Meral Thoms: „Angesichts des demografischen Wandels dürfen und werden wir mit unseren Aktivitäten auch nicht nachlassen“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zur Hausarztversorgung

Portrait Meral Thoms

Der Antrag

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Hausärztinnen und Hausärzte nehmen für die gesundheitliche Versorgung der Menschen in NRW eine ganz zentrale Rolle ein. Sie begleiten die Menschen über verschiedene Lebensphasen und oft auch bis an das Lebensende und sind wichtige Vertrauenspersonen auch für die Angehörigen.

Bei gesundheitlichen Problemen sind sie die Ansprechpartner Nummer eins und können einen Großteil der Probleme schon auf dieser speziellen Versorgungsebene lösen. Falls andere, speziellere Untersuchungen nötig sind, lotsen sie ihre Patientinnen durch unser leistungsstarkes, aber auch kompliziertes Gesundheitssystem und sorgen dafür, dass zum Beispiel Befunde von Fachärztinnen und Fachärzten zusammengeführt werden und immer der ganze Mensch im Blick behalten wird.

Auch in den Bereichen Prävention und sozialmedizinische Beratung sind unsere Hausärzte nicht wegzudenken. Auch da erfüllen sie wichtige Aufgaben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Trotz dieser tragenden Rolle der Hausärztinnen für die gesundheitliche Versorgung haben wir gerade im ländlichen Raum mit massiven Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Ein Drittel der niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte sind – wir haben es eben gehört – über 60 Jahre und werden bald in den Ruhestand gehen.

Gleichzeitig macht der demografische Wandel vor den Patientinnen und Patienten nicht halt; und zwar auch nicht im ländlichen Raum. Es gibt jetzt viel mehr ältere Patientinnen und Patienten mit aufwendigen chronischen Erkrankungen als früher, die eine umfassende hausärztliche Begleitung benötigen. Das werden in Zukunft noch mehr werden.

Die hausärztliche Tätigkeit mit ihrer engen, oft langjährigen Begleitung und Beratung der Patienten und mit ihrem ganzheitlichen Blick auf den Menschen bietet vielen angehenden Medizinerinnen und Medizinern ein unglaublich hohes Potenzial an Motivation und an persönlicher Erfüllung. Damit der Hausarztberuf aber auch künftig seine Attraktivität behält oder wiedergewinnt, müssen wir die Rahmenbedingungen ändern. Hier besteht weiterhin erheblicher Handlungsbedarf.

Viele angehende Ärztinnen und Ärzte wollen heute nicht mehr als Einzelkämpfer oder Einzelkämpferin niedergelassen arbeiten, sondern sie suchen nach neuen Formen der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen. Auch hohe Investitionskosten für die Niederlassung sowie der bürokratische Ballast im Alltag spielen eine Rolle; das schreckt ab.

Gerade jüngere Ärztinnen und Ärzte wollen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und können sich die hausärztliche Tätigkeit auch in Teilzeit oder im Angestelltenverhältnis vorstellen. Was den ländlichen Raum anbelangt, fragen sich viele Nachwuchskräfte, wie attraktiv das Leben für sie und ihre Familien dort ist. Gibt es zum Beispiel genügend Schulen?

Es braucht ein Bündel an Maßnahmen, mit dem wir die Attraktivität des Hausärzteberufs gerade im ländlichen Raum gezielt steigern. Wir haben diesbezüglich auch schon einiges getan.

Mit dem Hausarztaktionsprogramm investieren wir weiterhin jährlich 2,5 Millionen Euro für Hausärzte in kleinen Kommunen, in denen die Versorgung gefährdet ist. Seit dem Start dieses Programms im Jahr 2009 wurden mehr als 700 Maßnahmen gefördert.

Mit der Landarztquote vergeben wir jährlich 180 Medizinstudienplätze an diejenigen, die sich verpflichten, zehn Jahre lang in einer unterversorgten Region im ländlichen Raum tätig zu sein. Diese Studienplätze sind sehr begehrt.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns ein sehr ambitioniertes Ziel gegeben. Wir wollen die Zahl der Medizinstudienplätze um 20 % erhöhen. Ich gebe zu, dass das kostspielig und ambitioniert ist. Angesichts des hohen Bedarfs und der hohen Nachfrage bei den jungen Menschen an Medizinstudienplätzen ist das aber durchaus angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Auch die Kommunen im ländlichen Raum haben die Herausforderungen schon längst angenommen. Einige von ihnen, wie zum Beispiel mein Heimatskreis Viersen, werben gezielt mit Ärztescouts, um den medizinischen Nachwuchs in der Niederlassung zu beraten. Außerdem unterstützen sie die älter werdenden Ärztinnen und Ärzte, die ihre Praxis abgeben wollen, bei der Nachfolgesuche. Solche guten kommunalen Angebote müssen wir ausbauen und besser vernetzen. Das werden wir auch tun.

Bei all diesen guten und wirkungsvollen Maßnahmen sollte uns allen aber ebenso klar sein, dass die ambulante Versorgung mit den bestehenden Strukturen langfristig nicht aufrechterhalten werden kann. Wir brauchen mehr kooperative Versorgungsformen, der gerade den Wünschen der jungen Generation entgegenkommen.

In Ärztegemeinschaften können administrative Aufgaben geteilt werden, und es bleibt für die Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit, um sich um die eigentliche medizinische Tätigkeit zu kümmern. Das kann in Gemeinschaftspraxen oder in Medizinischen Versorgungszentren passieren, die auch in kommunaler Trägerschaft geführt werden können.

Eine noch viel zu wenig bekannte Form der Zusammenarbeit ist die Ärztegenossenschaft. Der besondere Vorteil ist hier die gleichberechtigte Teilhabe aller und die Sicherheit vor der Übernahme durch renditegetriebene Investoren.

Zur besseren Verzahnung von gesundheitlicher Versorgung, Prävention und Sozialarbeit haben wir uns zudem vorgenommen, in NRW in fünf Modellregionen gemeinwohlorientierte, multiprofessionelle Gesundheitszentren einzurichten. In diesen Gesundheitszentren sollen Ärztinnen und Ärzte mit weiteren therapeutischen, sozialpädagogischen und pflegerischen Berufen wie Gemeindepflegekräften oder Community Health Nurses zusammenarbeiten. Das Ziel dabei ist, die Patientinnen und Patienten ohne Versorgungsbrüche unter einem Dach gesundheitlich zu beraten und zu behandeln.

Wir sind in der Koalition mit dem Anspruch angetreten, dass sich alle Menschen in NRW auf eine gute und wohnortnahe gesundheitliche Versorgung auch im ländlichen Raum verlassen können. Mit einem breiten Aktionsprogramm sind wir jetzt auf einem guten Weg, die gefährdete hausärztliche Versorgung für die Patientinnen und Patienten in NRW auch künftig zu sichern. Angesichts des demografischen Wandels dürfen und werden wir mit unseren Aktivitäten auch nicht nachlassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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