Josefine Paul: „Eine der zentralen Errungenschaften der von Schwarz-gelb ist die Quasi-Schleifung der Quoten- und Frauenförderung im öffentlichen Dienst“

Zum Haushaltsplan 2022 - Gleichstellung

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, und wir werden heute Abend noch ausführlicher die Gelegenheit haben, darüber fachlich miteinander zu debattieren.

Aber natürlich ist auch bei den Haushaltsplanberatungen der Gewaltschutz ein ganz zentraler Posten. Ja, es ist bereits erwähnt worden, es ist nicht wegzudiskutieren und es will auch niemand wegdiskutieren: Mit diesem Haushalt sind wir insgesamt bei 35 Millionen Euro, die für den Schutz von Gewalt betroffener Frauen zur Verfügung stehen. Das klingt haushalterisch erst einmal gut, und es ist haushalterisch die richtige Entwicklung, auch mit dem Aufwuchs von 5 Millionen Euro.

Aber – das ist auch schon angeklungen und darüber müssen wir endlich einmal vernünftig miteinander diskutieren – darauf sind Sie uns, sowohl die Ministerin als auch die Koalition, jede fachliche Antwort bislang schuldig geblieben.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und der SPD)

Denn die inhaltliche Entwicklung – das ist das zentrale Problem – der Frauenhilfeinfrastruktur hält mit der haushalterischen Entwicklung doch keineswegs Schritt. Sie haben Gelder in den Haushalt eingestellt, haben aber nie beantwortet, wofür Sie diese Mittel eigentlich verausgaben wollen. Nutzen Sie doch gleich einmal die Chance, Frau Ministerin, und erhellen Sie uns das: Wie genau sollen die Mittel zur Verbesserung des Gewaltschutzes eingesetzt werden?

(Annette Watermann-Krass [SPD]: So ist es!)

Denn ich habe es bereits im letzten Jahr gesagt und wiederhole es: Wenn die Mittel des Gewaltschutzes am Ende in die globale Minderausgabe zurückfließen, dann ist dies wohl das schlechteste Zeichen, das den Frauen in diesem Land gegeben werden könnte.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich sehe, Frau Ministerin, Sie runzeln die Stirn. Stellen Sie endlich Transparenz her und sagen Sie: Wohin gehen die Mittel? Denn das kann bislang niemand wirklich nachvollziehen; das ist auch Teil des Problems.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wie steht es denn um die Frage des groß von Ihnen angekündigten Paktes gegen Gewalt? Aber das ist ja ohnehin ein Ausweis dieser Landesregierung: Es wird viel angekündigt, und am Ende wird relativ wenig umgesetzt. Mein Eindruck ist: Sie versuchen hier, auch gegen die Widerstände der Frauenhilfeinfrastruktur, der Fachszene, etwas durchzudrücken, was Ihren Vorstellungen entspricht. Aber sollte nicht ausschlaggebend sein, was notwendig ist und was auch aus der Landschaft zurückgemeldet wird?

Damit sind wir bei dem Punkt, den gerade auch Kollegin Butschkau angesprochen hat: Was ist eigentlich aus der Bedarfsanalyse geworden? Sie sollte ja immer die Grundlage der Weiterentwicklung der Frauenhilfeinfrastruktur sein. Nun sind Sie schon im letzten Jahr zurückgerudert und haben gesagt: Nein, nein, nicht die Bedarfsanalyse sollte hier die Grundlage sein, sondern die Dunkelfeldstudie – das haben Sie im letzten Jahr gesagt –,

(Zuruf von der SPD: Aha!)

in der es, ehrlich gesagt, gar nicht wirklich um die Frauenhilfeinfrastruktur geht, soll die Grundlage sein. Mein Eindruck ist, Frau Ministerin: Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse haben Ihnen nicht gepasst, und dementsprechend muss diese Bedarfsanalyse jetzt leider in den Schubladen des Ministeriums verstauben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Ja!)

Ich möchte auch noch einmal sagen, da es Kollegin Troles gerade angesprochen hat: Ich habe den Eindruck, man kann die Frage der Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und den Trägerstrukturen durchaus unterschiedlich bewerten. Ich habe nicht den Eindruck, dass man – gerade mit Blick auf die Aspekte, die ich skizziert habe, also den Pakt gegen Gewalt, aber auch die Diskussion um die Powerhäuser, die ja Bestandteil dessen sind, und die Frage der Bedarfsanalyse – auf beiden Seiten das Gefühl hat, man hätte ein gutes kommunikatives Verhältnis auf Augenhöhe. Diesen Eindruck habe ich eher nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Verlassen Sie also, Frau Ministerin, den Weg der Konfrontation. Verunsichern Sie die Landschaft nicht weiter und lassen Sie uns den Prozess der Weiterentwicklung des Gewaltschutzes mit den Akteurinnen gemeinsam aufnehmen.

Auch in anderen Bereichen muss man sagen: Zerschlagenes Porzellan ist kein gutes Vermächtnis dieser Legislatur, unabhängig davon, wer in der nächsten Legislaturperiode die Regierungsmehrheit stellt. Wir wissen um die nicht eingelösten Versprechen der Arbeitswelt, dass wir alle in dieser Gesellschaft noch vor Herausforderungen stehen.

Ein ganz schlechtes Signal ist in diesem Zusammenhang, dass die Landesregierung nun die Kompetenzzentren Frau und Beruf quasi abwickeln will. Mag sein, dass es insbesondere dem Koalitionspartner FDP schon lange unter den Nägeln brennt, dies einmal zu tun. Nichtsdestotrotz ist es ein schlechtes Signal, auch wenn klar ist, die EFRE-Mittel laufen aus. Die Weiterentwicklung wird auch durch die Kompetenzzentren selbst angestrebt. Aber schaffen Sie doch Planungssicherheit, um diese Prozesse vernünftig organisieren und initiieren zu können, damit man sich im nächsten Jahr auf den Weg machen und diese Strukturen weiterentwickeln kann. Das, was Sie jetzt tun, ist, Porzellan zu zerschlagen, und Sie schaffen wieder Unruhe und Verunsicherung.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und der SPD)

Stichwort: gemeinsam und Frauenförderung. Eine der zentralen Errungenschaften der schwarz-gelben Landesregierung ist die Quasi-Schleifung der Quoten- und Frauenförderung im öffentlichen Dienst. Das, muss ich sagen, ist ebenfalls ein schlechtes Zeichen für dieses Land, denn für Frauen ist der öffentliche Dienst ein attraktiver Arbeitgeber; aber leider stoßen sie auch hier an gläserne Decken. Auch dort haben Sie nichts eingelöst, Sie haben nichts geliefert.

Ich will Ihnen nur noch einmal vortragen, was Roland Staude, der Vorsitzende des DBB NRW dazu gesagt hat: Bei Amtsantritt habe er die Zusage gegeben, das Problem der Unterrepräsentanz von Frauen zu lösen. Seither sind fast vier Jahre vergangen – die Aussage ist vom Sommer –, und die Zusage ist noch offen. Mit Blick auf die verbleibende Zeit rechnen wir auch nicht mehr mit einer entsprechenden Initiative. – Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Ja, der Haushalt ist konsequent, aber konsequent in die falsche Richtung.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und der SPD)