I. Ausgangslage
Nordrhein-Westfalen verfügt über eine vielfältige Musiklandschaft: Das Spektrum reicht von international prägenden Konzerthäusern, renommierten Kulturorchestern, publikumsstarken Ensembles und einer teils überregional stilprägenden freien Szene über ein dichtes Netz aus Bildungseinrichtungen bis hin zu einem vielgestaltigen Netzwerk aus privatwirtschaftlichen Akteurinnen und Akteuren der Musikwirtschaft. Die gesamte Bandbreite an Einrichtungen und Personen, vornehmlich agierend auf kommunaler Ebene, ist kaum zu überblicken, da neben den professionell arbeitenden Akteurinnen und Akteuren ein großes Feld aus ehrenamtlich Tätigen – sowohl im Bereich des laienmusikalischen Schaffens als auch im Bereich von Stiftungen oder Initiativen – für Kulturangebote unterschiedlichster Art im ganzen Bundesland sorgt.
Wichtige Einrichtungen zur Förderung und zum Erhalt des Musikschaffens in Nordrhein-Westfalen sind die öffentlichen Musikschulen. Sie organisieren sich über den Verband deutscher Musikschulen (VdM) und werden im Wesentlichen aus kommunaler Hand finanziert. Mittlerweile existieren 161 öffentliche Musikschulen in Nordrhein-Westfalen. Dort werden ca. 350.000 Schülerinnen und Schüler von über 7.500 Pädagoginnen und Pädagogen unterrichtet. Über die öffentlichen Musikschulen hinaus existiert in Nordrhein-Westfalen ein vielgestaltiges Angebot von privaten Musikschulanbietern, selbstständig unterrichtenden Musiklehrerinnen und -lehrern sowie der einzelnen laienmusikalischen Organisationen.
Bereits jetzt existieren viele Programme, die in Kitas und Schulen stattfinden oder Kooperationen zwischen Schulen und Kultureinrichtungen ermöglichen. Dazu gehören unter anderem:
– Das Programm „Kita und Musikschule“, welches die Kooperation von Kitas und Musikschulen fördert. Dabei wird die musikalische Bildung in den Alltag der Kindertageseinrichtung durch aktive Einbeziehung aller Kinder und ihrer Familien integriert. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt an den Lebenswelten der Kinder und Familien sowie den Einrichtungen.
– Das Programm „JeKits – Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“, welches Grundschulkindern die Chance gibt, ein Instrument ihrer Wahl, singen oder tanzen zu erlernen. Die Erfahrungen aus dem bisherigen Verlauf von JeKits werden analysiert und zur Weiterentwicklung des Programms genutzt.
Musik spielt eine zentrale Rolle in der kulturellen Bildung und ist weit mehr als nur eine Kunstform oder ein Unterhaltungsmittel. Sie dient als Schlüssel zur Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen und Generationen und fördert das Verständnis für die Vielfalt menschlicher Ausdrucksformen.
Musik ermöglicht den Zugang zu kulturellen Traditionen und Geschichten. Durch das Erlernen und Erleben von Musik können Menschen in die Welt unterschiedlicher Kulturen eintauchen und deren Werte, Rituale und Traditionen besser verstehen. Dies trägt zur Förderung von Toleranz und interkultureller Kompetenz bei, da Musik eine universelle Sprache ist, die Emotionen und Ideen jenseits sprachlicher Barrieren vermittelt.
Musik unterstützt die persönliche und soziale Entwicklung. Sie fördert Kreativität, Ausdrucksfähigkeit und Selbstbewusstsein. Im gemeinschaftlichen Musizieren lernen Menschen zuzuhören, aufeinander einzugehen und gemeinsam Ziele zu erreichen, was soziale Fähigkeiten wie Teamarbeit und Empathie stärkt.
Darüber hinaus trägt Musik zur kognitiven Entwicklung bei. Studien haben gezeigt, dass das Erlernen eines Musikinstruments oder das Singen positive Effekte auf das Gedächtnis, die Konzentration und das abstrakte Denken hat. Diese Fähigkeiten sind nicht nur in der Musik, sondern auch in anderen Bildungsbereichen von großer Bedeutung.
In der kulturellen Bildung fungiert Musik somit als Medium, das sowohl intellektuelle als auch emotionale Fähigkeiten anspricht, interkulturelle Verständigung fördert und die individuelle sowie kollektive Identitätsbildung unterstützt. Durch die Einbindung von Musik in Bildungsprogramme wird ein ganzheitlicher Zugang zur Welt geschaffen, der Wissen, Kreativität und soziale Kompetenzen miteinander verbindet.
Besonders Kinder im Alter zwischen 0 und 6 Jahren brauchen Kontinuität. Kulturelle Bildungsangebote müssen nachhaltig und langfristig für alle Kinder im Kitaalltag verankert werden. Kulturelle Bildung ist eine Querschnittsaufgabe, die eine gute Vernetzung der unterschiedlichen Akteure und Akteurinnen braucht: Fachpersonal in den Kitas, Künstlerinnen und Künstler. Kulturelle Angebote müssen ein Echo in den Familien finden. Die Zusammenarbeit mit kommunalen Kulturinstitutionen muss weiter ausgebaut werden, damit auch das soziale Umfeld, der Lebensraum der in die Kita eingebundenen Familien miterfasst werden kann.
Beispiel dafür ist: “Toni singt” – eine Bildungsinitiative zur Singförderung in NRW, die 2005 im Namen des Chorverbandes NRW ins Leben gerufen wurde. Mit Hilfe der Förderung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW soll das Singen wieder stärker in die Familien und die Gesellschaft gebracht werden.
Um musikalische Bildung zu gewährleisten und das Interesse an Musik zu wecken, ist die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern, Lehrkräften in Schulen und Musikschulen, aber auch im ehrenamtlichen Bereich wie den Musikvereinen unabdingbar. Auch Mentorenprogramme für Schülerinnen und Schüler, die Bildungseinrichtungen wie die Landesmusikakademie anbieten, sollten aktiv genutzt werden. Denn Studien haben gezeigt, dass es in hohem Maße an der qualifizierten Vermittlung von Musik während der Schulzeit mangelt. Der Lehrkräftemangel an Schulen betrifft auch die Fächer Kunst und Musik. Verschiedene Maßnahmen hat die Landesregierung bereits angestoßen, unter anderem eine Lehrkräftewerbekampagne, Veränderungen im Musikhochschulstudium, Erleichterungen für Quereinsteiger. Bereits 2017 wurde zudem ein „Runder Tisch musikalische Bildung“ unter Federführung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft eingerichtet. Dieser bietet eine Plattform für ganzheitliche Lösungsansätze zwischen den Bereichen frühkindliche Bildung, Schule, Studium und Amateurmusik. Ziel ist es, bei Schülerinnen und Schülern das Interesse an der Wahl eines Studiums im Bereich Musikpädagogik zu stärken und die Freude am Erlernen und Vermitteln von Musikkompetenzen zu wecken. Darüber hinaus sind Angebote für Quereinstiege und Weiterqualifizierungen von Musikerinnen und Musikern und Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch von Amateurmusikerinnen und -musikern ein weiterer wichtiger Ansatz.
Aus der zentralen Rolle der Musik in der kulturellen Bildung ergeben sich verschiedene Konsequenzen, die sowohl Bildungseinrichtungen als auch die Gesellschaft als Ganzes betreffen.
- Integration von Musik in Bildungsprogramme: Bildungseinrichtungen sollten Musik als wichtigen Bestandteil ihres Lehrplans begreifen. Neben Ressourcen wie bereitgestellten Instrumente und qualifizierten Musiklehrern kommt es besonders auf pädagogische Konzepte an, die Musik als Mittel zur Vermittlung kultureller Kompetenzen nutzen. Musikprojekte, die verschiedene Kulturen einbeziehen, können dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die globale Vielfalt zu fördern.
- Förderung der interkulturellen Verständigung: Musik kann als universelle Sprache Barrieren zwischen verschiedenen Kulturen überwinden. Musikprojekte an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, die den interkulturellen Austausch fördern, stärken das Bewusstsein für globale Zusammenhänge und fördern Toleranz und Respekt gegenüber anderen Kulturen.
- Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenzen: Die Förderung musikalischer Bildung trägt zur ganzheitlichen Entwicklung von Schülern bei. Musikunterricht, der auf Teamarbeit und gemeinsames Musizieren setzt, kann entscheidend zur Entwicklung von Empathie, Kommunikationsfähigkeit und sozialem Verhalten beitragen.
- Unterstützung benachteiligter Gruppen: Musikprojekte können insbesondere für benachteiligte Gruppen eine wichtige Stütze sein. Sie bieten sozial benachteiligten Kindern oder Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Möglichkeit, sich auszudrücken und gesellschaftliche Anerkennung zu finden. Das Ziel, diesen Kindern das Zugang zu musikalischer Bildung zu erleichtern, muss sich daher auch in den Förderprogrammen widerspiegeln.
- Stärkung des kulturellen Erbes: Musik hat eine starke Verbindung zur kulturellen Identität. Durch die Förderung musikalischer Bildung wird das kulturelle Erbe gepflegt und an zukünftige Generationen weitergegeben. Dies erfordert auch die Unterstützung von traditionellen Musikformen und die Bewahrung von regionalen Musiktraditionen, die sonst möglicherweise in Vergessenheit geraten könnten.
- Einfluss auf die Bildungspolitik: Die Bedeutung der Musik für die kulturelle Bildung muss in der Bildungspolitik berücksichtigt werden, beispielsweise durch die Entwicklung langfristiger Strategien, um den Zugang zu musikalischer Bildung für alle Altersgruppen und sozialen Schichten zu gewährleisten.
Musik ist also ein integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Bildung und ein essenzielles Werkzeug für die Förderung einer vielfältigen, toleranten und kreativen Gesellschaft, welche eine entsprechende Anerkennung verdient.
II. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung:
- anhand der genannten Eckpunkte die bisher geförderten Handlungsfelder und Programme Kultureller Bildung im Bereich Musik zu überprüfen und gegebenenfalls neue zu beschreiben.
- die Formate insbesondere auf ihre Tauglichkeit für Ländliche Räume, finanzschwache Kommunen und für den schulischen Ganztag zu überprüfen.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung außerdem im Rahmen vorhandener Mittel:
- eine umfassende Fachkräfteoffensive für die Musikpädagogik einzuleiten.
- die Amateurmusik vor allem im ländlichen Raum als lokalen Partner für die Förderung musikalischer und musikpädagogischer Talente zu stärken.
- die Kooperation zwischen weiterführenden Schulen und Musikschulen zu stärken.
- die Community Music schrittweise in Kommunen, Musik-Institutionen sowie Ausbildung und Studium zu stärken.
- die Musik auch im Verbund mit den Kommunen und Kommunalverbänden und in den kommunalen Bildungsnetzwerken zu stärken sowie beim Bund die Stärkung von Musikpädagogik konsequent und ressortübergreifend zu verfolgen.