Norika Creuzmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Beim Lesen des Antrags der SPD war ich zunächst gespannt, denn Sie benennen ein wichtiges Thema: den Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum. In einigen Punkten können wir Grüne Ihre Anliegen durchaus nachvollziehen; das ist eigentlich auch ein Dauerthema.
Doch je weiter ich gelesen habe, desto deutlicher wurde: Ihr Antrag bleibt in vielen Teilen unklar und blendet aus, was in NRW bereits konkret auf den Weg gebracht wurde. Sie selbst stellen in Ihrem Antrag die Frage, ob das Smartphone an sich das Problem sei oder der Zugang zu Plattformen, auf denen Gewalt, sexualisierte Inhalte, Mobbing oder gefährliche Trends verbreitet werden. Ich finde, genau da wird es spannend, denn die Antwort ist weder trivial noch eindeutig.
Digitale Medien sind längst Teil jugendlicher Lebensrealität und nicht nur ein Problem. Sie sind Kommunikationsmittel, soziale Brücke, Spielfläche, Kulturraum und oft auch eine erste Anlaufstelle für Hilfe und Beratung. Das dürfen wir hierbei nicht ausblenden.
Digitale Räume – und das ist genauso wahr – bergen aber auch massive Risiken. Am Dienstag hat jugendschutz.net neue Zahlen vorgelegt: 15.700 Fälle von sexualisierter Gewalt im Netz allein im vergangenen Jahr, eine Verdreifachung im Vergleich zu 2023. Das sind nur die bekannten Fälle; das Dunkelfeld ist wahrscheinlich erheblich größer. Genau deshalb ist es richtig, dass wir handeln: klug, fundiert und mit einem wachsamen Blick. Und das tun wir auch.
In der Kinderschutzkommission des Landtags haben wir das Thema Kinderschutz in digitalen Medien mehrfach intensiv diskutiert. In Anhörungen mit Expertinnen und Experten haben wir verschiedene Aspekte beleuchtet: Peer-to-peer-Gewalt im digitalen Kontext, Cybermobbing und Cybergewalt sowie Social-Media-Trends und ihre Auswirkungen. Diese Formate haben konkrete Impulse gegeben, zum Beispiel für die Sensibilisierung und Fortbildung von Fachkräften an Schulen, denn Kinder und Jugendliche brauchen erwachsene Ansprechpartner, die ihre Lebenswelt verstehen und ernst nehmen. Lehrerinnen und Lehrer müssen mitreden können, wenn es um TikTok-Trends oder um Mobbing in Klassengruppen geht.
Medienkompetenz ist kein Nice-to-have, sondern ein zentrales Präventionsinstrument. Kinder und Jugendliche müssen lernen, Risiken zu erkennen und ihnen auszuweichen. Auch Eltern stehen hier aber in der Verantwortung, denn Begleitung beginnt nicht erst im Klassenzimmer, sondern zu Hause.
In Ihrem Antrag fehlt mir jedoch komplett der Hinweis auf die Verantwortung der Plattformbetreiber. Diejenigen, die mit jugendlicher Aufmerksamkeit Geld verdienen, müssen endlich in die Pflicht genommen werden. Schutz kann nicht allein Aufgabe von Eltern, Schulen und Jugendlichen selbst sein; auch die Techkonzerne müssen liefern.
Stattdessen fordern Sie ein Investitionsprogramm für attraktive Schulhöfe als vermeintliche Alternative zur Smartphonenutzung. Ehrlich gesagt halte ich das für eine recht gewagte Annahme, denn digitale Medien gehören heute zum Alltag junger Menschen genau wie Fußballspielen und Fangen auf dem Pausenhof. Die Rechnung „bewegungsfreundlicher Schulhof gleich weniger Bildschirmzeit“ geht so einfach nicht auf. Die Welt ist nicht analog oder digital, sie ist beides.
Wenn Sie behaupten, es fehle an Rahmenbedingungen und strategischer Orientierung, müssen wir widersprechen. In NRW gibt es seit Jahren den Medienkompetenzrahmen, der bundesweit als Vorbild gilt. Er bietet klare Vorgaben für alle Schulstufen und wird laufend weiterentwickelt. Viele Schulen arbeiten längst mit gut etablierten Medienkonzepten, gemeinsam mit Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen. Genau das stärkt der aktuelle Erlass, der alle Schulen bis Herbst zur Konzepterstellung verpflichtet: nicht durch Zwang, sondern durch Handreichung und Beteiligung.
Auch die Fortbildung der Lehrkräfte wird systematisch neu aufgestellt. Das ist eine strategische Orientierung. Stattdessen schlägt die SPD ein landesweites Gesetz ohne Beteiligung der Schulakteurinnen vor, eine Art digitalen Detox durch Schulhöfe als Gegenwelt zu Social Media.
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht!)
Dann schreiben Sie sich den Digitalpakt 2.0 auf die Fahne, doch der entscheidende Impuls kam im November von unserem grünen Bundesbildungsminister Cem Özdemir mit einem Pakt, auf den die Schulen lange gewartet haben. Es braucht Schutzräume für Kinder, vor allem im Digitalen, aber bitte mit Augenmaß, mit Differenzierung, mit einem klaren Blick auf die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen. Wir sollten ihnen nicht einfach das Handy wegnehmen, sondern ihnen helfen, sicher damit umzugehen, mit Vertrauen in unsere Schulen, mit Unterstützung der Fachkräfte und mit einer politischen Verantwortung, die die Realität ernst nimmt.
(Beifall von den GRÜNEN)
In diesem Sinne freuen wir uns auf eine weitere Diskussion im Fachausschuss. Wir stimmen der Überweisung natürlich zu.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)