Jule Wenzel: „In meiner Heimatstadt schlägt das Stahlherz, und es soll auch in Zukunft schlagen“

Zur Aktuellen Stunde auf Anträge der FDP- und der SPD Fraktion zur Wirtschaftspolitik

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratische Fraktionen! Am Anfang eine Bemerkung: Auch ich fand es wirklich bemerkenswert, wie die AfD in diesem Parlament eben mit Gewerkschaftern umgegangen ist. Aber eines ist klar: Diese wirtschaftspolitische Geisterfahrt der AfD lässt sich nur schaffen, wenn man die Arbeiterschaft spaltet. Es ist ganz klar: Die AfD wird sie fallen lassen. Deswegen möchte ich mich explizit bei allen Gewerkschaften bedanken, die jeden Tag gegen diesen Hass und diese Hetze aufstehen und sich nicht von dieser populistischen Rhetorik vereinnahmen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Es ist wichtig, dass wir heute über thyssenkrupp und über die wirtschaftliche Lage in Nordrhein-Westfalen sprechen. Was sich derzeit bei thyssenkrupp Steel abzeichnet, ist nämlich nicht weniger als ein industriepolitischer Kraftakt. Wir haben gerade schon etwas über Chinas Stahlpolitik gehört. Aber auch die Zölle der USA, die jetzt auch die Automobilindustrie treffen werden, werden auf den Standort Duisburg eine Auswirkung haben.

Das hat eine enorme Tragweite für unser Land, für unsere Region und für Tausende Beschäftigte. 11.000 Arbeitsplätze sollen jetzt gestrichen werden; 5.000 sollen abgebaut, weitere 6.000 outgesourct werden. Die Zahl der Beschäftigten in Duisburg soll damit von etwa 26.300 auf 16.000 sinken. Das ist ein tiefer Einschnitt für die Menschen, für die Stadt Duisburg, für die industrielle Zukunft unseres Landes.

Ich sage das nicht abstrakt. Ich sage das als jemand, der aus Duisburg kommt. In meiner Heimatstadt schlägt das Stahlherz, und es soll auch in Zukunft schlagen.

Stahl ist nicht nur ein Werkstoff. Er ist Teil unserer Identität, unserer Geschichte – und ja, auch unserer wirtschaftlichen Stärke und unserer Zukunft. Jeder von uns kennt jemanden, der bei thyssenkrupp arbeitet oder gearbeitet hat. Es sind unsere Nachbarinnen, unsere Freundinnen, unsere Familien.

Dass sich thyssenkrupp einem Umbau stellen muss, ist nicht neu. Die Konzernführung will jetzt die einzelnen Sparten durch mehr Kapital wettbewerbsfähig aufstellen. Das hat sie auch öffentlich kommuniziert. Aber was nicht geht und was wir an dieser Stelle klar benennen müssen, ist die Art und Weise, wie dieser Umbau gerade vorbereitet wird. Arbeitnehmervertreter wie Tekin Nasikkol und Jürgen Kerner haben zu Recht kritisiert, dass die montan-mitbestimmenden Gremien nicht ausreichend informiert wurden, dass sie mal wieder von zentralen Plänen aus der Presse erfahren mussten. Das ist ein Bruch mit dem Geist der Sozialpartnerschaft, der sich nicht wiederholen darf.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Informationspolitik des Konzerns muss sich grundlegend ändern. Wer eine Transformation dieser Größenordnung stemmen will, braucht Vertrauen. Und Vertrauen entsteht nicht durch Alleingänge, sondern durch Transparenz, durch Einbindung, durch Respekt vor der Mitbestimmung. Es braucht beide Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber –, um sich erfolgreich auf den Weg zu machen.

Wir als Fraktionen, die diese Landesregierung tragen, nehmen unsere Verantwortung wahr. Mit 700 Millionen Euro Landesförderung, der größten Einzelförderung in der Geschichte, haben wir die größte Industriesubvention auf den Weg gebracht. Diese Förderung ist an klare Bedingungen geknüpft: Dekarbonisierung, Standortbindung und Zukunftsfähigkeit. Ohne diese Unterstützung wäre das Projekt in Duisburg nicht möglich gewesen. Deshalb ist auch klar: Wer solche Summen erhält, muss liefern.

(Zuruf von der SPD)

Nicht zuletzt im Wirtschaftsausschuss hat sich Herr López zum Standort Duisburg und zu seinem Transformationspfad bekannt. Das gilt aber nicht nur technologisch, das gilt auch sozial. Wenn jetzt Gespräche über einen Sozialplan zum Stellenabbau geführt werden, dann muss die Bemühung, die Verunsicherung in der Belegschaft zu beenden, im Vordergrund stehen, und die Belegschaft muss mitgenommen werden. Denn die Mitbestimmung ist kein Störfaktor, wie die AfD das beschreibt. Sie ist ein Grundpfeiler unseres wirtschaftlichen Erfolges in der Transformation.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aber es liegt nicht nur an der Sozialpartnerschaft in Duisburg, diese Transformation zu meistern. Es ist unsere gemeinsame politische Aufgabe, nicht zu blockieren, nicht zu polemisieren, sondern mit Verantwortung und klarer Erwartungshaltung zu begleiten.

Die Landesregierung tut dies im engen Austausch mit Vorstand, Betriebsräten und Gewerkschaften. Wir haben keine Mandate in den Gremien des Konzerns. Das ist gesetzlich auch gar nicht so einfach. Aber Einfluss nimmt man nicht nur durch Sitze, sondern durch klare Erwartungen, durch gezielte Förderung und durch eine verlässliche industriepolitische Strategie. Wenn Sie, Herr Höne, sagen, dass das jeden Morgen, wenn wir aufstehen, unser Ziel ist, dann sehe ich nicht, wo das Problem ist.

(Lachen von Henning Höne [FDP] – Beifall von den GRÜNEN)

Bereits der von uns initiierte Stahlgipfel hat wichtige Leitplanken gesetzt, die jetzt gemeinsam über alle politischen Ebenen hinweg angegangen werden müssen: ein Brückenstrompreis für die Industrie, eine Senkung der Netzentgelte.

Herr Ott, wenn sie jetzt sagen, dass die Bundesregierung vorangeht, kann ich Sie nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. Ich bin gespannt, wie die Pläne umgesetzt werden. Klar ist aber: Wir müssen gemeinsam und aus einer Richtung sprechen – für den Industriestandort; auch in Duisburg. Neue Gaskraftwerke, sollten sie denn gebaut werden, müssen wasserstofffähig sein, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Wasserstoffhochlauf zu gewährleisten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen an der Seite der Beschäftigten. Wir stehen für Mitbestimmung. Und wir stehen für eine Industriepolitik, die ökologisch tragfähig ist, unseren Planeten nicht ausbrennt, sozial gerecht und wirtschaftlich zukunftsfähig ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)