Berivan Aymaz: „Diese Proteste sind so verdammt mutig“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN zur iranischen Freiheitsbewegung

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Heute vor genau 52 Tagen wurde die junge kurdische Frau Jina Mahsa Amini von der Sittenpolizei im Iran festgenommen, weil sie gegen die angebliche Kleidungsordnung des Mullah-Regimes verstoßen habe. Es sollen Haarsträhnen von ihr zu sehen gewesen sein. Jina Mahsa Amini kam nicht mehr lebend aus der Haft zurück. Sie starb am 16. September.

Seitdem erreichen uns täglich Bilder aus dem Iran von Mädchen und Frauen, die ihre Kopftücher abnehmen und mit offenen Haaren durch die Straßen gehen, Bilder von Schülerinnen, von Studentinnen, die als Zeichen der Trauer, aber auch des Protests ihre Haare abschneiden, von Männern – jung und alt –, die Seite an Seite mit Frauen den kurdischen feministischen Freiheitsruf „Jin, Jiyan, Azadi!“ – Frau, Leben, Freiheit – in das gesamte Land, aber inzwischen auch in die Welt tragen.

Diese Bilder, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind so unfassbar kraftvoll. Sie führen uns vor Augen: Die Menschen im Iran – unterschiedlicher Ethnien, unterschiedlicher Schichten, aus den Großstädten wie auch vom Land – sind fest entschlossen. Sie wollen ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Würde. Sie setzen ganz entschieden auf ein freies und besseres Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Diese Proteste sind so verdammt mutig. Sie haben das ernsthafte Potenzial, das autoritäre Regime im Iran zu überwinden. Sie sind revolutionär, und sie verdienen unser aller Respekt.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Uns erreichen leider aber auch Bilder, die zeigen, mit welcher Gnadenlosigkeit und Brutalität die iranischen Milizen gegen die Protestierenden vorgehen. Mehrere Hundert Menschen, darunter auch viele Kinder, wurden bereits getötet, Tausende sind in Haft, und das sind nur die offiziellen, uns bekannten Zahlen. In diesen Stunden, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden bereits die ersten Todesstrafen gegen die Protestierenden ausgesprochen.

Vor diesem Hintergrund war es nur folgerichtig, dass Flüchtlingsministerin Josefine Paul einen Abschiebestopp in den Iran erlassen hat. Ich hoffe, dass wir sehr bald auch eine bundesweite Regelung dazu haben werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass seit Wochen Menschen aus dem Iran kaum noch schlafen. Sie versuchen, an Informationen über die Situation ihrer Angehörigen zu gelangen. Sie verbreiten Bilder über soziale Medien von Protesten, aber auch von der Gewalt auf den Straßen. Sie dokumentieren die Namen und Geschichten der festgenommenen und leider auch der getöteten Menschen.

In den zahlreichen Gesprächen, die ich in den letzten Wochen mit ihnen führen konnte, sagten sie mir immer wieder: Berivan, wendet euch bitte nicht ab, seht hin, denn eure Aufmerksamkeit ist der Schutz der Menschen vor dem iranischen Regime. Lässt sie nach, dann wird das Regime keinerlei Hemmungen mehr bei der Niederschlagung der Proteste kennen.

Diese Menschen, mit denen ich gesprochen habe, liebe Kolleginnen und Kollegen, sprechen leider aus bitterer Erfahrung. Ich finde, hinsehen ist das Mindeste, was wir von hier aus für sie tun können.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Ich bin der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sehr dankbar, dass sie gemeinsam mit unseren europäischen Partnern erste Sanktionen auf den Weg gebracht hat und weitere Schritte gegen das iranische Unrechtsregime prüft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, diese sogenannten Revolutionsgarden, die für zahlreiche Verbrechen in den letzten Jahrzehnten verantwortlich sind, gehören auf die Terrorliste.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Gleichzeitig müssen wir auch hier in NRW besonders wachsam sein und allen Hinweisen auf Kooperationen mit dem iranischen Regime penibel nachgehen. Mein Dank gilt hier auch der Landesregierung, dass sie bei den Meldungen über die IT-Firma aus Meerbusch schnell tätig geworden ist und dafür gesorgt hat, dass nun diverse Landes- und Bundesbehörden mit Hochdruck an einer Aufklärung des Falles arbeiten. Denn eines ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir werden nicht zulassen, dass aus NRW heraus Menschenrechtsverletzungen im Iran Vorschub geleistet wird.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Die zahlreichen Solidaritätsdemonstrationen hier zeigen: Der Iran, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht weit weg. Die Geschehnisse berühren und bewegen uns auch hier in Deutschland und in NRW.

Heute setzen wir, die demokratischen Fraktionen im Landtag, ein starkes Zeichen der Solidarität mit der Freiheitsbewegung im Iran. Wir stehen fest an der Seite derjenigen, die für Frauenrechte, die für Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen. Und wir gedenken derjenigen, die in diesem Kampf ihr Leben lassen mussten. Wir gedenken Jina Mahsa Amini. Jin, Jiyan, Azadi!

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)