Berivan Aymaz: „Ich finde es anmaßend, den Menschen in der Ukraine ihr Selbstbestimmungsrecht auch nur ansatzweise abzusprechen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN zur Regionalpartnerschaft von NRW und der Ukraine

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Nordrhein-Westfalen ist zu Recht stolz auf seine guten nachbarschaftlichen Beziehungen und seine vielfältigen internationalen Partnerschaften. Wie wichtig grenzüberschreitende Freundschaft und internationaler Zusammenhalt sind, steht uns seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine schmerzhaft klar vor Augen.

In diesem Sinne ist die Partnerschaft, über die wir heute debattieren, eine ganz besondere. In Krisenzeiten ins Leben gerufen, kann sie Ausdruck unserer Solidarität und der Beginn einer gemeinsamen Arbeit an einer hoffnungsvollen Zukunft werden.

Mit dem gemeinsamen Antrag bekräftigen wir demokratische Fraktionen im NRW-Landtag einmal mehr: Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukraine.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen: Das Kalkül Putins, mit der gezielten Verschärfung der Energiekrise und der Erzeugung sozialer Nöte weltweit diese Solidarität zu untergraben, wird nicht aufgehen. Wir lassen uns nicht spalten. Wir stehen weiterhin eng an der Seite unserer ukrainischen Freundinnen und Freunde.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Als Kölner Abgeordnete freut es mich sehr, dass diese Freundschaft auch auf kommunaler Ebene landesweit gelebt wird. Ganz besonders freue ich mich über die Projektpartnerschaft, die die Stadt Köln bereits Ende Juni dieses Jahres mit dem ukrainischen Dnipro geschlossen hat.

(Beifall von Josef Neumann [SPD])

Mit solchen Partnerschaftsabkommen senden wir nicht zuletzt ein starkes Signal an die rund 200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer, die aktuell in NRW Zuflucht gefunden haben. Zwar wird das ihren Schmerz, ihre Sorgen und ihre Ängste um das Leben ihrer Brüder, Väter und Ehemänner, aber auch Schwestern, Cousinen und Cousins, die in der Ukraine zurückgeblieben sind, sicherlich nicht mildern. Ich hoffe aber sehr, dass wir ihnen damit zumindest signalisieren können, dass weder sie noch das Leid, das dieser Krieg anrichtet, in Vergessenheit geraten werden.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Diese Regionalpartnerschaft muss vor allem zwei Ziele haben.

Erstens. Die Ukraine hat gezeigt, dass sie ihre Zukunft in Europa sieht. Wir wollen sie auf diesem Weg auf Augenhöhe begleiten und, wenn gewünscht, unsere partnerschaftliche Unterstützung bei den dafür notwendigen Reformen anbieten.

Zweitens wollen wir die Ukraine dabei unterstützen, Kriegsschäden zu beheben und der ukrainischen Bevölkerung wieder einen sicheren Alltag zu ermöglichen. Als Erstes muss es natürlich darum gehen, die Grundversorgung in den betroffenen Regionen schnellstmöglich wiederherzustellen. Es geht aber auch um Bereiche wie beispielsweise die Versorgung mit erneuerbaren Energien oder die Verkehrsinfrastruktur. NRW hat dafür viel Know-how und praktische Hilfe anzubieten. Wir könnten auch all die weiteren Aspekte aufzählen, die es darüber hinaus gibt und bei denen wir im Austausch bleiben und weiterhin Unterstützung leisten können.

All dies muss in dem Bewusstsein geschehen, dass viele der durch Russland verursachten Schäden irreparabel sind. Viele Menschen in der Ukraine haben durch diesen brutalen Angriffskrieg Angehörige, Freundinnen und Freunde, ihre Gesundheit oder ihr Leben verloren. Viele Menschen leiden unter dem Verlust ihrer Heimat, der Flucht in die Fremde oder anderen traumatischen Ereignissen.

Eines ist ganz besonders wichtig: Hören wir diesen Menschen zu. Hören wir unseren Partnerinnen und Partnern zu. Und geben wir ihnen die Zeit, die sie brauchen, damit ihre Wunden, wenn auch nicht ganz, doch zumindest etwas verheilen. Geben wir ihnen vor allem nicht nur materielle, sondern auch humanitäre Unterstützung.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Ein letzter Aspekt ist mir besonders wichtig. Diese Partnerschaft ist nicht nur in ihrer dringenden Notwendigkeit etwas Besonderes, sondern sollte vor allem eines immer berücksichtigen: Die Menschen in der Ukraine allein sind es, die darüber entscheiden, wie sie mit dem russischen Angriff auf ihr Land umgehen, wie sie ihr Land verteidigen und wieder aufbauen und wie die Zukunft dort aussehen soll.

Ich finde es anmaßend, den Menschen in der Ukraine ihr Selbstbestimmungsrecht auch nur ansatzweise abzusprechen.

Was Nordrhein-Westfalen stattdessen anbietet, ist eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe, die nicht nur in diesen so schwierigen Zeiten besteht, sondern auch – mit der klaren Hoffnung darauf – auf eine Zeit in Frieden und Freiheit ausgerichtet ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)