Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! So gern ich über das Thema „digitale Souveränität“ rede: Das mit etwas mehr Substanz und weniger in Headlines zu tun, wäre gut.
(Kirsten Stich [SPD]: Oh!)
Digitale Souveränität ist nämlich zweifelsohne eine der größten sicherheitspolitischen Fragen unserer Zeit.
Es geht um mehr als nur die Fragen, wer Medien kontrolliert und wo unsere Daten liegen. Es geht um die folgenden Fragen: Wo werden unsere Computer und Smartphones produziert? Wie reagieren Menschen auf Desinformationen im Netz? Wer kontrolliert Kommunikationssatelliten im All? Wie schaffen wir es, Lehrkräfte für Künstliche Intelligenz fit zu machen?
Es geht also um Teilhabe, Freiheit und Innovation sowie darum, wie wir als Gesellschaft mit Digitalisierung insgesamt umgehen wollen.
Die SPD thematisiert in ihrem Antrag vor allem die zunehmende Marktmacht von globalen Techkonzernen und deren Auswirkungen auf Meinungsfreiheit.
Die 180-Grad-Wende, die wir in den USA sehen konnten, ist dafür ein krasses Beispiel. Mein Instafeed hat sich seit der Übernahme der Macht durch Trump massiv geändert. Mir werden Desinformationen eingespielt, die vorher nicht vorhanden waren, bzw. Falschinformationen, die ich mehrfach melden kann, und trotzdem bleibt es immer dabei.
Das zeigt, wie wenige Männer in den USA unsere Öffentlichkeit und unsere Wahrnehmung beeinflussen. Das können wir so nicht hinnehmen. Das ist uns allen doch klar.
(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])
Die Frage muss lauten: Was können wir in landespolitischer Verantwortung tun? Der Antrag ist echt ein wilder Ritt durch alle politischen Ebenen – unabhängig davon, ob wir einen Einfluss haben.
(Jochen Ott [SPD]: Genau!)
Was tun wir als Zukunftskoalition für digitale Souveränität?
(Alexander Vogt [SPD]: Nix!)
Wir sagen erst einmal: Sie muss Leitprinzip sein. Digitalisierung heute ohne digitale Souveränität zu denken, wird nicht mehr funktionieren.
Wir tun viel Konkretes: offene Standards, Open-Source-Vorgaben, der Aufbau eines NRW-Knotens in der Deutschen Verwaltungscloud.
IT.NRW wird den sogenannten souveränen Arbeitsplatz „nrw-desk“ bereitstellen.
Wir fördern ein Security Operations Center für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften.
Mit dem Aktionsplan gegen Desinformation, den meine Vorrednerin angesprochen hat, und der Stärkung der Landesanstalt für Medien NRW gehen wir gezielt gegen Desinformation vor.
Alle diese Maßnahmen können wir als Land treffen und umsetzen, was wir auch tun, weil digitale Souveränität Grundlage unseres Handelns in der Digitalisierung ist.
Dann gibt es aber auch Sachen, bei denen es schwierig wird, sie auf Landesebene zu tun. Wenn allein wir in Nordrhein-Westfalen sagen, dass Tech-Konzerne so oder so nicht handeln dürfen, dann hat das kaum Einfluss. Dafür ist NRW nicht groß genug. Wenn das aber wir als Europäische Union gemeinsam sagen, dann verändern sich Dinge.
Das haben wir schon bei der Datenschutz-Grundverordnung gesehen, die dann weltweit zum Standard vieler Tech-Konzerne wurde und den Maßstab für Datenschutz und den Schutz der persönlichen Freiheit online setzt. Genauso funktionieren auch der Digital Services Act und der Digital Markets Act, den wir in der Umsetzung ja aktiv begleiten. Wir sind aber eben nicht das passende Organ für die Gesetzgebung dazu. Das wird in dem Antrag auf weiter Strecke ignoriert.
Was wollen wir? Wir wollen Digitalisierung, die den Menschen dient, gestalten – als gemeinwohlorientierte Politik. Egal, ob jung oder alt, müssen sich alle digital souverän bewegen können, am besten so, dass sie das gar nicht merken. Der Staat muss digitaler werden, nicht, weil es cool klingt, sondern um den Alltag zu erleichtern und um Technik anzuwenden, die Teilhabe ermöglicht, die Leistung dahin bringt, wo die Menschen sie brauchen, und die den Alltag vereinfacht.
Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz gestalten wir wertebasiert – das haben wir hier beschlossen –, weil uns wichtig ist, dass sie zu unseren Werten passen. Es ist wichtig, Menschen beizubringen, wie sie KI sinnvoll einsetzen.
Noch ein paar Worte zu den Partnerschaften. Digitale Souveränität kann nicht Autarkie bedeuten. Wir leben in einer Welt, in der auch Lieferketten auch im Softwarebereich total komplex sind. Wenn Sie heute Software entwickeln, dann beinhaltet das unzählige Bibliotheken, die rund um die ganze Welt entwickelt werden. Wenn wir sagen, dass wir das alles nicht mehr einsetzen, dann fangen wir, glaube ich, einmal bei null an, was das Internet angeht.
Ich glaube, dass vielen nicht bewusst ist, dass Digitalisierung heute ein global gestütztes Phänomen ist. Es geht um Risikominimierung. Es geht um die Frage, wie viele Risiken man eingeht und ob man Alternativpläne hat. Mit Blick auf Risikoabwägung, die Forderung nach Alternativplänen und die Frage, bis zu welcher Grenze das okay ist, kann man der Landesregierung aber nicht Totalversagen vorwerfen.
(Beifall von den GRÜNEN, Andrea Stullich [CDU] und Heike Wermer [CDU])
Das ist doch das Problem, das wir hier heute diskutieren.
Lassen Sie uns in den Ausschüssen über digitale Souveränität reden, gerne auch begrenzt auf das, was wir hier wirklich gestalten können, und mit ein bisschen mehr Substanz und weniger mit tollen Headlines, die dann vielleicht abgedruckt werden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Was wir hier erleben, ist der digitalpolitische Offenbarungseid der SPD –
(Zurufe von der SPD: Oh!)
nichts als Headlines und Plattitüden, die nicht einmal alle etwas mit dem Thema zu tun haben. Sie werfen hier faire KI und digitale Souveränität durcheinander, als wäre es das Gleiche.
Sie haben uns den Antrag angeboten. Das Angebot war, ihn auf Fachebene zu diskutieren. Das haben Sie nicht getan – ich glaube, weil Sie Angst haben, dass dann, wenn Fachpolitiker*innen über diesen Antrag schauen, herauskommt, dass Sie, Herr Ott, und Sie, Herr Vogt, nichts anderes können als Plattitüden und einen verengten Blick auf unsere Medienlandschaft, auf unsere Forschungslandschaft und auf Digitalisierung.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD)
– Ja, Sie können sich jetzt hier selbst betrauern. Aber ganz ehrlich: Machen Sie doch einfach einmal konkrete Vorschläge, die man umsetzen kann. Erklären Sie, wie wir Abhängigkeiten in der Lieferkette von Software reduzieren. Machen Sie das, was wir machen: Setzen Sie sich mit fairer KI auseinander und damit, wie wir das in unseren Schulen sicherstellen können. Dann werden Sie merken: Das ist alles nicht so einfach.
Noch ein Satz hintendran: Sie gebrauchen immer dieses Narrativ von „Wir sind so abgehängt“. Wissen Sie was? Unsere Forschungslandschaft arbeitet jeden Tag hart daran, Alternativen zu schaffen, nämlich Alternativen, die unseren Werten genügen. Wir sind nicht abgehängt. Unsere Forschenden, unsere Unternehmen würden etwas in dieser Qualität so einfach nicht auf den Markt bringen. Deshalb unterstütze ich auch gerne unsere Forschungsanliegen hier in NRW, weil sie vertrauenswürdige KI, digitale Souveränität und alles andere in den Mittelpunkt stellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vielleicht macht es Sinn, so einen Antrag einfach einmal auf der Fachebene zu diskutieren. Das hatten Sie nicht vor. Jetzt müssen Sie damit leben, dass alle anderen ihn inhaltlich zerpflücken können. Den Rest spare ich mir für die dritte Runde auf. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der dritteRedebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen! Dass man nach dieser Debatte Sachlichkeit einfordert, wenn Herr Vogt in der zweiten Runde nicht einmal über das Thema redet, ist schon echt bewundernswert.
(Ina Blumenthal [SPD]: Ja, ja, von Ihnen gelernt!)
Vielleicht schaffen wir es irgendwann, uns nicht mehr gegenseitig zu bewerten, sondern zur Sache zu reden.
(Sven Wolf [SPD]: Guter Vorschlag! – Zurufe von Kirsten Stich [SPD] und Jochen Ott [SPD])
Sie müssen mir parlamentarische Abläufe nicht erklären.
Es ist aber schon bewundernswert, dass Sie sich hier nicht trauen
(Kirsten Stich [SPD]: Nicht zu fassen!)
und Angst haben, den Antrag – Sie haben in der zweiten Runde beklagt, wir hätten nicht darüber reden wollen – an die Fachebene zu geben.
(Kirsten Stich [SPD]: Ausgerechnet die Grünen! Unfassbar! – Weitere Zurufe von der SPD)
– Nein, Sie haben vorhin beklagt, Sie hätten keine Antwort bekommen, als es das Angebot gab, gemeinsam darüber zu reden.
(Ina Blumenthal [SPD]: Es ist eine Überweisung in einen Ausschuss! – Andrea Busche [SPD]: Er geht in die Ausschüsse!)
Unsere Landesregierung, unsere Fraktionsvorsitzenden, alle reden über das Thema „digitale Souveränität“. Digitale Souveränität ist eine der größten sicherheitspolitischen Fragen unserer Zeit.
Sie haben das hier in der Debatte mehrfach auf die Medienpolitik verengt. Das ist nicht richtig. Sie haben es hier in der Debatte mehrfach auf die Frage von Kompetenzen verengt. Das ist nicht richtig.
(Ina Blumenthal [SPD]: Wir überweisen!)
Das sind Teilbausteine. Bei aller Richtigkeit dieser Teilbausteine schaffen Sie es nicht einmal, dafür die richtige Ebene zu wählen. Wir sind nicht das Europaparlament, auch wenn man das der SPD im Jahr 2025 anscheinend noch erklären muss.
(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])
Lassen Sie uns doch wirklich überlegen, wie wir Risikoprävention in der digitalen Souveränität hinbekommen.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, es liegt der Wunsch nach einer Zwischenfrage vor. Auch wenn Sie mit Ihrer Redezeit schon am Ende sind, haben Sie Gelegenheit, diese zu beantworten, wenn Sie sie zulassen. Die Frage ist von der Kollegin Kapteinat.
Julia Eisentraut (GRÜNE): Ich lasse sie zu.
Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen.
Halten Sie den Ausschuss für Kultur und Medien für so wenig fachkompetent, dass Sie permanent davon sprechen, dass man den Antrag nicht in den Fachbereich überweisen würde?
Julia Eisentraut (GRÜNE): Nein. Ihr Vorredner hat gesagt, man hätte den Fraktionen angeboten, bei diesem Thema zusammenzuarbeiten, und dieses Angebot sei abgelehnt worden. Das ist so nicht richtig.
(Jochen Ott [SPD]: Das ist richtig! – Wibke Brems [GRÜNE]: Ich habe reagiert!)
Es gab vor Veröffentlichung des Antrags die Rückmeldung, dass wir das gerne auf Fachebene besprechen würden. Herr Ott, der dazwischenruft und sich hier aufbauscht, hat aber anscheinend Angst, das auf Fachebene auszuhandeln,
(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])
weil er weiß, wie wenig Substanz dieser Antrag hat und wie billig Headlines über Inhalt gesetzt werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)