Berivan Aymaz: „Hier wird versucht, Musliminnen und Muslime unter einen Generalverdacht zu stellen“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu Islamverbänden

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es kommt wie erwartet, und dennoch finde ich es verdammt schäbig, wie hier die antisemitischen Proteste von der AfD dazu genutzt werden, gänzlich gegen Muslime und vor allen Dingen gegen Menschen, die bei uns Schutz suchen, zu hetzen.

Die Rede von Herrn Wagner hat noch einmal die Intention des vorliegenden Antrags deutlich gemacht. Es geht nämlich gar nicht darum, dass die Politik Stellung bezieht, eine klare Haltung einnimmt, um eine Distanz gegenüber islamistischen oder demokratiefeindlichen Or­ganisationen herzustellen. Hier wird einmal versucht, Musliminnen und Muslime unter einen Generalverdacht zu stellen. Das machen wir natürlich nicht mit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein Drittel der Muslime in Deutschland lebt im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW. Mit Absicht wird in dem Antrag der AfD mit keinem Wort erwähnt, dass bundesweit lediglich 25 % der Muslime in den genannten Dachverbänden oder überhaupt in irgendwelchen Strukturen organisiert sind. 75 %, also der Großteil der Muslime, sind nicht in Verbänden organisiert, sondern nutzen ihr gutes Recht, ihre Religion hier in Freiheit auszuüben. Das wird überhaupt nicht erwähnt.

Selbstverständlich ist es wichtig, dass wir mit diesem Teil der Bevölkerung, mit den Musliminnen und Muslimen in Deutschland und NRW, in einen Dialog treten. Dies muss natürlich, ganz egal, mit wem, ein Dialog auf Augenhöhe sein.

Man darf sich nicht davor scheuen, ehrlich und offen auch kritische Fragen, zum Beispiel zum Umgang mit Schwulen und Lesben, zum Umgang mit Frauen oder zur Instrumentalisierung von Religion durch rechtsextremistische Organisationen oder durch autoritäre Staaten wie die Türkei, anzusprechen. Ich weiß übrigens aus eigener Erfahrung, dass man das immer wieder kann, dass das sehr gut funktioniert. Sehr viele Muslime sind sehr offen für diese kritischen Debatten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kooperationen brauchen ganz klare Rahmenbedingungen und Kriterien, die im Vorfeld klar und deutlich benannt sind. Wir haben in zahlreichen Debatten in diesem Hause immer wieder gesagt, dass es, sei es bei der Imam-Ausbildung, sei es bei der Koordinierungsstelle für mus­limisches Engagement, sei es beim islamischen Religionsunterricht, ganz klare Kriterien braucht, wer mit wem kooperieren kann, und dass die Rahmenbedingungen im Vorfeld sehr deutlich benannt werden müssen.

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, weil von der AfD in diesem Kontext oft ein Grünen-Bashing betrieben wird, dass es die grüne Schulministerin Löhrmann war, die seinerzeit nach der DITIB-Spitzelaffäre ganz klar gesagt hat, dass die Kooperation mit DITIB erst einmal aus­gesetzt wird. Dieser Schritt wurde 2017 gegangen.

Wir Grüne waren es im Übrigen auch, die intensiv dazu beigetragen haben – das wird Schul­ministerin Gebauer sicherlich bestätigen –, dass im Schulgesetz deutlich geregelt wurde, nach welchen Kriterien die Zusammenarbeit mit islamischen Organisationen bei der Durch­führung des Religionsunterrichts zu erfolgen hat. Und zwar müssen sie eigenständig und staatsunabhängig sein sowie selbstverständlich mit beiden Beinen auf dem Boden unserer freiheitlichen Grundrechte stehen. Das haben wir so eingebracht.

Ich begrüße, dass entlang dieser Kriterien der Zentralrat der Muslime nicht in die neue Kom­mission für den islamischen Religionsunterricht in NRW berufen wurde. Ich möchte aber auch meine Kritik nicht zurückhalten, dass ich es höchst problematisch finde, dass die DITIB oder der Islamrat sehr wohl in die neue Kommission berufen wurde. Dazu werden wir weiterhin unsere kritische Position anmerken.

Wir Grüne werden auch kritisch darauf achten, inwiefern sich gerade diese Verbände weiter­entwickeln und wie sie agieren werden. Schließlich geht es um die Gestaltung unserer demo­kratischen und freiheitlichen Gesellschaft. Genau dafür brauchen wir ganz sicher keine Be­lehrung der völkischen AfD. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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