Sigrid Beer: „Bitte enttäuschen Sie die Grundschulen nicht“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Philosophie als Schulfach

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Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Ihnen gerade zu dieser Debatte etwas mitgebracht. Das ist mir sehr wichtig und das habe ich insbesondere für Herrn Rock, für Frau Hannen und für Frau Müller-Rech mitgebracht – auch für die Ministerin lassen wir das da, wenn Frau Scharrenbach freundlicherweise heute die Bildungsministerin vertritt –, um mit einer Legende aufzuräumen. Wir haben im Jahr 2014 hier beraten. Herr Rock hat daraus zitiert. Es ist nicht so, dass nichts passiert ist.
Die Fraktion hat – resultierend aus der damaligen Situation – ein Gutachten zur Erstellung eines Curriculums für die Einführung von Philosophie in der Grundschule und für den philosophischen Unterricht insgesamt in Auftrag gegeben. Da ist inzwischen vorgearbeitet worden. Professor Blesenkemper war so freundlich, diese Aufgabe für unsere Fraktion zu übernehmen. Dieses Gutachten überreiche ich Ihnen gleich.
Darin werden Sie auch lesen, dass es bereits 2012 im Ministerium eine Arbeitsgruppe für einen ersten curricularen Entwurf gegeben hat. So viel dazu, was angeblich alles nicht passiert ist. Hier sind bereits viele Dinge auf den Weg gebracht worden.
Herr Rock, ich habe jetzt noch einmal in unserem Antrag gesucht. Dabei habe ich das Wörtchen „sofort“ gar nicht gefunden. Ich möchte jetzt aus dem Antrag zitieren, und das, was ich zitiere, entspricht eigentlich genau Ihren Planungen:
„Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
dem Ausschuss für Schule und Bildung einen umfangreichen Bericht zur Forschungslage und Sachstand praktischer Anwendung von ‚Philosophieren mit Kindern‘ vorzulegen,
in einen intensiven Austausch mit den entsprechenden Einrichtungen, die bislang damit befasst sind, einzutreten, mit dem Ziel, eine koordinierte und intensivierte Vorbereitung der Einrichtung eines entsprechenden Unterrichtsfachs zu erreichen,
die curriculare Zusammenarbeit von bekenntnisorientiertem Religionsunterricht und dem Philosophieren mit Kindern in der Grundschule zu entwickeln und grundsätzlich die Einrichtung einer Fächergruppe zu prüfen,
die Ausbildung und Fortbildung von Lehrkräften zu entwickeln, die für eine Erteilung des Unterrichts qualifiziert werden,
entsprechende Ressourcen für die flächendeckende Einführung des Unterrichts vorzusehen.“
Ich finde das Wörtchen „sofort“ nicht. Ich finde nur „Entwicklung“, und ich finde „Plan“. Sie haben selbst zugegeben, dass das Anliegen in der Anhörung noch einmal sehr deutlich begründet, unterfüttert und auch begrüßt worden ist. Von daher kann ich die Ablehnung leider nicht nachvollziehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das erschließt sich aus diesem Antrag nicht. Wir wissen, dass ein sorgfältiger Prozess notwendig ist – ja, in der Tat. Deswegen haben wir die Hände nicht in den Schoß gelegt, sondern wir haben dieses Curriculum in der Fraktion erarbeitet, um den Prozess voranzuführen. Sie haben recht, Frau Hannen: Ich habe dieses Anliegen schon 2014 auf unserem Parteitag vorgestellt. Wir als Grüne haben es auch vorangetrieben, weil es uns wichtig ist.
(Lachen von der FDP – Dietmar Brockes [FDP]: Wo denn?)
– Ja, Sie können hier lesen, was Herr Blesenkemper schreibt: 2012, Arbeitsgruppe im Ministerium. Wir haben das Curriculum vorgelegt.
(Zuruf von der FDP)
Das ist von März 2017.
(Dietmar Brockes [FDP]: Da haben Sie ja richtig Gas gegeben!)
Das gebe ich Ihnen gleich zur Kenntnis. Wir haben gearbeitet, und jetzt sind Sie am Zug. Ich habe von Ihnen aber noch gar nichts gehört.
Das Spannende in der Ausschusssitzung war, dass Herr Rock und Frau Müller-Rech unterschiedliche Einschätzungen haben, was wirklich kommen müsse und wie das aussehen soll. Ihre Ausführungen gerade, Frau Hannen, zeigen leider, dass wieder zurückgerudert wird und wir nicht wissen, ob das Ganze denn wirklich – wie von Frau Müller-Rech angekündigt – im Masterplan Grundschule steht oder nicht.
Ich habe schon viele Anfragen aus den Philosophischen Fakultäten und von Grundschulen bekommen, weil sie die Hoffnung hatten, dass dieser Antrag eine gemeinsame Grundlage bilden könnte. Ich hatte Ihnen angeboten, sich diesen Antrag zu eigen zu machen. Sie hätten darin arbeiten können. Diese Chance haben Sie leider vertan.
Man kann natürlich sagen: Ihr habt das damals so gemacht, und wir machen es jetzt anders. – Ich weiß aber nicht, ob das souverän ist. Ich lege Ihnen noch einmal dar: Wir haben gearbeitet. Das, was Sie hier ausgebreitet haben, stimmt gar nicht. Aber da sind wir jetzt gar nicht verhärmt.
Ich möchte den Koalitionsvertrag positiv sehen und hoffe, dass diese Angelegenheit schnell zu einer Umsetzung gelangt. Ich übergebe Ihnen jetzt dieses Curriculum, damit Sie eine Arbeitsgrundlage haben. So kann es zügig vorangehen. Ich würde mich freuen, wenn wir bald eine Vorlage bekommen würden, in der genau dieses Anliegen umgesetzt wird. Denn im Ziel sind wir, glaube ich, gar nicht so weit auseinander.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin…
Sigrid Beer (GRÜNE): Ich habe Verständnis dafür, dass Sie jetzt nicht zustimmen können, aber bitte enttäuschen Sie die Grundschulen nicht. Sie haben in der Anhörung gehört, dass es diesbezüglich einen großen Graubereich gibt, dass wir Regelungsbedarf haben und dass viele Grundschulen das gerne in Angriff nehmen möchten, und zwar ganz geregelt, weil sie es im Augenblick de facto auch schon tun. – Herr Präsident, Sie hatten…
Vizepräsident Oliver Keymis: Es ist noch eine Zwischenfrage von Herrn Rock angemeldet.
Sigrid Beer (GRÜNE): Aber natürlich, herzlich gerne.
Vizepräsident Oliver Keymis: Dann nehmen wir die noch als Zwischenfrage dazwischen. – Bitte schön.
Frank Rock (CDU): Frau Beer, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gesagt, Sie kennen so viele Grundschulen. Ich habe auch mit sehr vielen Grundschulen gesprochen. Sie können mir glauben, dass ich als Schulleiter in meinem Netzwerk ausgesprochen viele Grundschulen kenne.
Ich – da bedanke ich mich bei der Kollegin der SPD, die das auch noch einmal deutlich gemacht hat – habe keine Person kennenlernen dürfen, die sagt: In der jetzigen Lage wäre es die richtige Entscheidung, ein weiteres Fach einzuführen. – Ich würde Sie bitten, mir zu erläutern, woher Sie die Leute kennen, die es für dringend notwendig erachten, jetzt, angesichts der schwierigen Lage unserer Grundschulen, dieses Fach einzuführen.
Sigrid Beer (GRÜNE): Sie haben in der Anhörung mit Frau Wenders und auch mit Frau Rixa Borns bereits solche Personen kennengelernt. Darüber hinaus kann ich Ihnen aber gerne weitervermitteln, wo Schulen bereits entsprechend arbeiten und sich wünschen, dass ganz regulär so arbeiten zu können. Dort sitzen derzeit Kinder im Unterricht, denen sie gerne noch ein anderes Angebot machen würden.
Wir haben in der Anhörung auch gehört – schauen Sie sich noch einmal das Protokoll an –, dass es bereits eine Grauzone gibt, die von den Universitäten wahrgenommen und betreut wird. Dort machen Schulen im Prinzip schon genau das, was laut Ihrem Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht werden soll.
Eine Anmerkung noch zu Ihrer Aussage, Frau Hannen. Sie haben gesagt: Wir wollen Ethikunterricht machen. – Lassen Sie sich das bitte noch einmal durch den Kopf gehen. Philosophieunterricht ist weniger als Ethikunterricht. Auch bei dieser Frage hatte die Anhörung etwas Gutes und hat viel Material für die eigenen Überlegungen geliefert.
Ich freue mich jetzt, dass die Sache durch die Regierungsfraktionen vehement vorgebracht und vorangetrieben wird. Warten wir mal ab, wann wir es im Parlament vorliegen haben. – Danke. 

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