Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Anpacken, stärken, entlasten, gestalten“ – wenn ein Gesetz so einen guten Titel hat, dann muss was dahinter stecken. Es ist wohl in der Tat nicht übertrieben, hier von einem historischen Durchbruch zu sprechen, der uns in dieser Koalition, in diesem Land gelungen ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Denn nach beinahe zwei Jahrzehnten der Diskussion und lange, nachdem sich viele andere Bundesländer ihrer Altschuldenproblematik gestellt haben, schaffen wir in Nordrhein-Westfalen jetzt die Altschuldenlösung für unsere Kommunen. Diese Lösung ist trotz der herausfordernden Haushaltslage alles andere als eine halbe Sache, denn nach dem hier heute vorliegenden Gesetzentwurf findet ein echter Schuldenschnitt statt. 50 % der kommunalen Liquiditätskredite gehen direkt in die Schuld des Landes über.
Sie verschwinden damit aus den Bilanzen der betroffenen Kommunen, die diese Verschuldung – die historische Analyse hat Kollege Fabian Schrumpf vorhin schon treffend dargelegt – ganz überwiegend eben nicht selbst zu verschulden haben und trotzdem bis heute darunter leiden. Zentral dafür ist, dass wir es geschafft haben, in diesem Haushalt trotz aller Schwierigkeiten in einem historischen Kraftakt 250 Millionen Euro jährlich für die Übernahme dieser kommunalen Altschulden bereitzustellen.
Die Altschuldenentlastung – das ist wohl an dieser Stelle die wichtigste Botschaft an die Kommunen – wird vollständig durch das Land finanziert. Das ist eine gewaltige Verbesserung im Vergleich zum früheren Vorschlag der Landesregierung und eine große Erleichterung für alle betroffenen Städte und Gemeinden.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Nicht nur, aber insbesondere für die am stärksten betroffenen Kommunen ist die vorgelegte Lösung ein echter Befreiungsschlag. Keine Kommune, weder Mühlheim noch Heimbach, wird am Ende mehr als 1.500 Euro pro Einwohnerin an Schulden übrig behalten. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass beispielsweise die Stadt Oberhausen derzeit Liquiditätsschulden von deutlich über 7.000 Euro pro Kopf tragen muss, die sie allein aufgrund der Höhe und der damit verbundenen Zinslast auch niemals aus eigener Kraft wird abbauen können, dann wird klar, was für eine gewaltige Entlastung diese Altschuldenlösung darstellt.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist somit eine gute Balance gefunden worden. Die am höchsten verschuldeten Kommunen werden, wie gerade schon geschildert, besonders unterstützt und auf ein Maß entschuldet, das sie endlich wieder selbst bewältigen könnten. Zugleich werden aber auch die moderater verschuldeten Kommunen sehr deutlich an dieser Altschuldenlösung partizipieren. Denn auch Städte wie Mettmann, Rheinbach oder Hennef, die man vielleicht gar nicht sofort mit dem Thema assoziieren würde, ächzen unter beträchtlichen Altschulden. Auch sie bekommen hiermit die Möglichkeit, an diesem historischen Entschuldungsprogramm für unsere Kommunen teilzunehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Für alle Kommunen, die gemäß dem vorliegenden Gesetzentwurf teilnehmen können und möchten, die also Altschulden in Höhe von mehr als 100 Euro pro Einwohnerin aufweisen, schafft dieses Gesetz neue Handlungsspielräume in der Daseinsvorsorge. Das ist auch der wesentliche Grund, aus dem es politisch und gesellschaftlich so wichtig ist; denn wir reden hier über Städte, in denen die überwiegend nicht selbst verschuldeten Kreditberge nicht irgendwie nur eine Zahl im Haushalt sind, sondern massive Auswirkungen auf das alltägliche Leben und die Chancengleichheit der dort lebenden Menschen und der dort heranwachsenden Kinder haben.
Ein hoher Investitionsstau und damit einhergehend ein Verfall der Infrastruktur sind für die Menschen vor Ort, vor allem für Kinder, für Familien und für ältere Menschen deutlich zu spüren, wenn etwa Schwimmbäder schließen, Parks oder die öffentliche Infrastruktur verwahrlosen und für Jugendzentren, kulturelle Angebote und für sozial benachteiligte Menschen und Familien kein Geld mehr bleibt.
Kommunen sind aber nicht nur die staatliche Ebene, die unser alltägliches Leben am meisten prägt. Sie müssen darüber hinaus sehr viele abstrakte Aufgaben, die Bund und Land an sie weitergeben, mit Leben füllen, sei es die Wärmeplanung, der Schulbau oder vieles Weitere. Ohne handlungsfähige Kommunen funktioniert in diesem Land und auch für die Zukunft nichts. Kommunen, die von ihren Altschulden erdrückt werden, sind eben nicht mehr handlungsfähig und können diese Aufgaben nicht stemmen. Das ändern wir jetzt endlich.
Auch wenn uns die grundlegende Problematik der Unterfinanzierung unserer Kommunen, die Herr Moor wieder angesprochen hat, natürlich weiter beschäftigen muss, ist es an dieser Stelle richtig, von einem historischen Durchbruch für Nordrhein-Westfalen zu sprechen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Durchbruch heißt aber natürlich nicht, dass wir am Ziel sind. Das möchte ich zum Ende auch noch klar sagen. Nordrhein-Westfalen erfüllt mit dem heute vorliegenden Altschuldenentlastungsgesetz seinen Anteil an der Lösung dieses gewaltigen Problems. Der Bund steht weiterhin in der Pflicht, seinen längst zugesagten Teil beizutragen. Ich bin sehr gespannt, was aus der vielversprechenden Formulierung im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD am Ende wird. Ich hoffe, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich in Berlin für unser Nordrhein-Westfalen, unsere Städte und Gemeinden stark machen werden, so wie Sie es soeben bekräftigt haben.
Jetzt machen wir nach langer Vorarbeit aber zunächst unseren Teil der parlamentarischen Arbeit hier im Landtag. Ich freue mich auf die Beratungen im zuständigen Fachausschuss, die wir hoffentlich – da bin ich zuversichtlich – auch noch vor der Kommunalwahl abschließen werden. Selbstverständlich stimmen wir der Überweisung zu.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)