Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dahm, anders als Sie haben wir zu diesem Gesetzentwurf auch eine Meinung in Gänze.
Frau Ministerin hat es ja richtigerweise gesagt: Dieser Gesetzentwurf hat es in sich. Ich glaube, dass das nordrhein-westfälische Kommunalrecht so eine umfassende und thematisch breite Modernisierung, wie wir sie hier heute vorliegen haben, noch nicht erfahren hat. Das meine ich ausdrücklich und überwiegend positiv.
Es geht hier um die Beteiligung von Jugendlichen. Es geht hier um das Vergaberecht, interkommunale Zusammenarbeit und die Arbeitsweise in Ratssitzungen. Es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Mandat, Ausschüsse für Chancengerechtigkeit und Integration sowie Kreisbeigeordnete. Man hat in fünf Minuten Redezeit keine Chance, auf diese sehr unterschiedlichen, sehr vielen Punkte einzugehen.
Deshalb will ich mich auf wenige Themenbereiche beschränken, die jeweils für sich zeigen, dass und wie der vorliegende Gesetzentwurf dazu beiträgt, dass unsere kommunale Demokratie in Nordrhein-Westfalen moderner, gleichberechtigter, resilienter wird.
Zuerst gehe ich auf die Stärkung der Beteiligungsrechte von Menschen ein, die selbst nicht wahlberechtigt sind.
Das betrifft zum einen – das ist schon mehrfach gesagt worden – Kinder und Jugendliche. Erstens wird das Mindestalter für sachkundige Bürger*innen endlich und richtigerweise auf 16 Jahre abgesenkt. Zweitens werden Jugendliche in ihrem Recht bestärkt, eigene Vertretungen zu gründen. Wo noch nicht vorhanden, sollen Jugendliche in Zukunft selbst durch ein entsprechendes Initiativrecht beantragen können, dass ihre Kommune einen Jugendrat bekommt.
Zum anderen betrifft das fehlende Wahlrecht bei Kommunalwahlen aber auch Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die teilweise seit Jahren hier leben und trotzdem bis heute nicht mitbestimmen dürfen, wer sie in ihrer Gemeinde im Rat vertritt. Parallel zu den Kommunalwahlen werden daher die – so der bisher übliche Name – Integrationsräte gewählt, die dem Rat zumindest beratend zur Seite stehen. Dieses Gremium wird nun aufgewertet zu Ausschüssen für Chancengerechtigkeit und Integration, die zukünftig wie Fachausschüsse zu behandeln sind, also gleichberechtigt in die Beratungsfolge des Rates einbezogen werden und damit mehr Gewicht bekommen werden als bisher.
Der zweite, aus meiner Sicht sehr wichtige Themenkomplex, betrifft die Frage, wie wir die demokratischen Strukturen und Abläufe in unseren Kommunen arbeitsfähig halten und wie wir sie vor allem besser vor destruktiven Elementen und Demokratiefeinden schützen können. Denn leider lesen wir zu oft und immer öfter Schlagzeilen darüber, dass Ratssitzungen durch Einzelvertreter oder durch Fraktionen einer rechtsextremen Partei gestört werden, dass Sitzungsabläufe blockiert, dass demokratische Prozesse vor Ort lächerlich gemacht werden sollen.
Das Beispiel Gelsenkirchen, wo es im vergangenen Jahr fast zu einer Schlägerei im Rat gekommen ist, ist nur die traurige Spitze des Eisbergs.
Für das Funktionieren unserer kommunalen Demokratie, die anders als hier im Landtag auf ehrenamtliches Engagement ihrer Mandatsträger*innen angewiesen ist, entsteht das Problem schon viel früher, bevor es noch mal zu einer Schlägerei kommt, nämlich dann, wenn sich Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft nicht mehr in der Lage sehen, neben ihrem Beruf, neben ihrer Familie ein solches Ehrenamt leisten zu können, weil es eine zu große persönliche Belastung bedeutet.
Der Gesetzentwurf sieht daher richtigerweise an mehreren Stellen deutlich effektivere Prozesse für die Arbeit in den Räten und Kreistagen sowie – das ist wichtig zu betonen – mehr Möglichkeiten zum Durchgriff gegen Störungen vor.
Er überführt richtigerweise eine ganze Reihe von Instrumenten, die in so mancher Stadt bereits gebräuchlich sind oder in der Geschäftsordnung stehen, endlich rechtssicher und allgemeingültig ins Kommunalrecht. Dabei gelingt es aus meiner Sicht sehr gut, die richtige Balance zwischen dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit in der Kommunalpolitik auf der einen Seite und – ebenso wichtig – der Wahrung der in einer Demokratie aus guten Gründen sehr hochgehängten Minderheitenrechte auf der anderen Seite zu finden. Das zu meistern gelingt im Gesetzentwurf und muss und wird uns sicherlich auch im Zuge der Anhörung und weiteren Beratungen gelingen.
Zu nennen sind die Ausweitung der Ordnungsgelder, die Neuregelung der Ausschussbesetzung und die neu geschaffene Abwahlmöglichkeit für Ausschussvorsitzende, wenn diese ihre Pflichten verletzen. Besonders bei diesem Komplex bin ich sehr gespannt auf die Anhörung, die Meinungen und Erfahrungsberichte aus der Praxis.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Drittens – den Punkt will ich nicht unter den Tisch fallen lassen – wird im Gesetzentwurf auch ein deutlicher Akzent auf die Familienfreundlichkeit des Ehrenamts gesetzt, und zwar beispielsweise durch die Möglichkeit, Sitzungen zeitlich rechtssicher zu begrenzen und durch die Klarstellung, dass minderjährige, betreuungsbedürftige Kinder in nichtöffentlichen Sitzungsteilen nicht des Saales verwiesen werden dürfen. Das ist eine Möglichkeit, die Eltern in der Praxis ganz sicher nur im Notfall wählen werden, die aber ein wichtiges Signal in Bezug auf Vereinbarkeit von Familie und Mandat sendet.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich denke, mit diesem Gesetzentwurf wird deutlich, wie es bei der Landesregierung aus CDU und Grünen um die Stärkung, die Besserstellung des kommunalen Ehrenamts bestellt ist, und dass uns das ein Anliegen ist. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss mit Ihnen und auf eine weiter konstruktive und kollegiale Debatte, wie sie bisher zumindest hier im Plenum stattgefunden hat. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)