie halten den Dialog mit Islamverbänden, bei denen es nicht mehr um Verdachts- und Prüffalle, sondern um Beobachtungsfälle geht, für legitim.
Mein Problem ist nicht der Verband. Sprechen Sie doch bitte mit den einzelnen Organisationen, mit den einzelnen Unterorganisationen. Aber wenn Sie mit dem Verband sprechen, sprechen Sie auch mit Islamic Relief. Und so schön Volker Beck das alles beschrieben hat: Cem Özdemir steht immer noch auf der Unterstützerliste von Islamic Relief.
(Beifall von der AfD)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Walger-Demolsky. – Frau Kollegin Beer, Sie können jetzt darauf eingehen.
Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön. – Zu den Anforderungen an Grundrechtsklarheit und Verfassungstreue habe ich eben alles gesagt. Ich meine diejenigen, die bei Ihnen unterwegs sind, die in Chemnitz mitgelaufen sind, die beim Kyffhäuserdenkmal waren, die Kumpels von Höcke sind, die sich nicht davon distanzieren. Ich meine einen Herrn Beckamp
(Zurufe von der AfD)
–  ja, natürlich –, einen Herrn Blex, wie er da sitzt, die hier nicht nur Flügel repräsentieren, sondern den Parlamentarismus verächtlich machen, die antidemokratisch unterwegs sind. Das sind Ihre Hausaufgaben.
Herr Seifen inszeniert sich hier immer als der Gemäßigte. Ich habe dazu gerade schon etwas inhaltlich gesagt: Wer sich nicht inhaltlich distanziert, der ist genauso mitgehangen und -gefangen. Das ist alles nur Camouflage.
(Markus Wagner [AfD]: Aber Sie immer mit Ihren linksextremistischen Verbänden! Sie müssen sich distanzieren! Sie sind doch nicht glaubwürdig!)
Wir haben es hier mit einer Fraktion zu tun, die antidemokratisch unterwegs ist, die rechtsradikale Gepflogenheiten hat, die dem rechtsextremistischen Flügel zugeneigt ist.
(Christian Loose [AfD]: Hören Sie auf, hier rumzulabern!)
Daher wird auf dieser Grundlage eine Zusammenarbeit in diesem Parlament niemals stattfinden können.
(Beifall von den GRÜNEN )

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