Trennung inhaftierte Mütter und ihrer Kinder

Kleine Anfrage von Stefan Engstfeld und Josefine Paul

Portrait Josefine Paul

Eine Inhaftierung stellt nicht nur für die Inhaftierten selbst, sondern auch für ihre Angehörigen eine Zäsur und eine enorme Belastung dar. Jedes Jahr werden in Nordrhein-Westfalen viele Kinder durch die Inhaftierten von einem Elternteil getrennt. Aktuell sind ungefähr 700 Frauen in Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen inhaftiert. Viele dieser Frauen sind Mütter, einige Inhaftierte verbringen bereits die Zeit der Schwangerschaft in Haft.

Der Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen hat in den letzten Jahren erste Schritte in Richtung eines familiensensibleren Vollzugs getan, die schwierige Situation und besondere Problematik von schwangeren Inhaftierten und inhaftierten Müttern wird aber bis heute kaum thematisiert.

Das Europäische Parlament weist darauf hin, „dass die Folgen von Isolierung und Stress für die Gesundheit der inhaftierten Schwangeren auch negative, wenn nicht bedrohliche Auswirkungen auf das Kind haben können, die es bei der Entscheidung über eine Inhaftierung sehr ernst zu nehmen gilt…“1. Der Staat hat eine besondere Garantenstellung und muss die Gesundheit gerade auch von Inhaftierten schützen und sicherstellen: Neben der Verpflichtung, die medizinische Betreuung und alle Vorsorgeuntersuchungen anzubieten, die auch außerhalb der Gefängnismauern selbstverständlich sind, sollten aber auch jegliche Belastung und Stress so weit wie möglich von Schwangeren und Gebärenden ferngehalten werden.

Für schwangere Frauen ist eine Inhaftierung meist besonders belastend. Inhaftierte Frauen müssen zum Teil gefesselt entbinden. Manche Gebärende werden von ein bis zwei Bediensteten bewacht und an Händen und/oder Füßen gefesselt. Die Fesselung unterbleibt ausschließlich während des Entbindungsvorgangs im Kreißsaal, wobei auch hier in außer­gewöhnlich gelagerten Ausnahmefällen gefesselt werden kann.

In manchen Fällen werden Mütter direkt oder kurz nach der Entbindung von ihren Neugeborenen getrennt. Zwar gibt es eine Mutter-Kind-Einrichtung des Justizvollzugs, dort können aber nicht alle Mütter mit ihren Kindern aufgenommen werden. So haben bei weitem nicht alle Frauen die Möglichkeit, ihr Neugeborenes bei sich zu behalten. Das führt dazu, dass Mütter und Kinder in vielen Fällen durch die Inhaftierung getrennt werden.

Diese Erfahrungen sind sowohl für die inhaftierten Mütter belastend und die Sorge um ihre Kinder kann traumatisierende Folgen haben und wird „als einer der wichtigsten Faktoren für Depressionen und Ängste bis hin zu selbstzerstörerischen Handlungen genannt“.2

Aber auch für die betroffenen Kinder stellt dies eine belastende und zum Teil traumatisierende Situation dar. Denn auch für die Neugeborenen bedeutet die Trennung von der Mutter sehr hohen Stress und vielfach eine schwerwiegende Belastung mit häufig nicht absehbaren Folgen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie viele Frauen haben während der Zeit ihrer Inhaftierung in einer Justizvollzugsanstalt seit 2017 in Nordrhein-Westfalen ein Kind bekommen (Aufschlüsselung nach Jahren wird erbeten)?
  2. Wie wurden die unter der Frage 1. genannten Kinder untergebracht (Aufschlüsselung nach Jahren und Aufenthaltsort, ob bei der Mutter, dem Vater, Verwandte, Pflegefamilie, wird erbeten)?
  3. Auf welcher Grundlage wird zu welchem Zeitpunkt entschieden, ob Mutter und Kind getrennt werden?
  4. Wie verlaufen Schwangerschaft bzw. Geburt während der Haftzeit (Vorbereitung, Geburt, Nachsorge)?
  5. Welche speziellen Angebote gibt es für Schwangere bzw. Mütter (u.a. Haftvermeidung, vollzugöffnende Maßnahmen und Offener Vollzug, Mutter-Kind-Plätze im Offenen sowie geschlossenen Vollzug, erweiterte Besuchs- und Kontaktmöglichkeiten)?

 

1 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2008 zur besonderen Situation von Frauen im Gefängnis und die Auswirkungen der Inhaftierung von Eltern auf deren Leben in Familie und Gesellschaft. BR-Drucksache 265/08 online: http://offenesparlament.de/ablauf?schlagworte=Frau&initiative=Europ%C3%A4isches+Parlament

2 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2008 zur besonderen Situation von Frauen im Gefängnis und die Auswirkungen der Inhaftierung von Eltern auf deren Leben in Familie und Gesellschaft. BR-Drucksache 265/08 online: http://offenesparlament.de/ablauf?schlagworte=Frau&initiative=Europ%C3%A4isches+Parlament