Frank Jablonski: „Anonymität im Netz kann Menschen schützen“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu Jan Böhmermann

Portrait Frank Jablonski MdL

Frank Jablonski (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Lassen Sie mich vorweg eines klarstellen: Die Frage, wie wir mit Anonymität im digitalen Raum umgehen, ist wichtig und verdient eine ernsthafte und seriöse Debatte. Anonymität im Netz kann Menschen schützen, die aus berechtigten Gründen ihre Identität verbergen müssen. Sie kann Whistleblowern, politisch Verfolgten und marginalisierten Gruppen eine Stimme geben. Sie soll verhindern, dass Einzelpersonen öffentlich an den Pranger gestellt und zum Ziel von Gewalttaten, Hass und Hetze werden können. Diesen Schutz – ich denke, da sind sich alle Vertreterinnen der demokratischen Partei in diesem Parlament einig – müssen wir bewahren.

Der vorliegende Antrag verfolgt aber eine völlig andere Intention. Er ist mal wieder ein Versuch, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Journalistinnen und Journalisten, die Ihre Partei und Ihr sogenanntes Vorfeld kritisieren, einzuschüchtern und zu diffamieren.

Ob der rechte Influencer und Medienmacher „Clownswelt“ mit seinen mehreren Hunderttausend YouTube-Abonnentinnen Anspruch darauf hatte, seine hetzerischen und realitätsverklärenden Inhalte aus der Anonymität heraus ins Internet zu setzen und sich somit der Kritik an, dem Diskurs über und der öffentlichen Auseinandersetzung mit seiner Person zu entziehen, während er selbst immer wieder Gruppen von Menschen und auch Einzelpersonen gezielt angreift und diffamiert, mag man sowohl aus moralischer als auch aus juristischer Perspektive bezweifeln.

Ob es sich bei „Clownswelt“, der sich selbst als politisches Vorfeld der AfD bezeichnet und seine Videos monetarisiert, um mit ihnen Einnahmen von geschätzten mehreren Tausend Euro monatlich zu erzielen, um eine private Person handelt,

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

mag man bezweifeln.

Ob die Informationen, die durch Jan Böhmermann veröffentlicht wurden, nämlich dass er in einer der 396 Städte und Gemeinden in NRW lebt, der Vorname, eines seiner Hobbys und ein abgebrochener Studiengang, ausreichen, um dessen Anonymität aufzuheben, kann man auch bezweifeln. Falls Sie es nicht wussten: Der Rechtsaußen-Youtuber hat seinen vollen Namen übrigens selbst veröffentlicht.

Nicht zu bezweifeln ist jedoch, dass dieser Antrag in keinster Weise das Interesse verfolgt, sich für Künstlerinnen, Kritikerinnen, Journalistinnen oder gar die Meinungs- und Kunstfreiheit einzusetzen, und dass er einzig aus parteipolitischem Kalkül eingebracht wurde. Es handelt sich um Klientelpolitik und um den durchsichtigen Versuch, einen Einzelfall für einen politischen Angriff auf Journalistinnen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu instrumentalisieren.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ein Ortsverband der AfD in Baden-Württemberg im Jahr 2022 im Rahmen eines Einschüchterungsversuchs den privaten Wohnort einer grünen Landtagsabgeordneten auf Facebook veröffentlichte,

(Zuruf von Thomas Röckemann [AfD])

wohlgemerkt zu einer Zeit, in der deutschlandweit ein merklicher Anstieg von Gewalttaten gegen Politikerinnen und Politiker verzeichnet wurde.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die AfD danach einen Antrag in den dortigen Landtag eingebracht hätte, um dieses sogenannte Doxing zu kritisieren und sich für Anonymität im Netz auszusprechen.

(Thomas Röckemann [AfD]: Da gab’s das noch nicht!)

Ich kann mich ebenfalls gut an einen Instagram-Post der Bundes-AfD erinnern, der im Januar 2024, wenige Tage nach der Enthüllung des Potsdamer Treffens durch das Recherchenetzwerk CORRECTIV, die uns allen sehr gut in Erinnerung geblieben sein wird, online ging.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Dieser Post enthielt den vollen Namen und das von seiner Facebook-Seite entnommene Foto eines CORRECTIV-Mitarbeiters, nebst des Aufrufs – ich muss leider zitieren –:

„Schmutzwerfer und linke Extremisten, die unter dem Deckmantel des Journalismus ihre Propaganda verbreiten, müssen in ihre Schranken gewiesen werden!“

Ich fasse zusammen: Wenn er die Verstrickung Ihrer Partei mit Rechtsextremen aufdeckt, ist Journalismus nur ein Deckmantel für Propaganda. Wenn er sich gegen das politische Vorfeld Ihrer Partei richtet, gegen einen YouTube-Kanal mit Hunderttausenden von Abonnenten, auf dem rechtspopulistische Thesen in eine breite Öffentlichkeit getragen werden, dann warnen Sie in einem Antrag vor der „Tyrannei der Mehrheit“.

Wenn aber Vertreter Ihrer Partei Namen und Anschriften von Politikerinnen anderer Parteien veröffentlichen, dann ist das für die AfD nicht mal eine Erwähnung, keine Entschuldigung und erst recht keinen Antrag wert. So steht es um die moralische Integrität Ihrer Partei.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Ich komme zum Schluss. Die rechtliche Klärung des dargelegten Sachverhalts obliegt nicht dem Landtag von Nordrhein-Westfalen, und sie obliegt auch keinem anderen Parlament und keiner politischen Institution.

(Thorsten Klute [SPD]: Genau!)

Es handelt sich hierbei um eine juristische Angelegenheit, für die in unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unabhängige Gerichte zuständig sind.

(Thorsten Klute [SPD]: Aber die erkennt Herr Tritschler ja nicht an!)

Dieses Parlament vertraut, mit wenigen Ausnahmen,

(Heiterkeit von Jule Wenzel [GRÜNE])

der Gewaltenteilung in unserem Land und auf unsere Gerichte. Wir brauchen keinen Antrag der AfD, damit die Judikative in Deutschland ihre Arbeit tun kann. Wir brauchen keinen Antrag der AfD, um festzustellen, dass das sogenannte Doxing in Deutschland eine Straftat ist, denn dazu reicht ein Blick ins Strafgesetzbuch, genauer gesagt in § 126a StGB.

Diesen Antrag braucht niemand außer der Social-Media-Abteilung der AfD, damit diese aus Ihren Reden im Plenum mal wieder TikTok-taugliche Polemik herausschneiden kann. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Sven Werner Tritschler [AfD]: Nur kein Neid!)

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