Dr. Volkhard Wille: „Ihr Antrag atmet einen Hauch von Orbán, Putin und Trump“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur "NGO-Finanzierung"

Portrait Dr. Volkhard Wille

Dr. Volkhard Wille (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP serviert uns heute einen selten populistischen Antrag, in dem die engagierte Arbeit vieler Millionen Vereins- und Verbandsmitglieder in NRW diskreditiert wird.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Olaf Lehne [CDU])

Herr Witzel, im Ernst: Das fehlt uns wirklich noch, dass ausgerechnet die FDP die Vereine in Gut und Böse einteilt.

(Ralf Witzel [FDP]: Das machen doch Sie als Grüne sonst so gerne!)

Ich möchte erst einmal klarstellen, worüber wir überhaupt sprechen. Was sind eigentlich NGOs? Non-Governmental Organizations – zu Deutsch: Nichtregierungsorganisationen – sind in der Regel gemeinnützige Organisationen, die unabhängig von staatlicher Kontrolle agieren

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

und sich für gesellschaftliche, kulturelle, sportliche, soziale oder ökologische Ziele einsetzen, die dem Gemeinwohl dienen. In Deutschland gelten, wenn man es weit fasst, auch Gewerkschaften, Kirchen, Bürgerinitiativen, Arbeitgeberverbände, Sportvereine als NGOs.

Mehrere Millionen Menschen in NRW engagieren sich ehren- und hauptamtlich in Vereinen und Verbänden, die von Ihnen als NGOs bezeichnet werden. Natürlich dürfen sich diese Organisationen auch zu den Themen ihrer Tätigkeitsbereiche äußern, Kampagnen entwickeln und sich in die gesellschaftliche Debatte einbringen. Damit nehmen sie eine von manchen als unbequem wahrgenommene Funktion als Watchdog wahr, um Fehlentwicklungen und Probleme öffentlich zu machen.

Auf der anderen Seite gibt es bei Behörden, Politik und Unternehmen nicht nur Freude über diese kritische Begleitung ihrer Arbeit. Aber gerade dass so etwas möglich ist, macht eine freiheitliche Demokratie aus.

(Beifall von den GRÜNEN und Marc Blondin [CDU] – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Konkret in NRW: Würden wir das Insektensterben ohne die Arbeit des Entomologischen Vereins Krefeld kennen? Was würden Verbraucher*innen ohne die Arbeit von Verbraucherschutzorganisationen wie foodwatch machen, die auf Missstände im Lebensmittelsektor aufmerksam machen? Wüssten wir ohne die Arbeit von Umweltverbänden wie BUND und NABU genug über illegale Schadstoffeinleitungen in die Flüsse?

Nicht umsonst gelten deshalb die Arbeitsbedingungen für NGOs neben der Pressefreiheit als wichtiger Indikator für freiheitliche, liberale und demokratische Gesellschaften. Es ist kein Zufall, dass in Russland unter Putin oder in Ungarn unter Orbán die Arbeit von NGOs erst diskreditiert, dann behindert und schließlich verboten wurde.

Die FDP erweckt mit ihrem Antrag den Eindruck, als würde der Staat zwielichtigen Organisationen Geld zuschustern, mit dem sie dann unlautere Dinge tun. Konkrete Beispiele für NRW führt die FDP nicht an. Sie belässt es bei Verweisen auf die Bundesebene – Kollege Baer hat es eben erwähnt –, die zudem höchst zweifelhaft sind. Nur weil irgendein Medium irgendetwas behauptet, trifft es noch lange nicht zu.

Wo und wie bekommen NGOs in NRW Geld vom Staat? NGOs bekommen Geld vom Land in der Regel im Rahmen von Projektförderungen. Es gibt eine für jedermann einsehbare Förderrichtlinie, nach der eine NGO einen Antrag für ein konkretes Projekt stellen kann.

Nehmen wir als Beispiel eine Aufklärungskampagne einer Aidshilfe. Im Antrag werden detailliert geplante Arbeiten und Ausgaben aufgelistet: Druckkosten für Flyer, Personalkosten für Aufklärungsgespräche, Raummiete etc. Das wird den Bewilligungsbehörden vorgelegt, geprüft und dann nach der Richtlinie bewilligt. Nach Abschluss des Projekts wird im Rahmen eines Verwendungsnachweises kontrolliert, ob das Geld entsprechend verausgabt wurde und ob die Projektgelder von den eigenen Geldern der Organisation sauber getrennt wurden.

Sie suggerieren in Ihrem Antrag, dass der Staat Geld an NGOs überweist, ohne dass der genaue Zweck bekannt ist und ohne dass eine Verwendungskontrolle stattfindet. Das Gegenteil ist richtig. Fragen Sie einmal die Kassierer und Schatzmeister in NGOs und Vereinen, die sich den strengen Prüfungen stellen müssen. Ihre Ausführungen sind daher eine perfide Verunglimpfung von bürgerschaftlichem Engagement

(Beifall von den GRÜNEN, Olaf Lehne [CDU] und Christian Dahm [SPD])

und zeigen zudem, dass Sie überhaupt keine Ahnung von der Praxis gemeinnütziger Arbeit haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Ihrem Antrag nehmen Sie Bezug auf einen Zeitungsartikel, in dem die Arbeit des Vereins „Omas gegen Rechts“ kritisch diskutiert wird, da der Verein auch staatliche Unterstützung erhält.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Sie stören sich an der Teilnahme dieses Vereins an einer Demonstration gegen rechts, bei der parteiübergreifend die Gefährdung unserer Demokratie durch rechtsautoritäre Tendenzen kritisiert wurde.

Schaut man aber genauer hin, stellt man fest, dass die FDP nur selektiv kritisiert. Dass vor einigen Jahren der Landesjagdverband vor dem Landtag gegen ein Gesetz der damaligen rot-grünen Landesregierung protestierte, finden Sie gut. Auch der Landesjagdverband bekam damals Geld vom Land, zum Beispiel für das sinnvolle Rebhuhn-Projekt.

Es ist richtig, dass diese Organisationen öffentlich kritisieren dürfen. Wir alle müssen diese Kritik aushalten, egal ob von Omas oder von Jägerinnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Ihr Antrag atmet einen Hauch von Orbán, Putin und Trump.

(Zurufe von der FDP: Oh! – Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie bieten ein merkwürdiges Verständnis des Verhältnisses von Zivilgesellschaft und Staat, …

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Dr. Dennis Maelzer [SPD] deutet in Richtung der AfD-Fraktion: Die sind die einzigen, die euch zujubeln! – Weitere Zurufe)

Vizepräsident Christof Rasche: Die Zeit.

Dr. Volkhard Wille (GRÜNE): … indem Sie nichtstaatlichen Organisationen ihre Meinung verbieten oder ihnen ansonsten den Geldhahn zudrehen wollen.

(Christian Loose [AfD]: Das trifft Sie hart, dass Ihre Organisationen kritisiert werden!)

Dieser Antrag ist für die ehemalige Rechtsstaatspartei FDP an Peinlichkeit nicht zu überbietender Populismus.

(Ralf Witzel [FDP]: Oh meine Güte! – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Vizepräsident Christof Rasche: Herr Kollege, man kann es auch übertreiben!

Dr. Volkhard Wille (GRÜNE): Sie befinden sich mit dem Antrag in ganz schlechter Gesellschaft. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)