Meral Thoms: „Gesundheit ist viel mehr als die Abwesenheit von Krankheit“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Kindergesundheit

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen hier in NRW und in Deutschland liegt uns allen am Herzen; das hat die bisherige Debatte schon gezeigt. Wir haben mit Sorge auf die Situation in den Kinderkliniken und Kinderarztpraxen vor allem zwischen den Jahren geschaut, aber wir tun auch schon einiges; das haben Minister Laumann und Katharina Gebauer schon ausgeführt. Wir fangen bei der Kindergesundheit nicht bei null an.

Ich will die Maßnahmen, die Sie eben schon gehört haben, nicht alle wiederholen. Klar ist, dass wir uns langfristig um den Personalmangel in der Kinder‑ und Jugendmedizin kümmern und die Benachteiligung der Kinderkliniken im Vergütungssystem beheben müssen. Die Bundesregierung hat dafür in den kommenden zwei Jahren ein Förderprogramm für Kinderkliniken von insgesamt 600 Millionen Euro auf den Weg gebracht; es gibt also auch Rückenwind vom Bund. Zudem begrüßen wir die guten Überlegungen auf Bundesebene, die vorhalteintensiven Bereiche der Kinderkliniken stärker aus dem Fallpauschalensystem herauszunehmen.

Das Thema „Kindergesundheit“ sollte uns aber nicht erst dann interessieren, wenn es brennt, die Versorgungslage angespannt ist und Kinder sowie besorgte Eltern verzweifelt auf der Suche sind nach einer Klinik bzw. nach einem Arzt, der erreichbar ist. Wir müssen viel früher anfangen, denn Gesundheit ist viel mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Das ist ein Punkt, der mir in der Debatte bislang viel zu wenig vorkommt.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Was hat Kollegin Gosewinkel denn gerade gesagt? – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE] – Jochen Ott [SPD]: Leider ist das so!)

Langfristig brauchen wir den klaren Fokus auf Prävention und auch die Förderung eines gesunden Lebensstils. Kinder und Jugendliche müssen lernen und erleben, wie gesund und wohltuend viel Bewegung

(Zurufe)

– das Thema scheint Sie jetzt doch nicht zu interessieren –, eine gesunde Ernährung und eine richtige Strategie für Entspannung und psychisches Wohlbefinden sind. Gesundheitliche Bildung muss Teil des Aufwachsens werden. Wenn wir das fördern wollen, müssen wir auch die Vielfalt der sich verändernden und immer bunter werdenden Gesellschaft im Blick haben, die Perspektive der Kinder ernst nehmen und auch Eltern empowern, ihnen und den Kindern das richtige Werkzeug für ein langes gesundes Leben mitzugeben.

Prävention muss zudem einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass wir von der großen gesundheitlichen Ungleichheit wegkommen, die wir immer erleben, denn Gesundheit hat sehr viel mit dem sozioökonomischen Status zu tun. Hier ist die Förderung von Prävention für alle ein ganz wichtiger Hebel. Der Start in ein langes gesundes Leben darf nicht von der Herkunft, vom Geldbeutel der Eltern oder vielleicht von der Postleitzahl der Schule abhängen.

(Zuruf von der SPD: Das ist ein guter Spruch!)

Wir haben uns im Koalitionsvertrag viel vorgenommen und sind auch schon auf dem Weg dahin. Wir haben einiges auf den Weg gebracht; das haben wir heute schon ausführlich gehört.

(Beifall von Matthias Kerkhoff [CDU])

Ich will noch ein paar Punkte erwähnen. In unserem Antrag für eine ganzheitliche Ernährungsstrategie, über den wir heute Nachmittag debattieren, fordern wir eine gesunde und nachhaltige Verpflegung in unseren Kantinen und wollen das Wissen von Kindern und Jugendlichen über eine gesunde Ernährung verbessern.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Im Eckpunktepapier zum neuen Kinder‑ und Jugendförderplan schlagen wir einen neuen Schwerpunkt „Gesundheit, Resilienz und Bewegungsförderung“ vor. Hier wollen wir genau solche Angebote fördern, die der gezielten Gesundheits‑ und Bewegungsförderung dienen, um den negativen Auswirkungen der Coronapandemie auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken.

Schließlich verstetigen wir die wichtigen Lotsendienste der Frühen Hilfen, um möglichst viele Familien frühzeitig zu unterstützen. Darüber hinaus brauchen wir eine bessere Vernetzung der vielen bestehenden guten Angebote und vor allem eine übergreifende Strategie, die Prävention zu stärken. Daran krankt im Übrigen auch Ihr Antrag, liebe SPD,

(Widerspruch von der SPD)

dieses Sammelsurium von losen Einzelmaßnahmen, auf 16 Seiten aneinandergereiht und ohne Anspruch auf Vollständigkeit; das haben Sie eben selbst gesagt.

(Beifall von den GRÜNEN – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das ist arrogant!)

Das ist vielleicht das Ergebnis einer lockeren, gut gemeinten Brainstormingrunde. Wir finden auch viele teilweise sehr gute Einzelmaßnahmen, die uns aber etwas verloren zurücklassen. Ich greife nur einen Punkt heraus: Sie schreiben, der Sportunterricht müsse darauf ausgerichtet sein, dass Kinder und Jugendliche sich bewegen.

Ich glaube, das würden wir alle unterstreichen: Ja, im Sportunterricht müssen sich Kinder und Jugendliche bewegen. Aber, so what?

(Jochen Ott [SPD]: Daran sieht man, dass Sie keine Ahnung von dem Thema haben! – Zurufe von den GRÜNEN: Oh! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Vorsicht, mein Freund! – Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist nicht normal! – Jochen Ott [SPD]: Es ist nicht normal, wie ihr euch verhaltet! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist eine Unverschämtheit, wie der Kollege hier unterwegs ist! – Glocke)

– Vielen Dank, Herr Präsident. – Was uns in Ihrem Antrag fehlt, ist ein klares Konzept, ist eine Strategie. Das ist nicht erkennbar. Was wir in NRW hingegen brauchen, ist eine Präventionsoffensive aus einem Guss.

Das bessere Hinschauen beim Thema „Prävention“ – ich glaube, da sind wir uns alle einig – ist der erfreuliche Punkt, den diese Debatte gezeigt hat. Deswegen freuen wir uns auf den weiteren Austausch im Ausschuss und werden natürlich der Überweisung zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)