Lena Zingsheim-Zobel: „Schule muss ein Ort des Respekts sein und bleiben“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von SPD und FDP zu Gewalt an Schulen

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Feller sprach es eben schon an. Schulen sind mehr als ein reiner Lernort. Schulen sind Orte des Zusammenlebens, des Miteinanders und des Voneinanderlernens. Wir müssen darauf reagieren, dass mehr Gewalt an Schulen passiert, denn Schule muss ein Ort des Respekts sein und bleiben.

Verrohung von Kommunikation, Drohungen und Gewalt finden gerade überall in unserer Gesellschaft statt. Da schaue ich gezielt nach rechts, von wo aus ausschließlich Hass und Hetze verbreitet werden.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Martin Vincentz [AfD]: Ausschließlich!)

Sie verschieben die Grenzen dessen, was in diesem Land in Ordnung ist und was nicht. Es kann nicht sein, dass die Gesellschaft und die Politik das in anderen Bereichen vorleben.

Schauen Sie nur in die USA, in denen ein verurteilter Straftäter nun US-Präsident ist. Schauen Sie nach Russland, von wo aus Putin auf brutalste Art und Weise versucht, die Ukraine zu vereinnahmen.

(Lachen von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])

Schauen Sie auf unsere Geschichte, aus der wir glaubten, gelernt zu haben, aber nun müssen wir gegen rechtsextreme Kräfte kämpfen, und im Bund werden Mehrheiten mit der AfD gefunden.

Schulen sind die Basis für eine funktionierende Demokratie. Sie sind ein Ort, an dem alle Menschen zusammenkommen. Sie sind ein Ort der Begegnung und damit ein elementarer Bestandteil unseres Landes. Das zeigt, wir haben die Aufgabe, diese Orte als sichere Lern- und Lebensräume zu erhalten.

Eine VBE-Umfrage zeigt, dass 79 % der Lehrkräfte schon mal psychische Gewalt von Eltern erlebt haben. Klar ist: Jeder Angriff auf eine Lehrkraft ist ein Angriff auf unseren Staat. Es kann nicht sein, dass in Schule gegeneinander gearbeitet wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es braucht ein Miteinander, eine Partnerschaft zwischen Eltern und Lehrkräften.

Ja, es geht auch Gewalt von Kindern aus, aber seien Sie doch mal ehrlich: Kein Kind wird absichtlich gewalttätig eingeschult. Kein Kind wendet Gewalt einfach nur zum Spaß an. Es sind Bewältigungsversuche, da sie ratlos hinsichtlich dessen sind, welche Werkzeuge sie sonst verwenden könnten, um mit Druck, Konflikten und Unsicherheiten zurechtzukommen.

Angesichts dieser Realität müssen wir die Schulen stärken. Jede Lehrkraft ist um diejenigen Kinder besorgt, die ohne Gewalt nicht mehr weiter wissen. An uns als Politik ist es, ihnen dafür die Kapazitäten, den Rückhalt zu geben. Keine Lehrkraft darf sich angesichts der Vielzahl der Herausforderungen allein fühlen.

Aufklärung ist an dieser Stelle richtig und wichtig. Immer wieder zeigen uns Studien, dass die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in einer prekären Lage ist. Es geht vielen nicht gut, und das ist nicht verwunderlich – Corona wurde eben schon angesprochen. Verantwortlich sind wir als Gesamtgesellschaft, und für diese wiederum stehen wir als Politikerinnen und Politiker in besonderer Verantwortung.

Aladin El-Mafaalani und andere drücken es in dem neuen Buch „Kinder – Minderheit ohne Schutz“ so aus – ich zitiere –:

Kinder und Jugendliche müssen in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Politik einen anderen Stellenwert bekommen. Deshalb müssen wir Schulen als Spiegel unserer Gesellschaft ernst nehmen. Wir müssen hier handeln.

Aus dem bisher Gesagten leite ich folgende Maßnahmen ab. Wir müssen mit Dingen, von denen wir wissen, dass sie funktionieren, weitermachen. Frau Engin, bei aller Liebe: Wir machen da unfassbar viel und haben im vergangenen Jahr trotz angespannter Haushaltslage zum Beispiel die Schulsozialarbeit ausgebaut, die schulpsychologischen Beratungsstellen gestärkt. Wir gehen die Stärkung und den Ausbau von multiprofessionellen Teams an. Die Ausweitung von Präventionsprogrammen wie „MindOut“ ist dabei zielführend.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zum Schluss noch zwei Gedanken, die mir eben kamen und die ich in den letzten Tagen mit mir herumgetragen habe.

Der eine ist, dass gute Präventionsarbeit vor allen Dingen auch dann wichtig ist und akzeptiert wird, wenn sie von außerschulischen Partnerinnen gemacht wird. Lassen Sie uns deshalb doch einmal ausprobieren, Polizei und Schule stärker zu verzahnen.

Wir alle erinnern uns bestimmt noch an die Bezirkspolizistinnen, die in der Verkehrserziehung den Fahrradführerschein abgenommen haben. Warum können denn Polizistinnen nicht auch in der weiterführenden Schule als Partnerinnen, Ansprechpartnerinnen für ein gemeinsames Miteinander und für einen Umgang mit Respekt auftreten?

(Beifall von den GRÜNEN)

Der andere Gedanke richtet sich an eine große gesellschaftliche Gruppe, die sogenannten Babyboomer-Jahrgänge. Ich glaube nicht, dass Personalmangel Gewalt auslösen würde. Das halte ich für einen gedanklichen Kurzschluss, Frau Engin. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch diesen Schritt eine positive Stimmungsveränderung an vielen Schulen anstoßen.

Auch dazu machen Aladin El-Mafaalani und andere einen Vorschlag. Würde sich nur jeder Zehnte dieser Jahrgänge nach Eintritt in die Rente ehrenamtlich und sozial zum Beispiel in Kitas und Schulen engagieren, dann wären das mehr Menschen als alle derzeit tätigen Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte zusammen. Sie könnten generationsübergreifend vorlesen, mit Kindern spielen und musizieren. All das wäre ein großer Gewinn für unsere Kinder und damit für unsere Zukunft.

Zum Schluss – nach allem, was schon gesagt wurde – möchte ich eines noch einmal klarstellen: Wir werden uns nicht damit abfinden, dass der Zustand unserer Schulen so ist, wie er ist. Wir werden jeden Hilferuf ernst nehmen. Wir werden Lösungsmöglichkeiten ausloten, und wir werden handeln. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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