Sozialorientiertes Wohnen stärken – gemeinsam leichter Wohnraum schaffen!

Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag

I. Ausgangslage

Bezahlbares Wohnen ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Vor allem in den Schwarmstädten und Ballungsgebieten brauchen wir mehr Wohnraum. Wir verstehen Wohnen als soziale Daseinsvorsoge, es soll sicher und bezahlbar für alle sein. Die Bau- und Woh­nungswirtschaft hat allerdings mit erheblichen Herausforderungen, wie z. B. gestiegenen Fi­nanzierungskosten, zu kämpfen. Einige Wohnungsbauunternehmen haben vor allem aufgrund gestiegener Baupreise und Materialknappheit Bauprojekte eingestellt oder verschoben.

Um den Wohnungsbau zu unterstützen ist, und bleibt die öffentliche Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen ein wichtiges Instrument. Die Zukunftskoalition stellt Mittel für Moderni­sierungsmaßnahmen bereit – diese dienen u.a. den Zielen der Klimaneutralität und Barriere­freiheit. Die Wohnraumförderung ist insbesondere auf mehr mietpreisgebundenen Wohnraum ausgerichtet. Die Stärkung des öffentlichen und des genossenschaftlichen Wohnungsbaus hat das Ziel, das Angebot an Wohnraum mit auch in Punkto Nachhaltigkeit zeitgemäßen Stan­dards zu dauerhaft bezahlbaren Preisen zu verbreitern.

Von wesentlicher Bedeutung bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle ist die Nutzung und Modernisierung von Bestandsimmobilien – gerade auch im Rahmen der öffentli­chen Wohnraumförderung. Dies gilt insbesondere in Ballungsgebieten, in denen Flächen für Neubauten nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Im Jahr 2023 konnten in Nordrhein-West­falen rund 3,97 Millionen Wohngebäude und rund 9,25 Millionen Wohnungen gezählt werden. Nicht nur die Schaffung von Wohnraum, sondern auch weitere der öffentlichen Daseinsvor­sorge unterfallende Bereiche, wie beispielsweise die Bereitstellung von Schulgebäuden oder Kitas, sind von der Knappheit an Flächen und der gleichzeitigen steten Steigerung von Bau­kosten in erheblichem Maße betroffen. Vor allem die kontinuierliche Zunahme baulicher Stan­dards hat dazu geführt, dass Baukosten steigen und so die Umsetzung und Realisierung ge­planter Projekte wirtschaftlich erschweren. Diese Standards werden nicht nur von der Politik gesetzt, sondern haben ihren Ursprung auch in der Wirtschaft. Mit ihrer Novelle der Landes-bauordnung hat die Zukunftskoalition die rechtlichen Rahmenbedingungen so vereinfacht, dass viele Bauvorhaben schneller an den Start gehen können als bisher.

Bisher sind bei erheblichen Änderungen im Bestand in der Regel aktuelle Anforderungen das Maß der Dinge. Denkbar ist in diesem Zusammenhang eine Verlagerung des maßgeblichen Betrachtungszeitpunktes, indem nicht auf den Modernisierungszeitpunkt, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes abgestellt wird. Der bauordnungsrechtliche Zustand wird mithin „konserviert“. Die Umsetzung geplanter Projekte wird durch eine solche Regelung erheblich erleichtert und die Baukosten bleiben, trotz Kostensteigerungen, über-schaubar(er). Aufgrund des dringenden Bedarfs an Wohnraum soll dies zunächst ausschließ­lich für Gebäude geprüft werden, die Wohnzwecken dienen.

Eine große Rolle beim Wohnungsneubau spielt die sozialorientierte Wohnungswirtschaft. Zu ihr zählen vor allem kommunale Gesellschaften und Genossenschaften, die nicht gewinnori­entiert sind, sondern vor allem ihren Mieterinnen und Mietern bzw. Genossinnen und Genos­sen preiswerten Wohnraum – möglichst zur Kostenmiete – zur Verfügung stellen. Genossen­schaften eignen sich in besonderer Weise zur Bündelung von wirtschaftlich orientierten Zu­sammenschlüssen von Einzelpersonen oder Institutionen, die durch ihr Wirken auch soziale oder ökologische Zwecke verfolgen. In Nordrhein-Westfalen gibt es 323 eingetragene Woh­nungsgenossenschaften, die beim Verband der Wohnungswirtschaft Mitglied sind. Ihr vorran­giges Ziel ist es, die Wohnsituation mit Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung nachhaltig zu verbessern. Für kleinere Genossenschaften, die oft von Ehrenamtlichen initiiert werden, besteht eine besondere Herausforderung darin, langfristig finanziell tragfähige Struk­turen aufrecht zu erhalten. Um dauerhaft die professionelle Verwaltung zu sichern, helfen An­gebote von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, die die Verwaltung dieser Projekte an­bieten. Ein besonderes Modell besteht darin, dass sich die Hausgemeinschaft zu einem Verein zusammenschließt und gemeinsam mit einer Organisation eine eigenständige GmbH für ihr Mietprojekt gründet. Dadurch bleibt die Immobilie im gemeinschaftlichen Eigentum, sie wird nicht Teil des Marktgeschehens und sichert so dauerhaft geringe Mieten. Dort, wo Kommunen selbst Genossenschaften gründen, soll der genossenschaftliche Gedanke der Selbstbestim­mung dauerhaft gesichert bleiben. Kommunen können stattdessen auch Mitglied einer örtli­chen oder interkommunalen Genossenschaft werden und so die Entwicklung von Wohnraum in ihrer Region unterstützen. Darüber hinaus haben wir in Nordrhein-Westfalen eine große Zahl an kommunalen Wohnungsbau- und Stadtentwicklungsgesellschaften, die mit ihrem An­gebot günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen. Darunter gibt es verschiedenste Rechtsfor­men mit unterschiedlichen kommunal-, beihilfe-, vergabe- und steuerrechtlichen Rahmenbe­dingungen. Ziel sollte es sein, auch diese Gesellschaften mit Gemeinwohlorientierung best­möglich durch das Land zu unterstützen.

Damit Genossenschaften und Gesellschaften ausreichend Flächen zur Realisierung von Wohnprojekten zur Verfügung stehen, soll der Zugang von Wohnungsbaugesellschaften bzw. -genossenschaften zu Grund und Boden vereinfacht werden. Mit dem Baulandmobilisierungs-gesetz und der entsprechenden Rechtsverordnung wurden die Vorkaufsrechte für Kommunen in Nordrhein-Westfalen entsprechend erweitert. Die Vergabe von Grundstücken in Erbpacht ist gerade in der aktuellen Situation für Investoren attraktiv, da die Anfangsinvestitionen sinken. Kommunen können die Höhe der Zinsen variieren und so den Bau von günstigem Wohnraum in Nordrhein-Westfalen zusätzlich unterstützen. Hinweise zum Einsatz von Erbbaurechten hat das Forum Baulandmanagement NRW im Jahr 2022 veröffentlicht. Das Land kann beispielhaft die Einbringung von Landesliegenschaften in Genossenschaften oder kommunale Wohnungs­bau- und Stadtentwicklungsgesellschaften prüfen.

Darüber hinaus müssen Fördermöglichkeiten bereitstehen, damit sich Wohnungsgenossen­schaften neu gründen können und deren Mitglieder in die Lage versetzt werden, die dafür notwendigen Einlagen zu finanzieren. Genossenschaften, die noch nicht ausreichend Eigen­kapital haben, sollen unterstützt werden und eine Öffnung der Genossenschaften ermöglicht werden, so dass auch mehr Einkommensschwache sich eine Mitgliedschaft bzw. Genossen­schaftsanteile leisten können. Einkommensgrenzen können gemäß Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) bei der Förderung und Belegung von Wohnraum für besondere Formen gemeinschaftlichen Wohnens abwei­chend gestaltet werden. Geprüft werden soll, ob und inwieweit die Einkommensgrenzen gezielt für Genossenschaften und Baugruppen ausgeweitet werden können, um Neugründungen zu erleichtern.

Die Zukunftskoalition wird bei der Gründung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Baugruppen beratend und unterstützend wirken.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Die Schaffung von bezahlbarem und angemessenem Wohnraum ist Teil der sozialen Daseinsvorsorge. Erleichterungen bei der Umsetzung von Bauvorhaben können dazu beitragen, diese Aufgabe besser als bisher zu erfüllen und die schwierige Lage der Bau­branche zu entspannen.
  • Die öffentliche Wohnraumförderung übernimmt eine wichtige Funktion im Rahmen der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum in Nordrhein-Westfalen. Wohnungsgenossen­schaften, Baugruppen und kommunale Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaugesell­schaften tragen wesentlich zu einer sicheren und verlässlichen Wohnraumversorgung in Nordrhein-Westfalen bei.
  • Die bereits vorhandenen Beratungs- und Förderangebote der Landesregierung und bei der NRW.BANK stellen eine wichtige und unverzichtbare Säule zur Förderung von Ge­nossenschaften und anderen Rechts- und Organisationsformen dar. Dies ist eine Grund­lage, um die Neugründung von Genossenschaften und kommunalen Stadtentwicklungs-und Wohnungsbaugesellschaften zu unterstützen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, im Rahmen vorhandener Mittel,

  • zu prüfen, welche weiteren Erleichterungen mit Blick auf die Modernisierung und Um­nutzung von Bestandsimmobilien geschaffen werden können:
    o   hierbei insbesondere zu prüfen, ob und in welchem Rahmen weitere bauordnungs­rechtliche Erleichterungen im Rahmen des geltenden Rechts geschaffen werden können.
  • darüber hinaus zu prüfen, ob mit Blick auf die bauordnungsrechtliche Genehmigungsfä­higkeit gerade bei Modernisierungen zum Zwecke der Schaffung von Wohnraum eine Verschiebung des maßgeblichen Betrachtungszeitpunkts auf den Zeitpunkt der erstma­ligen Errichtung im Sinne einer Konservierung der bauordnungsrechtlichen Genehmi­gungsfähigkeit möglich ist.
  • zu prüfen, ob und inwieweit die Einkommensgrenzen bei Genossenschaften und Bau­gruppen ausgeweitet werden können, um Neugründungen zu erleichtern,
  • zu prüfen, wie über die NRW.BANK im Rahmen der vorhandenen Mittel günstige Kredite für kommunale Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung ge­stellt werden könnten,
  • die Einbringung von Landesliegenschaften in Genossenschaften oder kommunale Woh­nungsbau- und Stadtentwicklungsgesellschaften zu prüfen,
  • die Anpassung kommunalrechtlicher Vorschriften zu prüfen, mit dem Ziel keine Anrech­nung für Grundstückserwerb durch die Stadt auf Investitionshöchstgrenzen etc. im kom­munalen Haushaltsrecht zu verankern und die Einbringung von Grundstücken von Stadt, Stadtwerken an Genossenschaften und kommunale Wohnungsbau- und Stadtent­wicklungsgesellschaften zu ermöglichen,
  • die Gründung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Baugruppen vom Land weiterhin durch Beratungsangebote zu unterstützen, hierzu eine gezielte Informationskampagne in Zusammenarbeit mit fachkundigen Institutionen und Verbänden durchzuführen.