Julia Eisentraut: „Wissenschaft ist eine fundamentale Säule unserer Demokratie“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Wissenschaft und Forschung

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Ich fange mit dem Wichtigsten an: Wissenschaft ist eine fundamentale Säule unserer Demokratie. Deshalb ist der Schutz der Wissenschaftsfreiheit ohne jede Frage essenziell.

Das Gute ist doch, dass wir als demokratische Fraktionen hier im Haus diese Einschätzung teilen. Doch das, was uns von der SPD vorliegt, ist kein sinnvoller, langfristig durchdachter Plan dafür, wie wir unseren Wissenschaftsstandort strategisch stärken oder uns weltweit für die Unterstützung der Wissenschaftsfreiheit einsetzen. Weil Wissenschaftsfreiheit so wichtig ist, verdient sie mehr als Symbolpolitik.

Die Entwicklungen in den USA sind dramatisch. Die gezielten Einschränkungen durch die Trump-Administration sind ein Angriff auf demokratische Grundprinzipien. Es ist gut, wenn sich dem auch die Universitäten in den USA entgegenstellen.

Doch die Antwort darauf kann doch nicht sein, dass wir pauschal Mittel für Abwerbeprogramme bereitstellen – ohne Strategie, ohne Nachhaltigkeit und ohne Rücksicht auf die Belastungen in unserem eigenen deutschen Wissenschaftssystem. Wissenschaftsfreiheit lebt von stabilen, langfristigen Strukturen und nicht von kurzfristigen Reaktionen auf Schlagzeilen.

Deshalb bedeutet Wissenschaftsfreiheit auch, die Bedingungen bei uns zu verbessern. Wir müssen die Wissenschaftsfreiheit bei uns weiter stärken und insbesondere Wissenschaftler*innen vor Angriffen von rechts schützen. Das bedeutet aber auch, für faire Beschäftigungsverhältnisse zu sorgen, Schutz vor Diskriminierung sicherzustellen und verlässlichere Karrierewege zu schaffen. Denn auch bei uns arbeiten junge Wissenschaftler*innen in prekären Systemen: Kettenverträge, unsichere Perspektiven, wenig Planbarkeit. Das ist eine der Bedrohungen der Wissenschaftsfreiheit bei uns.

Wir müssen ein solides Fundament bei uns schaffen, damit wir international glaubwürdig für Wissenschaftsfreiheit eintreten können.

Deshalb dürfen Abwerbungen aus den USA gerade bei knappen Haushaltsmitteln nicht dazu führen, dass bei uns mehr Konkurrenz aufgebaut wird und sie damit zulasten heimischer Wissenschaftler*innen gehen. Der Wettbewerb um Stellen ist schon jetzt hochkompetitiv. Zusätzliche Konkurrenz ohne strukturelle Verbesserungen führt zu mehr Frust und Ungleichheit im System. Auch das beobachten wir in Deutschland an anderer Stelle gerade.

Wir brauchen Kooperation, nicht Konkurrenz. Wir brauchen echte Perspektiven für alle, nicht selektive Programme für wenige.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dazu gehört auch, Partnerschaften zu stärken, statt Abwerbungen zu fördern. Unsere Antwort auf Angriffe auf Wissenschaftsfreiheit weltweit kann doch nicht sein, Brain Drain zu fördern. Vielmehr sollte sie lauten: Solidarität durch Zusammenarbeit gerade jetzt.

Bestehende Kooperationen mit US-amerikanischen Universitäten und US-amerikanischer Forschung sollten nicht gekappt, sondern gestärkt werden. Gerade in geopolitisch anstrengenden Zeiten ist Wissenschaft nämlich Brückenbauerin, nicht Akteurin geopolitischer Rekrutierungsmaßnahmen. Deshalb verdient Wissenschaftsfreiheit mehr als hektisch eingerichtete Fonds und Symbolpolitik. Wir brauchen langfristige, faire Strukturen für Forschende hier wie auch weltweit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darüber können wir im Ausschuss gerne noch mal diskutieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Was hier der Vorredner der AfD gesagt hat, kann man so nicht unwidersprochen stehen lassen.

Erstens: Die AfD ist eine Feindin der Wissenschaftsfreiheit.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Dr. Martin Vincentz [AfD]: Unsinn!)

Bei jeder Gelegenheit, die sich hier im Parlament bietet, diskreditiert sie Wissenschaftler*innen, die sich am wissenschaftlichen Konsens orientieren, sobald es der AfD nicht in den Kram passt. Sie bestreitet fundamentale Prinzipien davon, wie Wissenschaft zu Konsens kommt.

Zweitens: Die AfD stellt sich hier dar, als würde sie Antisemitismus bekämpfen. Doch Antisemitismus in Deutschland kommt vor allem von rechten und rechtsextremen Gruppierungen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Weil wir wissen, dass Jüdinnen und Juden an unseren Hochschulen Schutz brauchen, haben wir gemeinsam hier in diesem Haus vor zwei Jahren einen Antrag dazu verabschiedet und Maßnahmen ergriffen, um Antisemitismus an unseren Hochschulen zu bekämpfen – und das zeigt auch jetzt schon Wirkung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)