Mehrdad Mostofizadeh: „Da haben wir ja Vorbildcharakter“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich war etwas überrascht, als ich diese Anträge auf der Tagesordnung für das Plenum gesehen habe, weil wir Grünen der Auffassung waren, dass der Teilhabebericht erst einmal ausführlich in den Ausschüssen diskutiert werden sollte. Immerhin – der Kollege Neumann hat darauf hingewiesen – umfasst der Bericht 300 Seiten. Das gilt aber nicht nur wegen der Stärke des Berichtes, sondern auch, weil einiges an dem Bericht noch auszuwerten ist.
Deswegen danke ich den Kolleginnen und Kollegen dafür, dass es da eine Kehrtwende gegeben hat, wir die Anträge jetzt in die Ausschüsse überweisen und sie zum Anlass nehmen können, uns dem Bericht etwas intensiver zuzuwenden. Wir haben das ja für die nächste Ausschusssitzung beantragt.
Einige Worte zum Bericht selbst: Im Bericht wird ja ausgeführt, dass es in einigen doch durchaus interessanten, wichtigen und wesentlichen Bereichen der Lebenswelt der Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die Datenlage einen erheblichen Nachholbedarf gibt. In Bezug auf die Barrierefreiheit in Schulen, im Lebensumfeld, in Kultureinrichtungen müsste noch einiges erhoben und ausgeführt werden.
Ein ganz wichtiger Bereich, der noch nicht angesprochen worden ist, ist das Thema der Gewalterfahrungen von Menschen mit Behinderungen – insbesondere in Einrichtungen, aber auch im häuslichen Umfeld. Auch dort sind die Zahlen leider negativ beeindruckend. Das ist nicht ganz neu, aber es ist eine Situation, mit der wir uns intensiv auseinandersetzen sollten.
Wichtig wäre mir auch – ein Brückenschlag zurück zum häuslichen Bereich bzw. zum Lebensumfeld der Menschen mit Behinderungen – das Feld der Mobilität und der Mobilitätsbedürfnisse von Menschen mit Behinderungen. Wir haben es schon bei der Landesbauordnung und in vielen anderen Zusammenhängen kritisiert, diskutiert und vorgetragen: Eine Stadtentwicklungspolitik bzw. eine Politik für die Menschen in diesem Lande unter Ausklammerung einer ganz wesentlichen Gruppe der Menschen kann eigentlich nicht funktionieren.
Wenn wir die Bedarfe dieser Personengruppe nicht ausführlich diskutieren, analysieren und Schlüsse daraus ziehen, machen wir ein Stückwerk, weil wir dann auch in einer älter werdenden Gesellschaft einen ganz wesentlichen Teil der Menschen in diesem Lande ein Stück weit ausklammern.
Herr Kollege Lenzen, ein Aspekt ärgert mich. Wenn Sie anhand dieses Berichtes zur Inklusion, der ja in Bezug auf das Thema „Bildung“ eine relativ klare Sprache spricht – nämlich, dass Inklusion im Wesentlichen an den Grund- und Gesamtschulen stattfindet und die Zahlen ansonsten bis hin zum Gymnasium in verschwindend geringe Bereiche heruntergehen –, eine schulpolitische Debatte aufziehen, die eigentlich vier oder fünf Jahre zurückliegt – damals haben Sie in Bezug auf die Verstärkung dieser Inklusion, dieses Zusammenlebens von Schülerinnen und Schülern schon wesentliche Fehlentscheidungen dahin gehend getroffen, alte Strukturen wie Kleinstförderschulen per Kampf aufrechtzuerhalten, infolge derer Lehrerinnen und Lehrer sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen von den Gesamtschulen aus bestehenden Strukturen zurückgeholt worden sind –, dann finde ich das schon einigermaßen abenteuerlich.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Herr Minister, ich mache aber einen positiven Aufruf: Wir haben meiner Meinung nach mit diesem Bericht die Chance, uns noch intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen.
Ich unterstreiche ausdrücklich das, was die Kollegen von der CDU bzw. der FDP in Bezug auf die Erwerbsarbeit gesagt haben.
Wir müssen uns aber ganz intensiv mit dem Lebensfeld der Menschen auseinandersetzen. Deswegen unterstreiche ich sehr ausdrücklich das, was Kollege Neumann gesagt hat.
Wir können nur mit den Betroffenen, mit den Menschen und vor allem auch mit den Fachleuten diskutieren – das ist also keine Betroffenheitsrhetorik –, was zu analysieren ist, was noch fehlt und was noch draufzusatteln ist.
Eines muss doch klar sein: Das größte Bundesland mit einer so starken pflegerischen und sonstigen Infrastruktur – da haben wir ja Vorbildcharakter – muss in der Lebenswelt der Menschen von der Geburt, den Krankenhäusern und der Kita über die Schule bis zum lebenslangen Lernen und zur Stadtentwicklungspolitik eine umfassende Antwort darauf geben, wie wir das Leben der Menschen, und zwar aller Menschen, in diesem Bundesland verbessern und systematisch ausbauen können.
Deswegen freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss und kündige schon an, dass wir innerhalb der Anhörung auch in Teilbereichen genau über diese Aspekte diskutieren wollen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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