Dagmar Hanses: „Nicht nur ein Akt des Respekts gegenüber den Opfern, sondern auch eine Mahnung für uns alle

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag zu NS-Sondergerichten

Portrait Dagmar Hanses

Der Antrag „NS-Sondergerichte waren juristisches Unrecht in der NS-Zeit! – Auch und gerade heute ist ein Gedenken an politisch motivierte Unrechtsurteile wichtig!“

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! An neun Standorten gab es in Nordrhein-Westfalen NS-Sondergerichte. Ab März 1933 wurden sie in Düsseldorf, Essen, Köln, Dortmund, Bielefeld, Aachen, Duisburg, Wuppertal und Hagen installiert. An diesen Gerichten wurden Menschen, die nicht zur Nazi-Ideologie passten oder sich kritisch äußerten, zu harten Strafen verurteilt. Viele wurden inhaftiert oder zum Tode verurteilt. Die NS-Sondergerichte dienten dazu, das Land gleichzuschalten und Angst und Schrecken zu verbreiten. Rechtsmittel waren zu diesen Urteilen nicht möglich. Kritische Richterinnen und Richter wurden entfernt. Viel zu viele Richterinnen und Richter, die blieben – ja, es war auch eine Frau dabei –, zogen früh und bereitwillig die Hakenkreuzbinde über die Richterrobe.

Die Aufarbeitung und das Gedenken an diese dunkle Geschichte der Justiz sind an diesen Standorten sehr unterschiedlich.

Vielen Dank an Herrn Kollegen Pfeil für die Initiative und auch dafür, dass wir uns noch in der letzten Woche gemeinsam nach der Sitzung des Rechtsausschusses die Gedenktafel am OLG Hamm angeschaut haben, auf der eindeutig steht: Im OLG-Bezirk Hamm wurden 13.000 Menschen an den Sondergerichten Bielefeld, Dortmund, Essen und Hagen verurteilt, und mindestens 350 Menschen wurden dort zum Tode verurteilt.

Vielen Dank an alle demokratischen Fraktionen, die diesen Antrag mittragen. Er war ja lange im Verfahren. Aber er hätte nicht passender kommen können als in dieser Woche, in der wir uns an die Befreiung von Auschwitz vor 80 Jahren und an die Millionen getöteten und verfolgten Menschen erinnern. Wir behaupten, die Vergangenheit nicht zu vergessen und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen – in einer Zeit, in der rechtsextreme Einstellungen und autoritäre Denkweisen wieder an Boden gewinnen. Dann ist es wichtiger denn je, demokratische Werte zu schützen.

Viele aktuelle Entwicklungen sind alarmierende Warnsignale. Sie machen deutlich, wie zerbrechlich und verletzlich unsere Demokratie ist und wie dringend wir sie verteidigen müssen.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wohin Gleichgültigkeit und Paktieren mit extremistischen Kräften führen können. Die Sondergerichte in der NS-Zeit waren ein grausames Instrument politischer Verfolgung und Unterdrückung durch eine Justiz, die sich in den Dienst der Menschenverachtung gestellt hat. Es ist daher von großer Bedeutung, dass wir die Erinnerung an diese Verbrechen an den Gerichten wachhalten und gleichzeitig auf die Bedeutung von Demokratie, Menschenrechten und einer starken, unabhängigen Justiz hinweisen. Aus diesem Grund möchten wir die Erinnerung noch stärken.

Die Landesregierung wird beauftragt, gemeinsam mit der Forschungsstelle „Justiz und Nationalsozialismus“, die in den letzten 37 Jahren bereits wichtige Arbeit geleistet hat, weiterzuarbeiten und mit interessierten Juristinnen und Juristen sowie Bürgerinnen und Bürgern angemessene Formen des Gedenkens an die Opfer der NS-Sondergerichte zu entwickeln. Diese Erinnerungsarbeit soll auch die betroffenen Gerichte und die Öffentlichkeit einbinden.

Es geht um die Einrichtung weiterer Orte des Gedenkens. Sie sind nicht nur ein Akt des Respekts gegenüber den Opfern, sondern auch eine Mahnung für uns alle.

Sie erinnern uns daran, dass Unrechtsurteile und Missbrauch der Justiz sich niemals wiederholen dürfen.

Es liegt in unserer Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen und klar gegen jede Form von Extremismus und menschenverachtender Ideologie Stellung zu beziehen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Unter keinen Umständen dürfen wir mit Kräften paktieren, die unsere Demokratie und die Menschenrechte infrage stellen. Wir dürfen auch nicht darauf spekulieren, dass mit Nazis Mehrheiten zustande kommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mit dem Hochhalten unserer rechtsstaatlichen Prinzipien, mit dem Abstandhalten zu Faschistinnen und Faschisten und mit der Erinnerung an die NS-Sondergerichte hier in NRW müssen wir einen Beitrag dazu leisten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Elisabeth Müller-Witt [SPD] – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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