Johannes Remmel: „Nur wer weiß, woher er kommt, kann auch die Zukunft gewinnen“

Zum Entwurf der Landesregierung für ein neues Denkmalschutzgesetz - zweite Lesung

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch heute hier im Plenum: Die wohlfeilen Worte des Kollegen Schrumpf und auch von Ihnen, Herr Paul, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie Ihre Politik des Gesundbetens und der schönen Worte heute fortsetzen müssen; so sage ich es an dieser Stelle.

Sie tun mir da ein wenig leid;

(Fabian Schrumpf [CDU]: Das braucht Ihnen nicht leidzutun!)

denn Sie müssen es ja erledigen, weil die Landesregierung Ihnen diesen Auftrag gegeben hat.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Sie haben ja bei diesem Verfahren noch nicht mal die Chance, das, was die gesammelte Fachwelt Ihnen in der Anhörung ins Stammbuch geschrieben hat, mit einem Änderungsantrag einzubringen. Diese Zeit haben Sie einfach nicht mehr, weil Sie es am Ende der Legislatur durchpeitschen wollen. Das ist das Ergebnis dieser Politik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Fabian Schrumpf [CDU])

Ich muss ja nur die Erklärung, die heute eingegangen ist, vorlesen. Gegen die gesamte Fachwelt, gegen das Ehrenamt, gegen ehemalige Verfassungsrichterrinnen und -richter und Juristen, gegen die Leute, die in der Sache Tag für Tag Denkmalschutz betreiben, brechen Sie dieses Gesetz einfach übers Knie. Das ist nicht in Ordnung, das ist dem Landtag nicht würdig, und das ist der Sache auch nicht angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie müssen es machen, weil die Ministerin es will.

(Fabian Schrumpf [CDU]: Kommen Sie doch mal zum Gesetz!)

Wir haben Ihnen mehrfach die Hand gereicht. Wir haben gesagt: Lassen Sie es uns zusammen machen. Lassen Sie es uns bei diesem Gesetz fraktionsübergreifend machen.

(Zuruf von Fabian Schrumpf [CDU])

Lassen Sie uns nur das klären, was jetzt zu klären ist, nämlich die enge Frage rund um Energie und Klimaschutz.

Nein, Sie haben alles ausgeschlagen; denn es musste dieses Gesetz in der gesamten Breite sein, weil die Ministerin es wollte – zweimal einen Anlauf genommen, zweimal gescheitert und dann am Ende der Legislatur noch durchpeitschen.

Mit der Brechstange hat diese Ministerin im Übrigen schon Erfahrung. Ich will das einordnen: von Gerichten mehrfach bescheinigter Rechtsbruch in Sachen Hambacher Wald.

(Dr. Ralf Nolten [CDU]: Das ist billig! – Weitere Zurufe von der CDU)

Und heute ist es wieder die Brechstange. An dieser Stelle ist das ein Kulturbruch. Das sage ich Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Dr. Ralf Nolten [CDU]: Das ist einem ehemaligen Minister doch unwürdig, Herr Remmel!)

Ich muss doch nur Sie selbst zitieren. Herr Schrumpf hat es in dankenswerter Offenheit gesagt. Es geht hier um einen Gesetzentwurf mit einem eigentümerorientierten Charakter. Das steht aber nicht in der Verfassung. Es steht nicht in der Verfassung „macht den Denkmalschutz am Eigentum orientiert“, sondern der Denkmalschutz ist in unserer Verfassung ein eigenes Gut, ein Kulturgut.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dieses Kulturgut stellen Sie infrage. Es steht nicht in der Verfassung, dass es am Eigentum orientiert sein soll, und es steht schon gar nicht in der Verfassung, dass die Kultur zur Verwertung beitragen soll. Nein, die Kultur hat einen eigenen Sinn und ein eigenes Recht. Sonst stände das nicht in unserer Verfassung.

Im Übrigen sagt das bisherige Gesetz: Denkmäler sind zu schützen und nicht zu verwerten. – Das ändern Sie. Sie höhlen das Gesetz, den eigentlichen Auftrag aus.

(Fabian Schrumpf [CDU]: Das steht im neuen auch nicht drin!)

Und deshalb, Herr Schrumpf, können Sie das Schild „Heimatministerium“ am Ministerium direkt abschrauben. Sie können „Heimatverwertungsministerium“ hinschreiben. Das wäre das richtige Schild am Ministerium.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Heimat als gelebte Kultur der Vergangenheit in die Zukunft zu führen – das ist Sinn des Denkmalschutzes. Das höhlen Sie in der Breite aus. Da wird Fachlichkeit …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege …

Johannes Remmel (GRÜNE): … on demand vorgeschrieben. Sie können sich aussuchen, ob dazu noch eine fachliche Stellungnahme erfolgt oder nicht, ob die Kommunen noch zuständig sind oder nicht. Die Kirchen bekommen Sonderrechte.

Das ist nicht Denkmalschutz, wie wir ihn verstehen, nämlich als Schutz aus sich heraus, aus …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege …

Johannes Remmel (GRÜNE): … der Aufgabe des Denkmalschutzes und des Kulturschutzes. Nur …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr …

Johannes Remmel (GRÜNE): … wer weiß, woher er kommt, kann auch die Zukunft gewinnen. Wir stehen auf dem Boden unserer bisherigen Kultur, und das ist im Denkmal auch ausgedrückt. Deshalb ist das eine wichtige Zukunftsaufgabe, diese Denkmäler in die Zukunft zu bringen und sie nicht unter Verwertungsgesichtspunkten zu betrachten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Remmel …

Johannes Remmel (GRÜNE): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Stephen Paul [FDP]: Die Präsidentin möchte Ihnen was sagen! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben keine Redezeit mehr!)

Ich habe noch nie in der Geschichte dieses Landtags eine so einhellige Ablehnung eines Gesetzentwurfs erlebt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist unglaublich!)

Deshalb letzter Appell:

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist wirklich unglaublich!)

Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück. Lassen Sie uns in der nächsten Legislatur gemeinsam fraktionsübergreifend, wie es in diesem Fachgebiet Tradition ist, wieder anfangen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Remmel, Sie können ja Nein sagen.

Johannes Remmel (GRÜNE): Was denn?

(Heiterkeit)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Ich versuche, seit gefühlt zwei Minuten – ich glaube, es waren tatsächlich zwei Minuten – irgendwo eine Lücke zu finden. Denn Ihr leidenschaftlicher Vortrag …

Johannes Remmel (GRÜNE): Der Redefluss war so.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: … hat – genau, der Redefluss war sehr fließend, sodass ich nicht so richtig dazwischenkam – den Wunsch nach einer Zwischenfrage ausgelöst. Der Kollege Dr. Untrieser wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Johannes Remmel (GRÜNE): Gerne.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr.

Dr. Christian Untrieser (CDU): Herr Kollege Remmel, vielen Dank, dass Sie die Frage noch zulassen.

Ich möchte Sie fragen, ob Sie wissen, dass uns der Landesverband Erneuerbare Energien, der Ihnen eigentlich sehr nahe verbunden ist, gestern – ich schaue die Kollegin Brems an, weil sie gestern mit mir auf der Veranstaltung war – eindringlich darum gebeten hat, diesen Gesetzentwurf heute zu verabschieden, weil er eine starke Verbesserung für die Etablierung von Photovoltaik in Nordrhein-Westfalen ist? Kennen Sie diese Position?

(Beifall von der CDU)

Johannes Remmel (GRÜNE): Selbstverständlich – vielen Dank für diese Frage – kenne ich diese Position. Deshalb hat meine Fraktion schon vor zwei Jahren einen Gesetzentwurf eingebracht, der genau diesen Punkt regelt, nämlich für Klimaschutz und erneuerbare Energien entsprechende Optionen zu schaffen.

Aber was machen Sie? Sie erweitern das Ganze. Sie machen einen Riesenkatalog daraus. Da soll auch noch die Verkehrssicherheit mit in der Abwägung sein. Da soll auch noch etwas für Wohnungen und Barrierefreiheit drin sein. Alles soll da drin sein. Damit verwässern Sie das eigentliche Anliegen. Es wäre noch viel mehr möglich, und das hat Ihnen der LEE in der Anhörung übrigens auch ins Stammbuch geschrieben.

Auch deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf an dieser Stelle ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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