Jule Wenzel (GRÜNE): Herr Kollege Lehne, das wusste ich noch gar nicht. Da sind Sie mir direkt sympathischer.
(Heiterkeit von den GRÜNEN und der CDU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Das Ruhrgebiet braucht eine starke und moderne Infrastruktur. Und ja, es stimmt: Dieses Land wurde über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren. Der Investitionsstau ist nicht wegzudiskutieren. Er ist vorhanden. Er ist groß, und er ist teuer.
Aber wenn wir schon ehrlich sind, dann bitte in vollem Umfang: Die Schuldenbremse war in ihrer bisherigen Form einfach ein Investitionskiller – Punkt. Deshalb ist das Sondervermögen ein notwendiger Schritt, auch wenn man es ruhig beim Namen nennen könnte: „Sonderkredit“ klingt weniger fancy, ist aber ehrlicher.
Genauso hätte ich es gut gefunden, wenn Sie, Frau Kapteinat, einen ehrlichen Dank an die Grünen dafür ausgesprochen hätten, dass wir das gemeinsam möglich gemacht haben. Gern geschehen!
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Wirklich kurios ist allerdings: Die SPD schwingt große Reden und fordert hier Dinge, die ihr eigener Bundesfinanzminister bisher nicht geregelt hat. Es gibt zwar einen kursierenden Referentenentwurf. Dieser lässt aber zentrale Fragen offen. Wie das Geld verteilt werden soll, wird nicht geregelt. Ein Fokus auf bedürftige Regionen, wie die hiesige SPD ihn sich wünscht? Fehlanzeige! Auch die Aufteilung auf Länder und Kommunen wird nicht geregelt.
Wenn der Bund sich also nicht traut, klare Leitplanken zu setzen, dann müssen die Länder das unter sich ausklamüsern.
Dieser Entwurf kommt aus einem SPD-geführten Finanzministerium.
(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])
Vielleicht schicken Sie Ihren Antrag ja einmal an Herrn Klingbeil, und vielleicht liest er ihn ja.
(Beifall von den GRÜNEN und Wilhelm Korth [CDU])
Nun zum Länderinteressenausgleich: Dieser steht ja an, wenn die Länder das unter sich ausklamüsern müssen. Die SPD kritisiert in ihrem Antrag den Königsteiner Schlüssel, aber liefert keinen eigenen Vorschlag – stattdessen viel Lärm und wenig Substanz.
Der Finanzminister hat gestern in der Fragestunde ausführlich erklärt, warum es keine einfache Lösung bei der Finanzministerkonferenz gibt.
Jeder Verteilungsschlüssel hat seine Tücken. Ein Verteilungsschlüssel gemäß Bevölkerung führt zu Streit, gerade wegen der bevölkerungsarmen Bundesländer. Ein Verteilungsschlüssel gemäß BIP bevorzugt die Falschen. Ein Verteilungsschlüssel nach inversivem BIP schadet NRW. Aggregierte Investitionsbedarfe in den einzelnen Investitionsfeldern sind in der Kürze der Zeit schlicht nicht quantifizierbar. Deshalb wurde der Königsteiner Schlüssel modifiziert fortgeschrieben.
Unser Finanzminister hat sich dafür eingesetzt, dass NRW nicht zu kurz kommt. Dafür möchte ich ihm herzlich danken.
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Danke, dass Sie Ihren Job machen!)
Was macht aber die SPD? Sie kritisiert ohne eigenen Plan. Das ist bequem, aber nicht hilfreich. Dann kommt der Wunschzettel: Schulwege, Gesundheitswesen, Wasserstoff, Grundstücksfonds. All das findet sich darin und klingt gut, kostet aber auch. Von den 500 Milliarden Euro des Sondervermögens entfallen rund 21 Milliarden Euro auf NRW. Das sind etwa 1,75 Milliarden Euro pro Jahr. Es klingt nach einer hohen Summe, reicht aber hinten und vorne nicht, um alle Ihre Ideen zu finanzieren.
Außerdem gibt es den Verschiebebahnhof. Im Bundeskoalitionsvertrag stehen gleichzeitig Steuersenkungen, die das Land mitfinanzieren soll, aufwachsend von 1,5 Milliarden Euro bis zu 3 Milliarden Euro jährlich. Wer rechnen kann, merkt schnell: Das ergibt ein dickes Minus. – Auch die Kommunen wollen wir ja nicht im Regen stehen lassen. Liebe SPD, Ihre Rechnung ist ein Luftschloss, und zwar ein teures.
(Beifall von den GRÜNEN)
Fakt ist: Wir brauchen das Sondervermögen. Aber es wird nicht für die SPD-Wunschliste reichen, die Sie über mehrere Anträge im Plenum verteilen wie Werbeflyer vor der Wahl.
Wir werden gezielt dort investieren, wo es am dringendsten ist, auch im Ruhrgebiet.
Außerdem setzen wir uns für Planungsbeschleunigungen ein. Denn was nutzen Milliarden, wenn sie jahrelang in der Pipeline hängen? Wenn ich durch Duisburg gehe und an einer Schulbaustelle noch immer ein Schild mit der Aufschrift „Gefördert mit Mitteln aus ,Gute Schule 2020ʻ“ sehe, einem Investitionsprogramm des Landes von 2017, dann ist mir klar: Wir haben keine Zeit zu verlieren, auch in den Kommunen nicht.
(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])
Zum Schluss noch ein Wort zur Altschuldenlösung: In Ihrem Antrag unterstellen Sie der Landesregierung Blockade. Das ist nicht nur falsch; das ist böswillig. NRW ist vorangegangen, und zwar allein. Gerade die hochverschuldeten Kommunen im Ruhrgebiet profitieren davon. Das ist ein echter Fortschritt. Jetzt ist der Bund am Zug, und Ihr Finanzminister muss liefern. Das könnte er auch beim Entwurf zum Sondervermögen.
Liebe SPD, ich wünschte mir, wir würden wirklich gemeinsam das adressieren, was das Ruhrgebiet und NRW voranbringt. Das kann Ihr Antrag nicht leisten. Deswegen lehnen wir ihn ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)