Mehrdad Mostofizadeh: „Wir müssen beim Thema ‚Pflege im Alter‘ sicherlich auch mehr Geld auf den Tisch legen“

Zum Antrag der SPD zur Pflege

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Pflege ist mir nicht nur ein besonderes Anliegen, sondern ich habe selbst 16 Jahre lang in der Pflege den Kittel angehabt, dort sehr viele Menschen kennengelernt und es schätzen gelernt, beim Wohlfahrtsverband zu arbeiten, der hochprofessionell aufgestellt war. Trotzdem gab es Riesenprobleme bei der Arbeit im stationären Bereich. Das ist viele Jahre her. Heute ist es deutlich schwieriger geworden als damals. Es gibt viel Ausbaubedarf und viel zu tun.

Was ich sehr geschätzt und geliebt habe, war die ambulante Pflege, weil man sehr viele Menschen in ihrer häuslichen Umgebung und neue Situationen, die man selbst als junger Mensch vielleicht nicht vor Augen hatte, kennenlernen durfte. Ich bin sehr dankbar für die Zeit, die ich dort verbracht habe, da ich viele sehr spannende Menschen kennengelernt habe.

Allerdings musste ich – das will ich sehr deutlich sagen – auch viele Enttäuschungen erleben, weil man sich als Pflegender immer wieder Situationen ausgesetzt sah, in denen man dachte: Da hättest du eigentlich mehr tun müssen. Da hätte das System besser sein müssen. – Es gab auch Situationen, in denen man aus einer Wohnung herausging, in der man pflegende Angehörige unterstützt hat, und dachte: Puh! Das nächste Mal kommt in acht Stunden jemand. Eigentlich müsste die ganze Zeit jemand da sein.

All das kenne ich. Deswegen bin ich auch sehr engagiert bei diesem Thema, und das gilt auch für die grüne Fraktion. Wir haben, meine ich, beim Koalitionsvertrag sehr intensiv darum gerungen, darin konkrete Punkte aufzuschreiben.

Da der Kollege Klute sich in seiner Rede mit seinem eigenen Antrag nur allenfalls am Rande beschäftigt hat, möchte ich mich gerne mit dem Antrag der SPD beschäftigen.

Der erste Vorwurf, wir würden nur nach Berlin zeigen, zeigt auf Sie zurück, weil der erste Satz Ihrer Forderung ist, dass die Landesregierung aufgefordert wird, eine Bundesratsinitiative zu machen. Insofern: Wer zeigt nach Berlin? Sie oder wir?

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Alexander Vogt [SPD]: Davon haben wir doch gar nicht gesprochen! – Zuruf von Josef Neumann [SPD])

Das ist aber gar nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist etwas anderes. Wir haben ein ziemlich klares Bild von Pflege, und das ist auch im Koalitionsvertrag niedergelegt. Es geht nicht nur um eine einzelne Gruppe der stationären oder der ambulanten Pflege. Vielmehr haben wir das Bild, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind; dass alle Menschen Teil der Gesellschaft sind.

Wenn es eine inklusive Stadtentwicklung gibt, wenn es einen guten öffentlichen Gesundheitsdienst gibt, wenn es einen funktionierenden ÖPNV gibt, mit dem man auch barrierefrei eine Station erreichen kann, dann ist viel für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen getan – insbesondere für die vulnerablen Gruppen, die in ganz besonderer Weise darauf angewiesen sind.

Herr Kollege, deswegen gibt es einzelne Elemente, die wir ausdrücklich unterschreiben würden, nämlich zum Beispiel das, was die Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit von pflegenden Angehörigen betrifft. Was die doppelte Pflegegarantie angeht, ist das aber in der Tat sehr viel Bund. Da haben wir auch ein Konzept vorgelegt.

Fairerweise muss man auch sagen, dass man da gar nicht in Richtung Lauterbach zeigen muss, weil es Festlegungen im Koalitionsvertrag gibt. Ich gehe mal davon aus, dass alle drei Koalitionspartner so fair sind, diesen Koalitionsvertrag abzuarbeiten.

Da geht es etwa um die Dynamisierung des Pflegegeldes und um eine elternzeitähnliche Freistellungsgarantie für einen flexiblen Ein- und Ausstieg bei Pflegeleistungen, wobei wir uns – Sie wahrscheinlich auch – da mehr erwartet hätten. Aber das kann ja noch kommen, und ich bin auch gerne bereit, zu unterstützen, wenn es darum geht, Kolleginnen und Kollegen in Berlin anzusprechen bzw. in der Sache vorzugehen.

Wir setzen aber nicht auf ein Modell, das eine allwissende Krankenschwester, also die GemeindeschwesterPlus, im Quartier umfasst. Da haben wir andere Vorstellungen. Das können wir in der Diskussion gerne aufgreifen.

Wir sind der Meinung, dass Pflegende, zu Pflegende, Gepflegte und auch nicht unmittelbar Beteiligte auf Augenhöhe ihr Quartier gestalten sollten und die Zuschnitte im Quartier so sein sollten, dass es Menschen gibt, die das Ehrenamt stärken und dafür sorgen – möglicherweise auch als Wohlfahrtsverband –, Menschen, die zu Hause pflegen, zu schulen und dafür auch gutes Geld zu bekommen.

Diese Strukturen sollen sehr klar aufgebaut werden. Dazu gibt es sehr klare Festlegungen in unserem Koalitionsvertrag. Ich könnte das gerne zitieren. Teilweise scheint es in Ihrem Antrag dort, wo dies um Quartiersbüros, Pflegestützpunkte, aber auch um hauptamtliche Quartiersmanagerinnen geht, die die Pflege im Quartier stützen soll, als Vorlage gedient zu haben.

(Zuruf von Rodion Bakum [SPD])

Deswegen freue ich mich natürlich auf die Diskussion im Ausschuss, will aber sehr klar sagen: Wir müssen beim Thema „Pflege im Alter“, was die Unterstützungsmaßnahmen anbetrifft, sicherlich auch mehr Geld auf den Tisch legen. Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir mit allen Trägern, also mit dem Bund und den gesetzlichen Krankenkassen – eigentlich auch die privaten, allerdings haben die gesetzlichen einen klaren Auftrag – sowie mit der Selbsthilfe und vielen anderen Partnerinnen und Partnern, zu Lösungen kommen müssen.

Ich werde jetzt versöhnlich enden. Nehmen wir die Diskussion auf. Gute Konzepte haben wir allemal. Deswegen lohnt es sich, die besten auf den Tisch zu legen und am Ende zu verabschieden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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