Julia Eisentraut: „Wir lassen heute nicht zu, dass die AfD Antisemitismus instrumentalisiert“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der "AfD"-Fraktion zu antisemitischen Vorfällen in NRW

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Wir lassen heute nicht zu, dass die AfD Antisemitismus instrumentalisiert. Denn Antisemitismus ist eine reale und wachsende Bedrohung in Deutschland – nicht als Randerscheinung, sondern mitten in unserer Gesellschaft. Das dürfen wir so nicht hinnehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Antisemitismus ist eine reale Bedrohung für jüdisches Leben, für unsere offene Gesellschaft, für unsere Demokratie.

Der Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus NRW – kurz RIAS – ist ein eindringlicher Beleg dafür. 940 Vorfälle in 2024, ein Anstieg um 42 % gegenüber dem Vorjahr! Diese Zahl ist erschütternd. Doch sie ist mehr als eine Statistik. Sie steht für Einschüchterung, für Ausgrenzung, für Gewalt. Sie steht für das Gefühl vieler Jüdinnen und Juden, in Deutschland nicht mehr sicher zu sein – nicht auf der Straße, nicht in der Schule, nicht an unseren Hochschulen.

Für uns Demokrat*innen ist klar: Die Sicherheit jüdischen Lebens ist nicht verhandelbar. Sie ist eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Antisemitismus ist in Deutschland und weltweit seit dem 7. Oktober 2023 stark gestiegen. An diesem Tag hat die Terrororganisation Hamas den Staat Israel und seine Menschen brutal angegriffen. Die Hamas verfolgt das Ziel, Israel von der Landkarte zu löschen. Der angegriffene Staat Israel hat dann das Recht, sich zu verteidigen.

Doch Mitgefühl und Anteilnahme müssen wir gleichzeitig mit den israelischen Opfern und den Menschen in Gaza haben. Der Schutz von Menschenleben muss überall gleichzeitig möglich sein.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Mich erschüttert die katastrophale humanitäre Lage in Gaza. Die Menschen vor Ort brauchen jetzt Wasser, Lebensmittel, medizinische Versorgung und Schutz vor Angriffen. Es muss auch bei uns ausreichend Raum geben, über diese Forderungen zu reden, über die verzweifelte Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung zu sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Klar ist dabei auch: Diese Räume müssen frei von Antisemitismus sein. Das schreckliche Leid der Menschen in Gaza ist keine Entschuldigung für Antisemitismus.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die AfD macht in ihrem Antrag die Hochschulen als vermeintlichen Herd von Antisemitismus aus. Für uns ist klar: Auch Hochschulen müssen frei von Antisemitismus sein. Umso mehr besorgt mich, wie viele der feigen antisemitischen Vorfälle auch an Hochschulen stattfanden, an dem Ort, an dem junge Menschen lernen und sich entfalten können sollen. Gerade an Hochschulen darf kein Platz für Menschenfeindlichkeit und unhaltbare antisemitische Verschwörungserzählungen sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Hochschulen stehen für Wissenschaft, für Aufklärung und für Freiheit. Das muss auch so bleiben.

Dass die AfD dabei nichts auf Fakten gibt, ist nichts Neues. Doch in dieser Woche bricht sie einen Rekord. Die Hochschulrektorenkonferenz, der Zusammenschluss der Leitungen deutscher Hochschulen also, hat erst diese Woche sehr deutlich gemacht: Hochschulen werden weiterhin gegen jede Form von Antisemitismus vorgehen.

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Wenn jüdische Studierende sich aus Angst zurückziehen und ihre Identität verstecken, dann ist das ein Angriff auf die Grundwerte unserer Hochschulen und auch auf unsere Demokratie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die AfD instrumentalisiert hier also das ernste Thema „Antisemitismus“ für ihre rassistischen Ziele. Sie behauptet, Antisemitismus sei ein Importproblem. Dabei ist Antisemitismus tief in der Mitte unserer Gesellschaft verwurzelt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Statt nur zu reden, handeln wir – gegen jegliche Form der Menschenfeindlichkeit: Beratungsstellen, Schulungen, Gesetzesreform. Das ist der Unterschied zwischen Verantwortung und billigem Rechtspopulismus, wie er hier vorgetragen wird.

(Beifall von den GRÜNEN und Christina Kampmann [SPD])

Genau aus diesem Grund haben wir hier gemeinsam ein Maßnahmenpaket für die Hochschulen verabschiedet: eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene, die Vorfälle dokumentiert und berät, Schulungen für Hochschulangehörige zu Antisemitismus, Krieg im Nahen Osten und Israelfeindlichkeit sowie eine Weiterentwicklung des Hochschulgesetzes, die Diskriminierung wirksam begegnet. Wir wollen nämlich Hochschulen, in denen sich alle sicher fühlen, in denen Vielfalt gelebt wird, in denen jüdisches Leben sichtbar und geschützt ist. Dafür arbeiten wir gemeinsam und solidarisch.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Doch jetzt noch einmal in aller Deutlichkeit zur AfD: Sie stellen sich hierhin und tun so, als wollten Sie jüdisches Leben schützen. Sie tun so, als wollten Sie Antisemitismus bekämpfen. In Wahrheit nutzen Sie das Thema, um Hochschulen zu diskreditieren und politische Kontrolle über die Wissenschaft zu erlangen. In den USA streicht Donald Trump den Hochschulen gerade die Mittel mit der Aussage, sie würden nicht genug gegen Antisemitismus vorgehen. In Wahrheit geht es um Einschüchterung, um Macht und um das Ende freier Wissenschaft.

Was Donald Trump dort gemacht hat, das versucht die AfD hier vorzubereiten: Hochschulen unter Generalverdacht stellen, linke und migrantische Gruppen pauschal angreifen und am Ende Wissenschaft gleichschalten. – Das ist nicht der Kampf gegen Antisemitismus. Das ist autoritäre Agenda getarnt als Sorge um jüdisches Leben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Sie instrumentalisieren hier die wichtige Arbeit der Meldestelle RIAS, während Sie regelmäßig hier im Plenum alle anderen Meldestellen ablehnen und diskreditieren. Wir setzen auf Aufklärung, die AfD auf Einschüchterung. Wir stärken Wissenschaft, Sie schwächen sie. Wir bekämpfen Antisemitismus in NRW und das auch klar an unseren Hochschulen. Wir stehen an der Seite der Betroffenen, konsequent und solidarisch, sowie an der Seite einer offenen demokratischen Wissenschaft. Denn nur so bleibt unsere Gesellschaft wehrhaft und bleiben unsere Hochschulen Orte der Freiheit und des Schutzes. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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