Sigrid Beer: „Das ist anachronistisch“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Beruflichen Bildung

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen das Ziel, die berufliche Bildung um Erfahrungen eines gemeinsamen Lebens- und Arbeitsraums in Europa zu bereichern und auch mehr jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, diese Erfahrungen machen zu dürfen.
Aber umso enttäuschender ist der vorliegende Antrag vor dem Hintergrund der Ankündigung auch der NRW-Koalition und des langen Entstehungsprozesses. Das ist zu mager, liebe Kolleginnen und Kollegen. Trotz vorheriger Anträge, die Sie auf den Weg gebracht haben, die eigentlich den Weg hätten bereiten sollen zu mehr Substanz zu dem heutigen Vortrag, trotz der Willensbekundungen der Staatskanzlei, bei diesem Thema tätig zu werden, fallen die tatsächlichen Aussagen, die Sie hier niedergelegt haben, sehr, sehr eng aus.
Die NRW-Koalition hat ja mehrfach groß angekündigt und getönt, sie wolle die grenzüberschreitende berufliche Bildung stärken. Aber das Einzige, das uns heute hier vorgelegt wird und was ihr eingefallen ist, ist, mehr Werbung für die bestehenden Möglichkeiten zu machen. Und das fällt sogar hinter die Forderung vor der Regierungszeit zurück. – Also wirklich enttäuschend.
Wie steht es um die entsprechende Forderung aus den Anträgen der Koalition? – Ich will einmal die Drucksachen 1113 vom 7. November 2017 und 1661 vom 9. Januar 2018 nennen.
–  Ja, Sie schauen fragend; Sie haben sie offensichtlich gar nicht mehr so präsent.
Hat die Landesregierung alle diese Forderungen beschlussgetreu umgesetzt, sodass jetzt gar nichts mehr notwendig ist? Das wird uns vielleicht Minister Laumann gleich erklären und damit ein bisschen mehr Substanz in diesen Vortrag, den wir heute gehört haben, bringen. Andernfalls erwarten wir von der Landesregierung, dass im Ausschuss endlich einmal vorgelegt wird, was bislang von diesen Vorhaben umgesetzt worden ist, von denen wir in den Anträgen Kenntnis genommen haben.
Wir lesen, dass die Bildungssysteme in den Nachbarländern so unterschiedlich sein sollen, dass man sie nicht einander annähern könnte oder sogar dürfte. Die Kollegin Hannen hat sich auch in diese Richtung geäußert.
Ich stimme dem Kollegen Weiß ausdrücklich zu: Das ist angesichts der aktuellen Pandemielage nicht verständlich. Dazu sollten Sie Stellung beziehen. Wir müssen näher aneinanderrücken, wir müssen uns im europäischen Raum auch in diesen Fragen miteinander auseinandersetzen. Das hat mit Anerkennung zu tun, das hat etwas mit dem Austausch zu tun, mit der Sicherung von Berufen. Das fehlt alles. Das ist einfach zu schmal. Ich will wiederholen: Es ist enttäuschend.
Wir erwarten einen Bericht der Landesregierung an den Ausschuss für Europa und Internationales, der am 8. Mai tagt, der alle Vorbereitungen genauer darlegt, der besagt, was bisher von dem, was Sie in den Anträgen von 2017 und 2018 angekündigt haben, eigentlich umgesetzt ist. Was liegt davon bisher vor? Und dann würden wir gerne mit Ihnen über das Aufsetzen und das Weiterentwickeln gemeinsam reden.
Diesem Antrag – obwohl das Ansinnen richtig ist – können wir nicht zustimmen. Wir werden ihn nicht ablehnen, wir werden uns enthalten. Aber eigentlich wäre es gut, wenn Sie diesen Antrag aus dem Verfahren nehmen würden und wir gemeinsam über eine Entwicklung reden und einen gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen würden.
Eine Chance hätte das auch – insofern will ich auch über die Grenzen der beruflichen Bildung hinwegschauen. In Ihrem NRW-Koalitionsvertrag auf Seite 112 steht der Satz: Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, um grenzüberschreitende Kita-Besuche, grenzüberschrei- tende Schulbesuche – Primar- und Sekundarstufe – zu ermöglichen.
Da ist leider bis heute auch noch nichts passiert. Ich habe im Petitionsausschuss mit Petitionen zu tun, in denen es darum geht, dass Eltern die Schulpflichtverletzung vorgehalten wird, weil ihre Kinder im angrenzenden europäischen Nachbarland beschult werden, obwohl sie dort auch deutschen Sprachunterricht erhalten. Ihnen wird unterstellt, sie würden sich der Integration verweigern.
Das ist anachronistisch. Ich finde diesen Satz in Ihrem Koalitionsvertrag richtig.
Dass auch das alles nicht bedacht wurde und weiter auf der Strecke bleibt, ist schade. Vielleicht kommen wir doch noch zu einem umfänglichen gemeinsamen europäischen Antrag. Daran sollten wir denken.
Nehmen Sie Ihren Antrag doch bitte aus dem Verfahren, oder überweisen Sie ihn an den Ausschuss, damit wir dort darüber reden können. – Danke schön.

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