Meral Thoms: „Kein Gesundheitssystem kann stark sein, wenn der öffentliche Gesundheitsdienst schwach ist“

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Errichtung des Landesamtes für Gesundheit und Arbeitsschutz NRW

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kein Gesundheitssystem kann stark sein, wenn der öffentliche Gesundheitsdienst schwach ist. Wenn wir ehrlich zu uns sind: Der ÖGD wurde über Jahre vernachlässigt. In der Pandemie wurde seine Bedeutung sichtbar. Aber auch heute, nach der Pandemie, stehen wir vor großen Herausforderungen für den Gesundheitsschutz der Menschen bei uns in NRW, etwa aufgrund sozialer Ungleichheit.

Wir wissen längst: Armut macht krank, und Krankheit macht arm. Diese Wechselwirkungen müssen endlich durchbrochen werden. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine Auswertung der AOK Rheinland/Hamburg über ihre Versicherten zeigt: Mehr als die Hälfte der Kinder lebt in Familien mit mindestens einer familiären Belastung, seien es die Krankheit eines Elternteils oder das Aufwachsen im Bürgergeldbezug. Diese familiären Belastungen haben Folgen.

Nur ein Beispiel: Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen haben ein rund 70 % höheres Risiko, eine Essstörung zu entwickeln. Genau das ist der Grund, warum gezielte Gesundheitsförderung und Prävention für Kinder und Jugendliche aus belasteten Familien gerade kein Nice-to-have, sondern zentral für mehr Gesundheitsgerechtigkeit sind.

Deshalb ist es uns besonders wichtig, dass die Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit im Gesetzestext verankert ist. Dazu hatten wir einen Änderungsantrag eingebracht.

Mit dem Gesetz stärken wir darüber hinaus den Gesundheitsschutz in der Klimakrise, gerade für vulnerable Gruppen. Angesichts extremer Wetterlagen ist klar: Gesundheit braucht Klimaschutz und einen starken ÖGD, der die Menschen rechtzeitig aufklärt, warnt und vorbereitet.

Wir sind der Meinung: Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Meilenstein, denn wir verfolgen nichts Geringeres als die nachhaltige Stärkung des ÖGD – strukturell, inhaltlich und vor allem zukunftsgerichtet.

Ein zentrales Element ist die Errichtung des neuen Landesamts für Gesundheit und Arbeitsschutz. Dort bündeln wir Fachkompetenz und schaffen Synergien zwischen Gesundheit und Arbeitsschutz.

Ein zeitgemäßer ÖGD – das macht der Entwurf klar – bringt Gesundheitsperspektiven auch in andere Politikfelder ein. Stadtentwicklung, Mobilität, Wohnumfeld – all das beeinflusst doch unsere Gesundheit unmittelbar.

Gerade auf kommunaler Ebene übernimmt der ÖGD koordinierende und steuernde Rollen. Er bringt die relevanten Akteure an einen Tisch, vernetzt die wichtigen – ich betone es noch einmal – Präventionsangebote und sorgt dafür, dass gesundheitliche Belange in Planungs- und in Entscheidungsprozesse einfließen.

Zur Anhörung: Der Gesetzentwurf fand breite Zustimmung bei den Sachverständigen des ÖGD. Gleichzeitig haben wir Bedenken der kommunalen Spitzenverbände ernst genommen. Darauf ist Kollege Schmitz schon eingegangen.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Nach sorgfältiger Abwägung wurden zwei geplante Weisungsbefugnisse zurückgenommen. Wir stimmen also heute über einen ambitionierten und zugleich ausgewogenen Gesetzentwurf ab. Doch uns muss auch klar sein: Diese Novelle allein auf Landesebene reicht nicht. Ein starker ÖGD braucht ausreichend Personal. Bund und Länder stehen gemeinsam in der Verantwortung, die Erfolge des ÖGD-Pakts auch über das Jahr 2026 hinaus abzusichern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Abschluss ein Wort an SPD und FDP: Mit Ihrem Änderungsantrag, der gestern kurzfristig einging, setzen Sie eine klare Botschaft: Im Kern solle doch alles einfach so bleiben, wie es sei. Ganz besonders enttäuschend finde ich die Haltung der SPD, dass ausgerechnet bei dem Thema „Prävention und Gesundheitsförderung“ trotz der gravierenden Probleme und der sozialen Ungleichheit, die ich eingangs geschildert habe, alles so bleiben soll, wie es ist.

Da frage ich mich ernsthaft: Wo bleibt Ihr Einsatz für Gesundheitsgerechtigkeit?

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Haben Sie sich überhaupt inhaltlich einmal mit diesem Thema beschäftigt?

Zum Verfahren. Im Ausschuss, medial und auch heute, ein Riesenthema, ein Riesendrama

(Thorsten Klute [SPD]: Das sagt ja keiner!

um das Verfahren, weil wir diesen Änderungsantrag kurzfristig eingebracht haben. Nur noch mal zur Wiederholung: Sie haben heute das Gleiche gemacht.

(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Das ist Ihr gutes Recht. Da müssen Sie sich aber die Frage gefallen lassen: Wie ernst gemeint war eigentlich Ihre Empörung in der vergangenen Woche? War das alles nur Inszenierung?

(Beifall von den GRÜNEN)

Festzuhalten bleibt: Über das gesamte Verfahren haben Sie keinerlei Interesse an einem inhaltlichen Austausch und an der Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes gezeigt. Das ist bedauerlich, und ich finde das enttäuschend.

Wir stimmen dem Gesetz zu. Den Änderungsantrag lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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