Meral Thoms: „Gesundheitsversorgung passiert vor Ort“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur gesundheitlichen Versorgung

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesundheitsversorgung passiert vor Ort – in der Hausarztpraxis in der Nähe oder in der Apotheke an der Ecke. Das gehört zu einem lebenswerten Viertel ganz selbstverständlich dazu. Aber eine gesundheitsfördernde Infrastruktur, von der gesprochen wird, geht weit darüber hinaus.

Die SPD befasst sich in ihrem Antrag begrenzt mit medizinischen Einrichtungen und legt den Fokus auf die Gesundheitsversorgung. Gesundheitsförderung und Gesundheitsprävention fehlen. Damit greift dieser Antrag zu kurz und setzt viel zu spät an.

Deutschland gibt jährlich über 300 Milliarden Euro für das Gesundheitswesen aus, aber nur einen Bruchteil davon für Prävention und für Gesundheitsförderung, gerade mal 0,2 %, und das, obwohl unsere Lebenserwartung im internationalen Vergleich im besten Fall im Mittelmaß liegt. Das zeigt deutlich: Es sind nicht allein fehlende Praxen oder Versorgungslücken, die uns beschäftigen müssen. Es sind krank machende Lebensverhältnisse; es ist die Hitze in der Wohnung; es ist der Lärm vor der Tür; es sind die zubetonierten Innenhöfe; es ist die Einsamkeit im Alter. Wer ernsthaft über gesundheitsfördernde Lebensinfrastruktur sprechen will, der muss auch über Lebensverhältnisse sprechen, nicht nur über Versorgungsangebote.

Bleiben wir bei der begrenzten Perspektive des Antrags. Ja, medizinische Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft sind ein vielversprechender Ansatz, gerade in ländlichen Regionen, wo Praxen schließen, wo Nachwuchs fehlt. Doch wie geht das eigentlich genau? Wer in der kommunalen Verwaltung hat das Know-how, solch ein komplexes medizinisches Versorgungszentrum aufzubauen? Denn es gilt, betriebswirtschaftliche Fragen zu klären, aber auch rechtliche Fragen, darunter Haftungsfragen, zudem die Frage der Fachkräftegewinnung.

Was die Kommunen, die willens sind, hier vor allem brauchen, ist Beratung. Denn die Gründung von kommunalen MVZ ist mit erheblichen rechtlichen Herausforderungen verbunden. Deshalb ist es gut, dass sich die Landesregierung konsequent dafür einsetzt, bestehende Hürden abzubauen, etwa bei den von Kommunen zu hinterlegenden Sicherheitsleistungen bei MVZ. Es ist auch richtig, Beratungsangebote gezielt auszubauen, etwa über das Landeszentrum Gesundheit.

Ein ganz konkretes Beispiel, wie das funktioniert – ich wiederhole: es funktioniert –, ist mein Heimatkreis Viersen, in dem solch ein kommunales MVZ ganz ohne Programm gegründet wird, nämlich mit ganz viel Engagement der Akteure vor Ort und mit ganz viel Beratung des Gesundheitsministeriums und der Kassenärztlichen Vereinigung. In meinem Heimatkreis Viersen haben sich die Gemeinden Brüggen und Schwalmtal zusammengetan, um solch ein kommunales Gesundheitszentrum zu gründen. Ich wiederhole noch mal: Das funktioniert schon.

Ich wünsche mir, dass solche Modelle auch in anderen Regionen NRWs Schule machen. Die Landesregierung steht bereit, um solche Vorhaben gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen beratend zu unterstützen. In meinem Kreis habe ich gesehen, dass das funktioniert.

Zurück zum Antrag: Er benennt den Ansatz „Health in All Policies“. Das ist grundsätzlich ein wichtiges Ziel; denn natürlich muss Gesundheit in allen Politikfeldern mitgedacht werden – beim Verkehr, bei der Stadtplanung oder bei der Klimaanpassung. Aber dieser Ansatz wird im Antrag missverstanden. Denn es geht nicht – wie Sie schreiben – um die „Verbesserung der Gesundheitsversorgung“. Dies ist originäre Aufgabe der Gesundheitspolitik. „Health in All Policies“ meint etwas anderes, nämlich, dass Entscheidungen, die die Lebensverhältnisse der Menschen betreffen, in anderen Ressorts mitgedacht werden.

Wir brauchen auf kommunaler Ebene auch ein verändertes Rollenverständnis der Gesundheitsämter. Sie werden viel zu oft als Kontroll- und Meldestellen missverstanden. Wenn wir Gesundheit umfassend denken wollen, dann müssen die Gesundheitsämter künftig aktiv bei einer gesundheitsförderlichen Planung und bei der Prävention mitwirken, als Fachinstanzen mitgestalten und ihr Wissen auch in Bebauungspläne und Verkehrskonzepte einbringen. Diesen Kulturwandel unterstützen wir mit der Novellierung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst.

Ich fasse zusammen: Der Antrag greift einige wichtige Punkte auf. Aber er greift zu kurz. Er setzt nur bei einem Reparaturmodus an.

Der Überweisung des Antrags an den Fachausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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