Anja von Marenholtz: „Alle Kinder und Jugendlichen brauchen einen Zugang zu guter Medienkompetenzförderung“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Medienkompetenz für Familien, Kinder und Jugendliche

Portrait Anja von Mahrenholtz

Anja von Marenholtz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Vorab ein Wort an den Kollegen der SPD: Es ist einfach falsch, wenn Sie behaupten, dass die Gelder für Medienkompetenzförderung gestrichen bzw. halbiert würden. Da müssen Sie noch einmal nachrechnen. Sie ersehen ja auch aus dem Haushaltsplan, dass diese Gelder, die dort weggenommen werden, dazu dienen sollen, das Grimme-Institut zu stützen, das sich übrigens auch mit Medienkompetenzförderung beschäftigt.

(Rodion Bakum [SPD]: Also werden sie doch weggenommen!)

Insofern fehlt saldiert netto überhaupt nichts im Bereich „Medienkompetenzförderung“. – Das nur als Vorbemerkung.

Kinder und Jugendliche sind grundsätzlich ein besonders schützenswerter Teil unserer Gesellschaft. Das steht komplett außer Frage. Es ist auch klar, dass sich während der Coronapandemie viel Freizeit der Jugendlichen und Kinder in den Lebensraum bzw. Gesellschaftsteil der sozialen Medien verlagert hat. Vor allem Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in sozialen Netzwerken, im Internet oder auch mit Games. Die Befürchtung, dass durch zu viel Bildschirmzeit ein schädliches Suchtverhalten zutage treten kann, ist verständlich und sicherlich in Teilen berechtigt.

Im vorliegenden Antrag kommen die Kolleg*innen von der SPD leider vermehrt zu Fehlschlüssen bezüglich der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen. Sie legen einen sehr umfassenden Forderungskatalog vor, mit denen Sie in Teilen am Ziel vorbeischießen.

Zum Mediennutzungsverhalten. Es stimmt, dass sich die Bildschirmzeit von Jugendlichen immer weiter erhöht. Es ist allerdings ein Trugschluss, Mediennutzung und Bildschirmzeit pauschal zu Suchtverhalten zusammenzufassen. Erhöhte Nutzungszeiten von Medien haben vermehrt suchtfremde Gründe. Jugendliche bilden sich im digitalen Raum weiter, üben sich in sozialer Integration und leben sich auch kreativ aus. Von einem erhöhten Nutzungsverhalten auf eine Mediensucht zu schließen – sie ist übrigens nach ICD nicht als Sucht anerkannt –, ist daher potenziell sogar gefährlich.

Es bedarf in NRW auch nicht einer Schaffung von Spezialambulanzen zur Mediensucht oder einer unabhängigen Landesstelle für Mediensuchtprävention. Es gibt in Nordrhein-Westfalen bereits flächendeckend gute Strukturen im Bereich „Suchtprävention“. Hier noch mehr Engagement in doppelte und dreifache Strukturen zu stecken, ist aus unserer Sicht der falsche Ansatz.

Vizepräsident Christof Rasche: Entschuldigung. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Bakum.

Anja von Marenholtz (GRÜNE): Sehr gerne.

Vizepräsident Christof Rasche: Dann darf er sie jetzt stellen. – Bitte sehr.

Rodion Bakum (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Kollegin. Sie haben gerade gesagt, es gebe keine Sucht bzw. es sollte nicht immer alles direkt problematisiert werden. Erkennen Sie denn an, wie wir es auch im Antrag geschrieben haben, dass die Krankenkasse DAK und übrigens heute auch die IKK bestätigt haben,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die Zeit läuft noch!)

dass sich seit der Coronapandemie das problematische Verhalten im Internet von Kindern und Jugendlichen in bestimmten Altersgruppen verdoppelt oder sogar verdreifacht hat? Ist das für Sie ein Problem oder nicht?

Anja von Marenholtz (GRÜNE): Das ist ein Widerspruch bzw. das sind zwei verschiedene Meinungen. Ich habe mich auf die ICD bezogen. Wenn zwei Krankenkassen anderer Meinung sind, kann das ja nicht schaden, wenn sie dadurch bereit sind, auch in den Fällen, in denen eine Mediensucht vorliegt, Unterstützung zu leisten. Insofern ist das kein nicht zu begrüßender Ansatz.

Mein Punkt war: Wir haben hier bereits doppelte und dreifache Strukturen. Diese sichtbarer zu machen, wäre ein Projekt, über das nachzudenken sich tatsächlich lohnt.

Schauen wir uns an, was für Projekte es heute tatsächlich gibt. Sie werden nicht durch die Landesregierung finanziert, aber Sie wissen ja, wie sich die Landesanstalt für Medien finanziert, und diese betreibt bereits sechs Projekte. Besonders hervorzuheben sind die Medienscouts NRW. In diesem Projekt werden Schüler*innen dazu ausgebildet, problematisches Mediennutzungsverhalten in ihrem Umfeld zu erkennen. Die Medienscouts sind aber auch im Bereich „Cybermobbing und Datenmissbrauch“ aktiv.

Sie sprechen das Thema „Überwachung der Mediennutzung“ an. Als besonders problematisch erachten wir die im Antrag gestellte Forderungen nach gesetzlichen Anforderungen und Förderungen für Technologien, mit denen es Eltern ermöglicht werden soll, die Onlineaktivitäten ihrer Kinder zu überwachen.

(Rodion Bakum [SPD]: Das steht da gar nicht drin! Wo haben Sie das denn gelesen?)

Auch Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre. Davon abgesehen ist bereits mehrfach wissenschaftlich belegt worden, dass mehr Überwachung bei Eltern ein falsches Gefühl der Sicherheit erzeugt, welches nicht der Realität entspricht.

(Rodion Bakum [SPD]: Wo haben Sie das denn gelesen?)

– Das kommt implizit in Ihrem Antrag vor.

Den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag …

(Rodion Bakum [SPD]: Nein! – Volkan Baran [SPD]: Sie haben den falschen Antrag gelesen!)

– Nein, lassen Sie mich doch mal weiterreden.

Sie haben doch auch zur Kenntnis genommen, dass im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag proaktiv etwas für den Jugendmedienschutz getan wird. Das zeigt sich in diesen Tagen auch in der Öffentlichkeit. Sie wissen, dass das im Kabinett verabschiedet wurde. Auf dieser Basis wird es in Zukunft noch besser möglich sein, Kinder und Jugendliche vor schädlichen Inhalten im Netz zu schützen. Dazu zählt auch ein zu früher Kontakt mit manipulativen Algorithmen gewisser sozialer Netzwerke.

Die Medienkompetenzförderung ist für uns der wichtigere Punkt. Grundsätzlich brauchen alle Kinder und Jugendlichen einen Zugang zu guter Medienkompetenzförderung. So gewährleistet man nicht nur einen gesunden und selbstbestimmten Umgang mit Medien, sondern fördert auch den Schutz gegen Desinformationen im Netz.

Was wir an Ihrem Antrag noch bemängeln, ist, dass Sie Fortbildungsangebote für Lehrkräfte zielführend finden. Aus unserer Sicht brauchen wir erst einmal die medienpädagogischen Grundlagen, bevor wir Lehrer weiterbilden können, und dafür muss zuerst die Infrastruktur gefördert werden.

Aus diesen Gründen lehnen wir Ihren Antrag ab und danken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Christof Rasche: Herr Kollege Bakum hat noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage signalisiert.

Anja von Marenholtz (GRÜNE): Aber eigentlich ist meine Redezeit schon um, oder?

Vizepräsident Christof Rasche: Es war noch im letzten Zug. Nur wenn Sie möchten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Musst du nicht!)

Anja von Marenholtz (GRÜNE): Ich glaube, es ist alles gesagt.