Sigrid Beer: „Den Schwarzen Peter haben die Schulträger“

Entwurf zum Haushaltsplan 2020 - Schule und Bildung - zweite Lesung

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Rock, Sie sagen: Sag doch mal, Frau Beer. Ich möchte sagen: Hör doch mal zu, Herr Kollege Rock. – Das wäre auch ganz gut.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Immerhin scheint es ein bisschen funktioniert zu haben; denn bisher lautete Ihre Legende immer, wir hätten in sieben Jahren nichts getan. Dazu muss ich leider sagen, dass wir etwas getan haben. Ich habe immer betont – das scheint noch nicht durchgesickert zu sein –, an manchen Stellen sei nicht genug getan worden. Dennoch haben wir etwas getan.
Wir haben die Lehrerausbildungsplätze um 1.100 Stellen aufgestockt. Wir haben sonderpädagogische Studienplätze geschaffen. Wir haben noch zuletzt 2015/2016 – schauen Sie auf die Seite des Wissenschaftsministeriums – in einer Sondervereinbarung die Masterplätze für das Grundschullehramt aufgestockt. Zugestanden, das waren auch zu wenig.
Aber die letzte Sondervereinbarung mit den Hochschulen stammt aus der vorherigen Legis­laturperiode.
Die Ankündigung neuer Studienplätze ist leider noch gar nicht mit Vereinbarungen mit den Hochschulen unterlegt, Herr Kollege Rock. Warten wir darauf, was dann kommt. Es ist trefflich, das anzukündigen, aber es ist überhaupt noch nicht unterlegt.
Wir werden auch noch darauf eingehen, wie die bisherigen Aufwüchse von den Hochschulen finanziert worden sind, nämlich wahrscheinlich aus Eigenmitteln. Lassen Sie uns darüber re­den.
Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Es ist gut, dass die Aufstockungen im Bildungsbereich von der neuen Landesregierung fortgeführt worden sind.
(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Ich bin über jeden Cent dankbar – das sage ich auch zum wiederholten Male; ich hoffe, jetzt kommt es endlich an –, der im Schuletat aufgestockt wird. Aber auf bestimmte Dinge warten wir noch heute, und da bleiben Sie in Ihrem Regierungshandeln leider hinter den Erwartungen zurück.
Ein Thema haben wir heute noch gar nicht gehört – dazu will ich die Ministerin fragen –: Es geht um das Haushaltsjahr 2020. Wir haben ein Programm, mit dem Sie gern in den Kommunen hausieren gehen, das Sie vorher abwenden wollten und als Eingriff in kommunale Selbstverwaltung verteufelt haben. Das Programm „Gute Schule 2020“, aufgelegt von Rot-Grün, läuft 2020 aus. Was ist mit einer Fortführung? Dazu wollen die Kommunen etwas hören, dazu wollen die Schulen etwas hören. Kein Wort, keine Frage, bisher ein Stochern im Nebel.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] und von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Ich würde gern wissen, wie es dabei vorangeht. Ja, Sie stocken auf im Bereich von Studien­plätzen. Das ist richtig und gut so. Sie stocken auf im Bereich von Lehrerplätzen. Das ist richtig und gut so. Aber es kann nicht sein, dass die Mittel zu einem großen Anteil gar nicht ausge­geben werden.
Ich bleibe bei meinem Satz – das ist immer noch so –: Das größte Sparschwein des Finanzministers steht im Büro der Schulministerin.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: So ist es!)
Ich finde, das ist noch eine freundliche Beschreibung der Situation. Ich könnte es auch mit den Worten des VBE-Chefs in NRW, Stefan Behlau, sagen, der im Editorial der Ausgabe 11/2019 von „Schule heute“ sagt – ich zitiere –:
„Auch die Tricksereien des Finanzministers, der den Etat des Schulministeriums stellen­mäßig erhöht, damit eine überproportionale Steigerung des Bildungshaushalts suggeriert, wohlwissend, dass die meisten Stellen leerlaufen werden und somit seiner ‚schwarzen Null‘ und der sogenannten Haushaltskonsolidierung mehr dient als den Schulen in NRW, waren leider kein Thema.“
(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Globale Minderausgaben!)
Das ist es einfach. Das ist eine zutreffende Zustandsbeschreibung.
Eines können wir immerhin feststellen: Die Ministerin gesteht mittlerweile öffentlich ein, dass es sehr wohl an der Bezahlung liegt, Stellen im Schulbereich zu besetzen. Das belegt ihr drittes Maßnahmenpaket. – Aber der Versuch, Frau Ministerin, temporär Gehälter zu erhöhen, wird sich in der Frage des Lehrermangels nicht als Durchbruch erweisen.
(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Keine Erhöhung!)
Das hat auch in anderen Bundesländern nicht durchschlagend funktioniert, das bringt keine neuen Lehrkräfte. Außerdem – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – fällt die Laufzeit dieser temporären Maßnahme dann mit dem Ende Ihrer Regierungszeit zusammen.
(Josefine Paul [GRÜNE]: Verrückt!)
Ja, Sie führen die Maßnahmen fort, die schon in der letzten Legislaturperiode begonnen wurden, und bauen sie – das ist richtig – weiter aus: Pensionärinnen gewinnen, Einsatz von Sek.-II-Lehramtsabsolventinnen. Aber die notwendige Besoldungserhöhung auf A13 für die Grund-schul- und Sek.-I-Lehrkräfte bleibt immer noch aus.
Was Sie mit Ihrer temporären Prämie bewirken werden, ist vor allen Dingen Frust und Ärger in den Schulen und bei den Grundschullehrkräften, die schon jahrelang in herausfordernden Lagen engagierte und herausragende Arbeit leisten.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])
Jetzt bekommen diejenigen, die sich an solche Standorte begeben, die Zulage, Sie tun aber nichts für die Bestandslehrkräfte. Deswegen ist das Problem nicht gelöst.
Ich sage: Gehen Sie doch endlich auf unseren Vorschlag ein, einen Stufenplan zu machen. Ich habe immer von einem realistischen Szenario gesprochen. Wir müssen zu einer Verein­barung mit den Lehrerverbänden kommen, das muss endlich auf den Weg gebracht werden. Darauf warten die Lehrerverbände, die Grundschullehrkräfte und die Sek.-I-Lehrkräfte bis heute.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Genau vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle schon einen Vorschlag für einen Grundschul­pakt gemacht. Mehr als 22.000 Lehrkräfte arbeiten in Teilzeit. Wir müssen uns darüber unter­halten, was wir tun können, um Teilzeitkräfte mehr in die Schule zu holen, sie zur Aufstockung von Stunden zu bewegen.
Schmieden Sie kommunale Bündnisse mit den Schulträgern, um Kitaplätze in der Nähe der Schulen bereitzustellen. Bieten Sie da die Besoldungserhöhung sofort an. Schaffen Sie Entlastungen für Lehrkräfte an herausfordernden Standorten mit Absenkung der Unterrichtsverpflichtung und Verwaltungsentlastung.
(Marc Herter [SPD]: Genau!)
Das schafft systematisch und systemisch die nötigen Anreize
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der SPD)
und nicht das, was Sie mit kleinen Maßnahmen wie bei einem Flickenteppich zusammenschustern. Es wäre ein Ansatz mit Breitenwirkung. Klotzen statt kleckern – das ist in diesem Fall wirklich notwendig. Aber ich glaube, auch dazu hat die Landesregierung keine Kraft.
Wann nehmen Sie Ihre Regierungsverantwortung endlich wahr? Ich nehme nicht wahr, dass die regierungstragenden Fraktionen gestalten.
(Jochen Ott [SPD]: Ein Antrag in drei Jahren!)
Sie lösen die Frage der Sek.-II-Lehrkräfte in den Grundschulen nicht, wenn Sie nicht die A13-Lösung herbeiführen. Dann verbleiben sie dort nicht. Da können Sie noch alle möglichen Dinge auf den Weg bringen, auch das, was das 15. Schulrechtsänderungsgesetz anbietet, das wird nicht gelingen.
Der Staatssekretär hat die Ausrollung von LOGINEO angekündigt. Ich hoffe, dass das jetzt nach den Wehen, die damit verbunden waren, gut läuft und für die Schulen tatsächlich etwas bringt. Aber das Ausrollen zu verkünden und sich gleichzeitig wieder einmal vor der Frage zu drücken, was das für die Standards der digitalen Ausstattung mit Endgeräten für die Lehrkräfte heißt, das funktioniert nicht.
Den Schwarzen Peter an die Schulträger zu schieben, die dann entscheiden, ob sie 20 % der Mittel in digitale Endgeräte für Lehrkräfte oder in die Ausstattung von Lerngruppen investieren, ist auch nicht der richtige Weg. Den Schwarzen Peter haben die Schulträger. Sie schieben wieder einmal Verantwortung von sich.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])
Im Gegensatz zu den Tönen des Kollegen Witzel heute früh hat sich die Situation in der Inklusion nicht verbessert.
(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])
Das hat die Tagung der Eltern der Gesamtschulen und Sekundarschulen in NRW am vergan­genen Samstag sehr deutlich gemacht. Das war nur ein Spotlight. 20 % der Schulen haben geantwortet, und diese 20 % haben gesagt, sie kämen mit den Ressourcen nicht klar, die angekündigten Ressourcen seien nicht da.
Aber ich will mich noch sehr positiv äußern und mich dafür bedanken, dass zumindest eine Frage am letzten Samstag abgeräumt worden ist: Der „Holweide-Erlass“ ist nicht mehr strittig.
Er soll bestehen bleiben, wie der Staatssekretär verkündet hat. Das ist gut.
Allerdings haben wir an einer anderen Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen die nächste Baustelle. An der vierten Aachener Gesamtschule soll nämlich auch die pädagogische Frei­heit eingeschränkt werden – ausgerechnet bei einem Modell des außerschulischen Lernens, das an einer anderen Schule in Nordrhein-Westfalen, nämlich an der Matthias-Claudius-Schule in Bochum, mit dem Jakob Muth-Preis ausgezeichnet worden ist. Die Bochumer Schule hat sich dieses Modell der Herausforderung des Lernens außerhalb der Schule übrigens ausgerechnet von der vierten Aachener Gesamtschule abgeguckt.
Ich bitte darum, dass die pädagogische Freiheit auch der Aachener Gesamtschule und vieler anderer Schulen erhalten bleibt. Das ist richtig. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Wir werden dazu auch einen Ausschussbericht anfordern, damit wir in der nächsten Woche darüber sprechen können.
Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen: Ja, es kann gerne Kooperationen geben. Ich bin sehr dafür, dass wir gemeinsam daran arbeiten, sodass die langen Linien über Legislaturen hinaus gemeinsam getragen werden. Das betrifft die Frage von Ausbildungsplätzen und die Frage von weiterem Aufwuchs im System, aber auch die Frage der verlässlichen Maßnahmen gegen den Lehrermangel und die Frage der Besoldungserhöhung, die jetzt endlich gelöst werden sollten und auf die Sie heute und im kommenden Haushalt wieder keine Antwort gegeben haben. Das ist die große Enttäuschung in den Schulen in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)